Tanz der Sinne

Gedichte

Autor:
Tobias C. Baincone
Besprechung:
Frank Milautzcki
 

Gedichte

Ein Tanz der Sinne, der in Kostümen getanzt wird

Nach „Bewegende Ruhe“ und „Spiel der Masken“ legt der Pendragon Verlag einen dritten und letzten Band mit Bildern von japanischen Holzschnittkünstlern (hier von Kitagawa Utamaro, 1753-1806) vor, auch diesmal wieder begleitet von Gedichten von Tobias C. Biancone. „Tanz der Sinne“ heißt das gebundene Büchlein, wunderbar ausgestattet mit ganz- und doppelseitigen Abbildungen, die eine fremde Welt aufzeigen im Land der aufgehenden Sonne jener vergangenen Epoche, als Utamaro als einziger Ukiyo-E-Künstler je zu nationalem Ruhm noch zu Lebzeiten kam. Sinnlichkeit, Freundschaft und Liebe sind die Themen in seinen Holzschnitten in warmen, irdischen Farben und Biancone gleicht seine 33 Gedichte diesem Atem der Bilder an, sagt selbst, sie seien als „Gegenpol, als zarte Blüten, für die stürmische und verwirrte Welt, die uns umgibt, gedacht“.

Es ist nicht leicht in diesen Ton so hineinzufinden, dass er gewinnbringend Melodien in jemandem wachruft, der sonst von der Buntheit und Explosivkraft der modernen Lyrik gefesselt ist - mir waren die Texte im allerersten Lesen zu schwulstig und zu wenig Gedicht, das erinnerte stark an christliche Besinnungslyrik neben meditativen Hochglanzfotos, die man zur Konfirmation geschenkt bekommt. Dabei hat Biancone schon einiges an Lyrik verfasst, aber immer als Begleitung zu Bildern, wenn seine im Buch angeführte Bibliographie verlässlich ist. Die Korrespondenzen, die seine Texte zu den Illustrationen eingehen, zeigen, dass er im tieferen Bezug Nehmen geübt ist, sodaß etwas durchaus Harmonisches entsteht. Die exotische Ruhe und Sinnlichkeit in den Darstellungen, die Zweisamkeit in großer Achtung voreinander, die Zärtlichkeit und das liebevolle Umgehen miteinander, irgendwie fordern die Bildinhalte, wenn man ihnen genau nachspürt, tatsächlich Texte, die in genau diesen Themen poetische Strukturen voller Einfachheit und Klarheit suchen, umstandslose Gedichte der Freundschaft und der Liebe. So versucht Biancone das Zeitlose und langt doch nicht an die stille Erhabenheit asiatischer Weisheit heran, weil er das Verknappen nicht und das Beschränken nicht kann, sondern immer schmückt und erzählt. Und er versucht Auskunft zu geben über die Liebe, mit frauenromanhaften Chiffren, die dem Anschein nach voller Gefühl stecken, aber eben nur dem Anschein nach - ein Tanz der Sinne, der in Kostümen getanzt wird,  geschminkt nach einer Wahrheit hin, die ein Gesicht haben soll (und deshalb unwahr sein muß). Wer nämlich die Liebe kennt, weiß auch vom Salz, kennt Schweiß und Tränen, weiß vom Dunkel des Tiers und der Geißel des Zweifels - was bei Biancone sich in kleinen, beiläufigen, verzeihbar menschlichen Schwächen erschöpft.
Nein, dem zeitgenössischen Lyrikleser sagen diese Gedichte auf keine Weise etwas, sollen es wohl auch nicht. Das Buch ist eher gedacht als Präsent, hübsch verpackt mit einer Rose angereichert, und der guten Flasche Rotwein beigegeben, auf dass die Dame die feine Weite des Herzens des Buhlerichs zu ermessen imstande sein möge. So oder so ähnlich.
Nur schade, dass es in einem Verlag erschienen ist, der tatsächlich moderne Lyrik vom Feinsten in seiner backlist zu bieten hat, z.B. die wundervollen Bände von Hellmuth Opitz. Die nämlich sagen dem zeitgenössischen Lyrikleser wirklich was und verzaubern.
31.03.08