Gesammelte Werke

Gedichte und Zeichnungen

Autor:
Wilhelm Busch
Besprechung:
Willem Warnecke
 

Gedichte und Zeichnungen

Schnurrpfeifereien auch digital – die gesammelten Werke Wilhelm Buschs

Am 8. Januar 1908 starb Wilhelm Busch, im Alter von 75 Jahren, in Mechtshausen, dem letzten seiner Refugien. "Max und Moritz" erfuhren zu diesem Zeitpunkt bei einer knappen halben Million verkaufter Exemplare bereits die 65. Auflage (ab der 100. Auflage, die 1937 erreicht wurde, stellte man die Zählung ein), Querelen um einige seiner Werke waren inzwischen zu seinen Gunsten beigelegt - "Der heilige Antonius von Padua" hatte ihm ab 1870 Prozesse wegen "Herabwürdigung der Religion und Erregung öffentlichen Ärgernisses durch unzüchtige Schriften" eingebracht . und war manchenorts jahrzehntelang indiziert gewesen. Die Erträge seiner Werke bescherten ihm zudem in den letzten drei, vier Jahrzehnten ein stattliches Einkommen. Und zum 70. Geburtstag hatte sogar Seine Majestät der Kaiser selbst - zumindest telegraphisch - gratulieren lassen. Das hätte Busch doch nun Anlass genug sein sollen, sich seinem Lehrer Lämpel gleich zurückzulehnen: "'Ach!' - spricht er - 'die größte Freud' / Ist doch die Zufriedenheit!!!'"

Indes waren seine Lebensumstände wohl in seinen Augen durchaus solche, mit denen er sich lediglich abfinden konnte beziehungsweise musste. Gescheitert sowohl bei seinen Versuchen auf dem Gebiet der Hohen Schule der Malerei nach dem Vorbild der alten Meister von Rubens bis Hals als auch mit seinen spätromantisch anmutenden "ernsthaften" literarischen Werken, sah er sich letztlich auf einen ihm gebührenden "bescheidenen Platz" verwiesen, hatte sich dabei aber auch von den immer schon ungeliebten Bildergeschichten - seinen "Schosen" - nun endlich in jeder Beziehung abgewandt: "Meine Sachen habe ich schon lange nicht mehr angesehen - und will sie nicht mehr sehn." 1896 waren sie gegen eine Abfindung von 50.000 Mark gänzlich seinem Verleger überantwortet worden. Für Busch selbst bedeutete das nur, sich ihrer damit endlich entledigt zu haben. Den Zuspruch, den seine Werke erfuhren, hatte er noch nie schätzen können, empfahl seinen Freunden und Verwandten gar, "was Besseres zu tun, als so dummes Zeug unter die Nase zu nehmen", dessen "Werth nicht in [seinem] künstlerischen Gehalt, sondern in der Nachfrage des Publikums zu suchen" sei. Entsprechend war seine Meinung von den Liebhabern seiner "Schnurrpfeifereien" - was unzweifelhaft auch den seine Aufwartung machenden Wilhelm II. einschloss.

Auch sich selbst sieht Busch nichts nach, wenn er, auf sein Leben zurückblickend, gänzlich ernst und durch die ihm entgegengebrachte Achtung unbeirrbar in einer Frühfassung seines kurzen autobiografischen Textes "Was mich betrifft" resümiert: "Freundlich betrachtest du das Bübchen dort, denn das warst du, und wehmütig zugleich, daß nichts Besseres und Gescheiteres aus ihm geworden, als was du bist." Diese Passage fehlt in der Endfassung der Schrift - zu der er sich nur in Entgegnung auf eine seinem nüchternen Geschmack zuwiderlaufende Biografie genötigt fühlte. Dieser unprätentiöse, das eigene Werk gering schätzende Mensch vermeidet es nach Möglichkeit völlig, sich zur eigenen Person, zum eigenen Leben zu äußern, belässt es auch dann, wenn es sich nicht vermeiden lässt und sogar in der Korrespondenz mit seinen vertrauten Freunden bei knappen - zumeist pessimistischen - Kommentaren.

Buschs negative Grundhaltung ist sicherlich auch in Beziehung zu seiner Schopenhauer-Lektüre zu setzen. Wenngleich er kurz vor seinem Tod gewissermaßen geläutert erscheint - "Eigentlich hat's ja nicht viel auf sich mit dem besten Peßimismus. An dem Glücklichen gleitet er ab, wie Waßer an der pomadisirten Ente, und der Unglückliche weiß ohne weiters bescheid." - prägt jene ihn durchgängig. Er sagt dies deutlich in einem seiner Briefe: "Meine Überzeugung ist ein für alle Mal: Wir taugen alle zusammen in der Wurzel nicht, und schüttelten wir die guten Werke auch nur immer so aus dem großen Sack hervor." Boshaft nehmen entsprechend seine Bildergeschichten eine Welt voller Bigotterie und generell zweifelhafter Werte aufs Korn, eine, in der selbst die durch die Lausbuben Geplagten keine Sympathieträger sind, sondern, wie Onkel Nolte und Kaspar Schlich, Scheinheilige, die sich selbstgefällig an der "gerechten" Strafe der anderen weiden: "Ei ja! - da bin ich wirklich froh! / Denn, Gott sei Dank! / Ich bin nicht so!!" respektive "'Ist fatal!' - bemerkte Schlich - / 'Hehe! aber nicht für mich.'" Eine Welt ist dies, der Busch selbst sich dennoch ebenfalls nicht entzog, nicht entziehen konnte, insofern er, wie es seine Biografin ausdrückt, "ein Denken ironisiert, das über weite Strecken das seine ist". In seiner späten Erzählung "Eduards Traum" zeichnet er das Bild von der Welt als Brei: "Die Welt ist wie Brei. Zieht man den Löffel heraus, und wär's der größte, gleich klappt die Geschichte wieder zusammen, als wenn gar nichts passiert wäre." Ein paar Jahrzehnte später bemüht Kurt Tucholsky als Theobald Tiger ein ganz ähnliches Gleichnis, das den Aspekt der Verhaftetheit, die trotz aller Spießbürgerschelte auch Busch betrifft, noch stärker hervorhebt: "Wer seine Augen aufmacht, sieht: / Sterben ist, wie wenn man einen Löffel aus dem Kleister zieht."

zurück