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Lyrik
Von der Inneneinrichtung der Sprache – Aufsätze von Norbert Lange bei Reinecke & Voß
Daß es etwas wie Sprache gibt, ist ein Wunder, das wir nicht zu verantworten haben. Aber wir dürfen das Geschenk annehmen und es uns genau anschauen. Damit umgehen. Unter anderem Gedichte schreiben. Letztenendes ist alles nur Spiel. Und dabei gibt es begabte und weniger begabte Leute, melodische Klänge und weniger melodische. Knochentrockene Gehirnkekse und flüssiges Gold. Das ganze Gedönse um zu schreibende oder nicht zu schreibende Lyrik ist vollkommener Blödsinn. Und die ganze Kliquenbildnerei und Abgrenzerei, die betrieben wird, ist einfach nur schädlich. Es geht darum, das individuelle Spiel anzunehmen und die chemischen Zulassungen in sich selbst aufzubrechen oder zu verändern. Sprachchemie zu haben, die zu einem passt. Manche pflegen sie nur und schreiben trotzdem passable Gedichte. Andere zerhauen alles und schreiben nur Schrott.
Mit Norbert Lange hat das alles soweit zu tun, daß er aktuell zu den Poeten gehört, die tief und stark reflektieren und alles auf eine Weise in Frage stellen, die fruchtbar ist. Über weite Passagen seines Buches führt er den Leser, manchmal etwas zu angestrengt und anstrengend, zu den Fragen, die Sinn machen. Die also Sinnfindungen im Leser evozieren. Das ist wunderbar. Das ist man gar nicht mehr gewohnt, es gibt zu viele überschätze, hochbeachtete Wortmelder, die einfach nur Unsinn erzählen und auf lange Sicht der Poesie mehr schaden als nutzen, weil sie ein Schott nach dem anderen dicht machen, um in ihren Kabinen alleine zu sein. Lange löst sich, kappt Seile und schwebt erst mal herum, und dann dockt er an und deklariert nicht gleich das entdeckte Land zu einem lebenslangen Hinterindien.
„Aus einem Gedicht wird nie ein Maschinengewehr, aber genausowenig ist die Poesie ein geschütztes Reservat, selbst wenn ich denn mit Preisen und Stipendien überhäuft werde. Der Anspruch ist, das Niveau zu halten, und das schließt ein, dass ich meine Position hinterfrage. Welche Gedichte werden prämiert, welche Konventionen bestehen? Jedes Gedicht setzt sich einem Generalverdacht aus, weil Sicherheit nicht nur als Bedürfnis gilt, sie wird zur Gefahr, wenn man sich auf Positionen zurückzieht, die Sicherheit versprechen.“ schreibt Lange.
Nur einer von vielen wahren Sätzen, ob der Komplexität des Verhalts in einem argumentativen Staccato vorgebracht (eine Schwäche des Buches).
Daß sich Akteure eine Position erobern, daß ihre lyrische Lerngeschichte (die man heute als Studium hinter sich bringt) sie an einer Stelle einortet, die dann – preiswürdig oder nicht - erst mal verteidigt wird (zu viele Gedichte heute sind Demarkationslinien), ist ein absolut normales Geschehen. Gut wird Dichtung aber erst, wenn sie sich von Positionen löst und nur noch dem Wort und der Sprache geschuldet ist und dem Spiel. Einem nicht kleinen Teil der Lyrik heute merkt man aber immer noch an, wie erzwungen und restriktiv sie ist. Ganz das Gegenteil von frei. Rückzugsgebiet, Reservat. Durchkalkulierte Stelle, auf der ich trete, der herrschenden Luxzahl des Literaturbetriebes angepaßt.
Das Buch von Norbert Lange ist nicht einfach zu lesen, was durchaus an den reichen Inhaltsflächen liegt, die bewältigt sein wollen. Es hat viele wundervolle Gedanken, großartige Anregungen und interessante Perspektiven, auch solche aus der Bewegung heraus und in die Bewegung hinein.
Originalbeitrag
Mit Norbert Lange hat das alles soweit zu tun, daß er aktuell zu den Poeten gehört, die tief und stark reflektieren und alles auf eine Weise in Frage stellen, die fruchtbar ist. Über weite Passagen seines Buches führt er den Leser, manchmal etwas zu angestrengt und anstrengend, zu den Fragen, die Sinn machen. Die also Sinnfindungen im Leser evozieren. Das ist wunderbar. Das ist man gar nicht mehr gewohnt, es gibt zu viele überschätze, hochbeachtete Wortmelder, die einfach nur Unsinn erzählen und auf lange Sicht der Poesie mehr schaden als nutzen, weil sie ein Schott nach dem anderen dicht machen, um in ihren Kabinen alleine zu sein. Lange löst sich, kappt Seile und schwebt erst mal herum, und dann dockt er an und deklariert nicht gleich das entdeckte Land zu einem lebenslangen Hinterindien.
„Aus einem Gedicht wird nie ein Maschinengewehr, aber genausowenig ist die Poesie ein geschütztes Reservat, selbst wenn ich denn mit Preisen und Stipendien überhäuft werde. Der Anspruch ist, das Niveau zu halten, und das schließt ein, dass ich meine Position hinterfrage. Welche Gedichte werden prämiert, welche Konventionen bestehen? Jedes Gedicht setzt sich einem Generalverdacht aus, weil Sicherheit nicht nur als Bedürfnis gilt, sie wird zur Gefahr, wenn man sich auf Positionen zurückzieht, die Sicherheit versprechen.“ schreibt Lange.
Nur einer von vielen wahren Sätzen, ob der Komplexität des Verhalts in einem argumentativen Staccato vorgebracht (eine Schwäche des Buches).
Daß sich Akteure eine Position erobern, daß ihre lyrische Lerngeschichte (die man heute als Studium hinter sich bringt) sie an einer Stelle einortet, die dann – preiswürdig oder nicht - erst mal verteidigt wird (zu viele Gedichte heute sind Demarkationslinien), ist ein absolut normales Geschehen. Gut wird Dichtung aber erst, wenn sie sich von Positionen löst und nur noch dem Wort und der Sprache geschuldet ist und dem Spiel. Einem nicht kleinen Teil der Lyrik heute merkt man aber immer noch an, wie erzwungen und restriktiv sie ist. Ganz das Gegenteil von frei. Rückzugsgebiet, Reservat. Durchkalkulierte Stelle, auf der ich trete, der herrschenden Luxzahl des Literaturbetriebes angepaßt.
Das Buch von Norbert Lange ist nicht einfach zu lesen, was durchaus an den reichen Inhaltsflächen liegt, die bewältigt sein wollen. Es hat viele wundervolle Gedanken, großartige Anregungen und interessante Perspektiven, auch solche aus der Bewegung heraus und in die Bewegung hinein.
Originalbeitrag
Norbert Lange: Das Geschriebene mit der Schreibhand. Aufsätze. Reinecke & Voß, Leipzig 2010.