Der Krieg gegen die Raucher. Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote

Sachbuch

Autor:
Walter Wippersberg
Besprechung:
Manfred Chobot
 

Sachbuch

Du sollst nicht rauchen! - eine Kulturgeschichte der Rauchverbote von Walter Wipperberg

Dass Rauchen nicht gesund ist, soll nicht bestritten werden. Nicht hinnehmbar ist dagegen der „Krieg gegen die Raucher“, zumal er immer absurdere und radikalere Dimensionen annimmt, sodass selbst rauchende Politiker es nicht mehr wagen, ihre Gegenstimme zu erheben, hingegen träumt ein führender EU-Politiker von einem rauchfreien Europa, was Gedanken an Zeiten aufkommen lässt, die man längst für vergangen und überwunden gehalten hat. Einem gewissen Fritz Lickint (1898–1960), vom Reichsgesundheitsführer protegiert, verdankt die Welt das Wort „Passivrauchen“.

Der persische Schah Abbas I. ließ Rauchern die Nasen und Lippen abschneiden, während der türkische Sultan Murad IV. die Raucher für einen Großbrand verantwortlich machte, den er selbst verursacht hatte, genau wie Nero für den Brand Roms die Christen verfolgen ließ. In 14 US-Bundesstaaten gab es bereits zwischen 1893 und 1921 Rauchverbote, „da das Rauchen die Menschen zu Verbrechern macht.“ Eine Vorkämpferin der Rauchverbote, Lucy Gaston, starb an Kehlkopfkrebs. Hitler war davon überzeugt, dass er als Raucher nicht Reichskanzler geworden wäre. Hätte er doch bloß weiter geraucht!

Scheinbar exakt wird mit wissenschaftlichen Studien gegen die Raucher argumentiert. Bei der Wissenschaft fährt die Eisenbahn drüber. An die Wissenschaft hat man zu glauben und wie in der Kirche Dogmen nicht zu hinterfragen. Ob die Prämissen allerdings zu einer richtigen Conclusio führen, interessiert niemand. Würde jemand eine Studie veröffentlichen, dass die Geburtenzahlen in Europa zurückgehen und zugleich feststellen, dass die Population der Störche sich ebenfalls reduziert hat, würde man sich an den Kopf greifen. Wenn aber jemand „errechnet“, dass im Jahr 2005 in Deutschland 3301 Menschen an den Folgen des Passivrauchens verstorben sind, wird dies von den Medien unhinterfragt verbreitet. Wenn Experten bei einem Rechtsstreit in ihren wissenschaftlichen Gutachten gegenteilige Meinungen vertreten, wundert sich niemand. Wird dagegen von der Medizinischen Universität eine Studie vorgelegt, dass die Raucher in Österreich einen volkswirtschaftlichen Schaden von 511,4 Millionen Euro pro Jahr verursachen, gilt die Wahrheit als wissenschaftlich bestätigt. Und wenn eine entsprechende Webseite von vier internationalen Pharmakonzernen gesponsert wird, kann man nur Walter Wippersberg zitieren: „Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“ – Und wer liest schon den Beipackzettel der „Anti-Raucher-Pille“ Champix, dass Selbstmord als mögliche Nebenwirkung infrage kommt.

Walter Wippersberg schreibt sachlich, präzis, analytisch und textgenau. Für jeden nachvollziehbar, der logisches Denken nicht in der Garderobe abgegeben hat. Dogmatiker wissen es allerdings immer genauer und haben das Recht des Dogmas auf ihrer Seite. Für Anti-Raucher-Djihadisten gelten indes andere Gesetze der Logik. Immerhin gibt es auch Leute, die glauben, dass die Welt eine Scheibe und die Technik ein Werk des Teufels ist.

Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind Wippersbergs Analysen einer „Gesundheitsreligion“, einem Phänomen, dem heutzutage unzählige Menschen huldigen. Nichts gegen ein gesundes Leben, jedoch wird es als „Sünde“ dargestellt, wenn man zu fett oder zu kalorienreich isst, zu wenig Sport betreibt. In diesem Zusammenhang spielt auch die medizinische Prophylaxe eine zentrale Rolle. Sich über Sinn und Unsinn Gedanken zu machen, dazu regt Wippersberg an. „Mens sana in corpore sano.“ Dieses Zitat von Juvenal wird andauernd falsch – und aus dem Zusammenhang gerissen – zitiert. Tatsächlich hatte der römische Satiriker geschrieben: „Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei.“ Und damit gemeint, dass in den prachtvollen Körpern der Kraftsportler auch ein wenig Geist vorhanden sein sollte.

Wenn militante Anti-Raucher ein totales Rauchverbot in den Gasthäusern fordern, indem sie auf ihr Recht pochen, überallhin gehen zu können, verweist Wippersberg konsequent und logisch darauf, dass jemand, der in der Oper Sprechtheater sehen will, für bescheuert gehalten wird, ebenso wie einer, der in einer Synagoge eine christliche Messe fordert.

Übrigens: durch Kerzen und Weihrauch ist die Feinstaubbelastung in Kirchen weitaus höher als in jedem noch so verrauchten Wirtshaus. Daraus folgt, dass es für katholische Priester arbeitsrechtlich eine Zumutung sowie ein gesundheitliches Risiko darstellt, eine Messe zu lesen. Was selbstverständlich auch für jeden Kirchenbesucher zutrifft.
„Wir haben, auch wenn man uns das Gegenteil einreden will, kein exaktes Zahlenmaterial über die schädlichen Folgen des Rauchens.“


Originalbeitrag

Walter Wippersberg: Der Krieg gegen die Raucher. – Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote. Promedia, Wien 2010.