On 5/3/08 8:07 AM, "Miljkovic Marijana"
<marijana.miljkovic@DerStandard.at> wrote:
Hallo Gerald,
also hier die fragen, die dir wohl bekannt vorkommen werden.
soweit ich es in erinnerung habe, bist du 1956 geboren (bitte verzeihe, wenn
ich falsch liege) und arbeitest im Kunstbereich. außerdem hast du eine
bürgerinititaive gegründet, die sich für fkk einsetzt und wurdest sogar als
bürgermeisterkandidat gehandelt. kannst du mir da noch näheres schreiben?
Horst Gerald Ganglbauer: Geboren am 24. Februar 1958 in
Graz; VS Andritz, BRG Kepler, HTL Ortweinplatz; Studien an der TU Graz
(Verfahrenstechnik) und der Karl-Franzens-Universität Graz (Akademischer
Medienfachmann, Abschluss 1986), nach einigen Jahren in Wien seit 1989 in
Sydney, Australien, Diplom am SIT (Information Technology, Abschluss 2006).
Doppelstaatsbürger.
1982/83 Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift
Perspektive (www.perspektive.at), 1984
Gründer und Verleger des Literaturverlag Gangan www.gangan.com), 1987/88
Herausgeber der ZeitSCHRIFT über Literatur, gemeinsam mit Andreas Puff-Trojan
Herausgeber von Textwechsel (Sonderzahl Verlag, Wien 1992), 1996 Gründer und
Herausgeber der zweisprachigen Zeitschrift Gangway (www.gangway.net), 2001
Gründer der Gangart Awards, Intercultural competition for the arts on the Net (www.gangart.com), 2004
Gründer und Moderator des Austrians Abroad Forum, seit 2006 Vorstandsmitglied
im Auslandsösterreicher-Weltbund (www.weltbund.at), seit 2008
InterNations Ambassador in Sydney (www.internations.org).
2001/2002-2003/2004 Chairman des Ultimo
Precinct Committee (Bezirksvorsteher eines Stadtteils von Sydney), 2004 bis heute Convenor
der Ultimo Society (www.cityrags.org.au)
und 2005 bis heute Convenor der Free Beach Action NSW (www.freebeach.info) (Bürgerinitiative für
FKK Strände in New South Wales)
wohnhaft in sydney?
Ja, nachdem ich mir ganz Australien angeschaut habe, ist meine
Wahl-Weltstadt Sydney. Und ich habe mir wirklich alles angeschaut, privat auf
mehreren „Walkabouts“, das sind ziel- und zeitlose Reisen ins Outback und rund
um den Kontinent, als auch freiberuflich als Adventure Tour Operator, wo ich
ein dutzend Mal jeweils eine handvoll Touristen zwei, drei Wochen lang im 4WD
tausende Kilometer kreuz und quer durchs Land gefahren habe.
warum bist du aus graz weggegangen?
Graz war gut zum Aufwachsen und Studieren; ich habe ja immerhin 28 Jahre
dort gelebt, habe aber damals schon gescherzt, dass ich es nur deshalb
aushalte, weil ich jede freie Minute im Ausland bin.
Das war tatsächlich so. In den Schulferien war ich, seitdem ich 16 geworden
war, immer nur unterwegs. In den 70ern erst überall in Europa, meist per
Anhalter, in den 80ern kam dann die Erweiterung auf Weltreisen. Die erste ist
den Spuren von Jules Verne gefolgt: In 80 Tagen um die Welt in zwölf Flügen mit
der Pan Am. Danach hat mich nichts mehr von meinem Reisefieber geheilt.
1982 habe ich Petra geheiratet. Wie waren auch als Ehepaar immer nur
unterwegs. Als meine Ehe mit ihr 1985 wieder auseinander ging, wurde mir Graz
zu klein. Da habe ich mich zuerst einmal eine Weile in Pitsidia auf Kreta
niedergelassen und bin dann 1986 nach Wien übersiedelt. Meinen Literaturverlag
Gangan habe ich dorthin mitgenommen, der weitere Horizont hat beruflich auch
gut getan, denn in Graz war es auch in der Literaturszene recht eng.
du hast erzählt, dass du ein, zweimal in jahr in graz
bist um deine Mutter zu besuchen. warum zieht es dich noch nach graz?
Meine Mutter wird heuer schon 98 und deshalb ist jede Stunde mit ihr
wertvoll. Darüber hinaus habe ich auch eine Reihe alter Freunde wiederentdeckt.
Das war aber nicht immer so. In den ersten Jahren war ich kaum mehr auf Besuch
in Graz, nicht einmal, als ich noch in Wien gelebt habe... da war ich ein
Wiener, was man ja auch jedem Ausländer leichter erklären kann, als Grazer.
Graz kennt niemand.
was vermisst du von graz wenn du in der welt unterwegs
bist?
Eigentlich gar nix, weil ich ja freiwillig draußen in der Welt bin, weg vom
Kleinstädtischen, wegen der fremden Kulturen, die es jenseits der Grenzen gibt.
Abgesehen davon, dass man übrigens auch in Sydney gutes Kernöl kaufen kann,
wenn’s einem abgeht.
als du aus graz weggegangen bist, bist du doch auch in
tirol gelandet. wohin hat es dich noch verschlagen, bevor du in australien
gelandet bist? was ist so speziell in deiner neuen heimat?
Kreta hab ich ja schon erwähnt, dann gab’s auch noch ein halbes Jahr
Finnland, einige Jahre Wien, sowie längere Aufenthalte in Hamburg, New York und
San Francisco; die USA wäre auch eine Möglichkeit für mich gewesen. Aber Sydney
ist halt irgendwie einzigartig, weil es alles in einem ist: kosmopolitische
Großstadt, urbanes Dorf, der schönste Hafen der Welt, Beach Culture inmitten
der City, National Parks rundherum. Wo sonst hat man seinen eigenen Strand vor
der Haustüre und so gut wie jedes ethnische Restaurant der Welt zur
kulinarischen Auswahl?
du bist ja auch gründer der österreicherplattform.
warum war es für dich wichtig, so ein forum zu schaffen?
Wenn man im Ausland lebt, wie du ja vielleicht auch weißt, von anderen
Menschen, die man trifft, unterwegs oder in anderen Teilen der Welt, hat man so
etwas wie eine österreichische Seele. Und die bleibt einem erhalten, ob man
jetzt 20 Jahre in Australien, oder in den USA oder auch in einem
Dritte-Welt-Land lebt. Man hat sie von Geburt und trägt sie mit sich herum und
vergisst sie vielleicht zum Teil, sie wird ein bisschen überdeckt von anderen
Eindrücken. Aber irgendwann, früher oder später, bricht sie wieder hervor. Man
macht sich wieder Gedanken über die Wurzeln, man versucht, sich zu
positionieren oder immer wieder neu zu positionieren. Und da ist mir die
Community, weil sich so etwas im Internet recht leicht bauen oder zusammenbauen
lässt, zu Hilfe gekommen.
Ich habe ein bisschen Zeit gehabt, vor und nach der
Präsentation unseres Verlagsfestes (2004, 20 Jahre Gangan im Literaturhaus
Graz), habe mich einfach an den Computer gesetzt, habe Österreicher gesucht,
die im Ausland leben, habe 1000 oder so gefunden, habe die alle eingeladen,
zusammengebracht, an einen Tisch gesetzt. Der wächst und wächst und wächst und
es hat sich schon ein unheimlich starkes oder positives Gesprächsklima in
dieser neuen Gruppe ergeben. Jeder hat irgendwie darauf gewartet, jeder freut
sich, dass er dabei ist, dass er eingeladen war. Ich glaube, nach einer Woche
hatte ich schon hundert Leute aktiv am Tisch sitzen. Jeden Tag in der Früh sind
ein paar Sachen zu moderieren, Beiträge von Menschen aus allen Teilen der Erde,
die sich gemeldet haben, die sich vorstellen mit ihrer kleineren oder größeren
Lebensgeschichte und die das in einer sehr guten Qualität machen. Ich war
wirklich sehr überrascht über die Qualität an Österreichern, die man im Ausland
findet. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen witzig, aber ich habe schon
Erfahrungen und Suchen hinter mir, wo ich immer eher so Beisl-Leute gefunden
habe, die am Stammtisch wirken, wo es sprachfetzig hin und her geht und nichts
wirklich Wesentliches dabei ist. So etwas liegt mir fern, so etwas interessiert
mich nicht. Ich bin zum Teil privat in diesen „Beisln“ drinnen. Aber worum es
mir bei der Community ging, war, dieses Österreichische zu erarbeiten, zu
durchleuchten und ein bisschen zu schauen, was wir hier tun auf diesem
Planeten, und warum wir aus diesem kleinen Land Österreich so weit weggehen und
so verschiedene Lebenswege beschreiten.
du möchtest nicht wieder nach österreich zurück, warum
nicht?
Das ist eine schwierige Frage und darauf habe ich noch keine endgültige
Antwort. Ich habe mein Leben in Sydney eingerichtet, wo ich mir eine Wohnung
gekauft habe, meinem Alltag nachgehe, sozialversichert bin etc. Ich bin mit 50
auch nicht mehr der Jüngste, um noch einmal neu anzufangen. Aber man weiß ja
nie, alles sollte immer möglich bleiben, sei es eben auch (zumindest
theoretisch) eine Rückkehr oder ein neuer Lebensmittelpunkt anderswo.
bist du zufällig nach australien gegangen oder war das
geplant? warum?
Das war einer jener Zufälle, die das Leben so spielt. Kurz vor der Trennung
von Petra hatten wir noch gemeinsam einen Schiurlaub in Alpbach in Tirol
gebucht. Dann waren wir plötzlich wieder Singles und da die Buchung nicht zu
stornieren war, haben wir beschlossen, dass zumindest einer von uns hinfährt.
Das war dann ich. Und in Alpbach haben sich meine Spuren mit jenen von Monica
gekreuzt, einer Schilehrerin aus Australien. Wir sind in Kontakt geblieben, sie
hat mich 1987 in Wien besucht, und ich hab den Besuch erwidert. So hat’s
angefangen...
wie ist es für dich, nach graz zurückzukommen, wie
fühlst du dich?
Das Seltsame ist, auch nach vielen Jahren, dass man sich einfach auskennt,
im Blindflug durch die Stadt gehen kann und immer noch fast alles dort ist,
wo’s einmal war. Und wenn nicht (wie z.B. beim ÖAMTC, den ich unlängst gesucht
hab) wissen die Nachbargeschäfte auch noch, wo die neuen Adressen sind.
Bei Spaziergängen durch Andritz kommen Kindheitserinnerungen auf, viele
Strassen und Adressen erinnern an frühere Freundinnen oder lange vergessen
geglaubt Erlebtes, man bewegt sich im Stadtplan wie durch seine eigene
Geschichte... Aber es ist kein sentimentales oder romantisiertes Gefühl,
sondern ein gutes...
Und es ist ja nicht nur die Stadt selbst, die FKK Schwarzlteiche und die
Buschenschanken an der Südsteirischen Weinstrasse gehören für mich auch zum
Heimaterlebnis dazu. Eine Brettljause mit ein paar weißen Spritzern unter einem
Nussbaum hat schon was...
wie unterschieden sich die australier von
österreichern?
G’day mate, how is it going? Anfangs hatte ich den kulturellen Unterschied
noch stärker gefühlt, ja sogar geschätzt. Die alte Welt schien mir viel
umständlicher, bürokratischer, kühler, distanzierter, formeller zu sein als die
neue, wo es keine halbe Stunde gedauert hat mit einer kleinen Gebühr, die nicht
per Stempelmarke, sondern mit Kreditkarte zahlbar war, als ich meinen Verlag in
New South Wales angemeldet habe, und Minuten später das lasergedruckte
Zertifikat in der Hand hatte, was mit dem Hürdenlauf in Graz bis zum
Gewerbeschein so gar keinem Vergleich standgehalten hat.
Heute blättert ein bisschen die Farbe ab vom kosmopolitischen Flair der
Australier, weil ich die Feinheiten jetzt wahrnehmen kann, die anfangs in der
Sprachbarriere hängen geblieben sind. Außerdem gibt es inzwischen einige
Verbesserungen in der österreichischen Gesellschaft, sodass die subjektiven
Unterschiede zueinander geringer werden. Die Welt wird halt doch immer mehr zu
einem globalen Dorf...
Aber: No worries, she’ll be right...
vielleicht fallen mir noch einige fragen ein, wenn ich
deine antworten lese.
liebe grüße! und DANKE!
Marijana
Cheers
Gerald
Sydney, am 11. März 2008
On 30/6/08 7:51 PM, "Miljkovic Marijana" <marijana.miljkovic@DerStandard.at> wrote:
Hallo gerald!
Ja, das projekt ist tatsächlich sanft entschlafen. Aber wie ausgemacht, bringe ich noch dein portrait. Ich bemühe mich, mich heute dazuzusetzen. Jetzt ist die EURO 08 ja vorbei.
Lg! Marijana
PS.: Fünf Jahre später (2013) wurde GRAZOUTSIDE von der Stadt Graz übernommen und weitergeführt – www.grazoutside.net |