Stoßen Sie
fester!, sagt sie.
Das Kinn in beide Hände gestützt, hat sie ganz nah den
Stoff der Bettbespannung vor Augen. Sie kniet, wie eine Katze sich
streckt. Er hat sich ihren Arsch als Altar gewünscht, auf dem
er nun de Sade als Bibel liegen hat. Sie preßt ihre
Scheidenmuskel zusammen und wartet, ob ihn das aus der Zeile
wirft. Mit fröhlich getragener Stimme liest er die
langweiligste Stelle des Buches.
Die Straße ist sehr dunkel. Der Fahrer hält sich meist
auf der falschen Seite. Kurven scheinen ihn zu überraschen.
Ein Fußgänger trägt eine kleine, sehr helle Lampe
mit hängender Hand.
Lieben Sie mich?, fragt er.
Wieso?
Sie sind sehr gütig zu mir.
Sie schaut ihn an und fragt sich, in wie weit die leichte Hebung
der Unterlippe, die sie minutiös spürt, nach außen
sichtbar wird. Wahrscheinlich eine Berufskrankheit, antwortet sie
ihm.
Manchmal leuchten auf den Hinweistafeln die Straßennummern
heller als der andere Text. Durch die Dunkelheit der hohen
Bäume läuft das Bild der schwankenden Hochhäuser
nach. Eine Flut riesiger Häuser auf papierübersäten
Feldern. Wie ein Leuchtturm die digitale Zeitansage, rot, am Dach
des ersten Hauses.
Wenn ich mich nach Ihnen sehnen würde, würde ich es
nicht sagen. Sehr vernünftig, sagt er.
Schlägt den Mantel eng über seine schmalen Hüften.
Geht, ohne dass sie es beobachtet. Geht.
Wie eine Rauchsäule steigt der abgehackte Frauenkörper.
Die Geburt der Venus pin up.
Sie sieht in seine Augen und schnell wieder weg. Bedauert, was sie
jetzt weiß: Auch Sie werden unter mir leiden. Wieder keine
Möglichkeit der Erlösung. Was bleibt:
Bei Ihnen habe ich ausschließlich Lust, so zu sprechen,
dass es auch als Zwischentitel für Stummfilme verwendet
werden könnte. Die Kastration ist Vorbedingung der
männlichen Sexualität, so, wie der Gottesglaube
Vorbedingung der weiblichen ist, sagt er.
Das Grün der Ampel läßt eine Flut von Menschen auf
sie los. Sie bemüht sich, aufrecht zu gehen, und den Kopf
nicht zu senken. Den Daumen der linken Hand um den Griff der
Tasche geschlungen, die rechte zur Faust gelegt in der
Manteltasche. Der Straßenrand ist kein rettendes Ufer. Der
Fotoapparat vor Teilen des Gesichts garantiert für die Dauer,
in der er in dieser Position gehalten wird, Niemandsland.
Für Sie
scheint Sexualität eine physische Angelegenheit zu
sein, sagt er (nachdem er den
Schwanz wieder in die Unterhose gesteckt hat), wahrhaftig: Sie
stöhnen.
Die Scham, Fotos zu machen, die Dokumente unausweichlichen Leidens
sind. Rückzug auf historische Gebäude und die Sehnsucht,
die Mentalität einer Fotoreporterin, in chic ausgebeulten
Khakihosen, zu haben. Einschließlich der Fähigkeit,
alles in drei Minuten sagen zu können.
Er fragt: Warum verbringen Sie Ihre Zeit mit mir? Sie
schweigt.
Sie ist fasziniert von der klinischen Sterilität. Das
Eindringen wie ein chirurgischer Eingriff. Zumindest
müßte der Mann vorher eine Verbeugung machen und seinen
Hut ziehen. Um die Form zu wahren.
In diesem Land zu dieser Zeit. Die Erde ist aufgeweicht dunkel und
frißt sich in das Leder der Stiefel. Der Himmel ist
undurchdrungen blau. Schritte in die fremde Geschichte.
Wir verstehen uns nicht, sagt er.
Unser Mißverständnis ist so offensichtlich, dass
ihm die Möglichkeit von Schmerz nicht offensteht, erwidert
sie.
Er küßt ihr Haar. Sie entzieht ihm die Stirn. Er
ergreift ihre Schultern. Sie läßt sich in seinen
Schoß fallen. Er greift unter ihr Kleid. Sie verbietet
derart demütigende Handlungen. Er streichelt ihren Nacken.
Sie zieht die Beine an sich.
Ich halte viel von Ihnen, sagt er.
Lassen Sie das, sagt sie.
Die Dunkelheit kommt früh und sie schläft lang. So
bleiben ihr täglich etwa fünf Stunden Tageslicht. Sie
spürt das in einer Müdigkeit, die bald auch chemisch
nicht mehr aufzuhalten ist. Der Lebensmut weiß nicht, woran
er sich halten soll. Verschwindet unbemerkt.
Ihre Melancholie scheint größer zu sein, als es die
Ästhetik fordert, sagt er.
Seien Sie nicht idiotisch!, fordert sie. Ihn entzückt die
männliche Derbheit des Ausdrucks. Sie verbietet ihm weitere
Fragen nach ihrem Empfinden mit der Begründung zu
großer Intimität.
Die festen Regenschnüre entziehen dem Himmel das Blau. Machen
Brei aus dem Boden. Guten, griffigen, saftigen Brei, der zum
wälzen einlädt, und zum sich vergessen.
Manchmal brauchen die Gedanken eine stabile alte Steinmauer,
weiß gekalkt, an der sie Halt finden. Die nimmt nicht nur
die Schultern auf, sondern auch die Stirn.
Ich habe Angst zu ersticken, sagt er (als sie auf ihm liegt),
bitte tun Sie das nicht. Ich habe Angst, dass ich Sie nicht
mehr mögen könnte. Sie lacht ihn aus. Rollt von ihm
herunter. Sie dreht ihm den Rücken zu und läßt ihr
Fleisch an seinen Knochen. Sie spürt, dass sie ihn
fängt damit. Sie hat keinen Platz für Beute. Sie greift
nach seinem Schwanz, der erfreulich schnell hart wird. Bringt sich
in günstige Relation zu dem großen Stück. Er legt
mit Hand an. Ein kurzer Ruck, und drin ist er.
Langsam setzt sie den Stiefel, mit dem Absatz voran, tief in den
Bodenbrei. Verstärkt den Druck. Sieht die Lehmwülste
sich das Leder entlang winden. Läßt den ganzen
Fuß verschwinden, ganz langsam, als würde sie die
Sekunden zählen, die das dauert. Sucht nach
größtmöglicher Verzögerung. Denn jede Lust
will Ewigkeit, will tiefe, tiefe, Ewigkeit.
Von hinten greift er nach ihren Brüsten. Fester soll er
zugreifen. Nur gute, feste Griffe. Nur Bewegungen ohne Fragen. Sie
umschließt seine Hände, die sich in ihr Schamhaar
vergraben haben. Sie wölbt den Rücken. Andächtig
läßt sie sich am Körper des Mannes
entlanggleiten.
Ihre Augen gehen den Zweigen des Baumes nach. Ein hoher, schmaler,
glattgewaschener Baum. Fein modelliert. Die Jahreszeit hat sich
erfüllt an ihm. Er hat alles zu bieten, was Natur und Kultur
ihm getan haben.
Sie schließt ihre Finger fest ineinander und zieht die
Hände nach oben. Ein Brett für ihren Nacken. Irgendwohin
mit dem Kopf. Aufgespießt will sie sein. Preßt ihre
Schultern hart gegen die Schultern des Mannes. Greift in seine
Oberarme. Bohrt sich in seine Brust. Schlägt ihren Hals
seinen Hals entlang. Drückt ihr Kinn in seine Schultergrube.
Umspannt mit ihren Armen seine Taille und drückt fest zu.
Gehen Schritt für Schritt. Der Lehm trocknet an den Stiefeln.
Unbeachtet. Wenn er ganz hart ist, wird er zerfallen. Sich
auflösen in winzig kleine Staubpartikel. Die kleinste
Bewegung genügt, sie zu entfernen. Sie hält die Stiefel
über die Waschmuschel. Stößt mit dem spitzen Ende
der Bürste gegen die besonders großen Wülste. Die
fallen in großen Brocken, die das Wasser, das sie darauf
rinnen läßt, wieder geschmeidig machen. Ein kleines
Rinnsal von Sand, das sich dem Abfluß zuwindet.