Jeder redet über die
Ausländer im Inland. Dann wird uns in der Werbung die Frage
gestellt: Was sind halbe Österreicher?
Doppelstaatsbürger? Eine japanische Automarke1? Und meine
Antwort ist, dass die eigentlich uns meinen, die
Inländer im Ausland.
Seitenblicke2, Taiwan:
Eine fesche Österreicherin bekennt vor laufender Kamera
strahlend, sie habe erst im Ausland bemerkt, was für eine
Patriotin sie sei. Wir Österreicher, die wir nur zu gern –
und nicht erst seit Thomas Bernhard – unser Nest beschmutzen, wir
alle werden erst zu richtigen Österreichern, wenn wir
anderswo sind. Von uns gibt es Hunderttausende. Wir leben in New
York oder Sydney oder Berlin. Wir sind die halben
Österreicher. Oder gar die doppelten?
Unser Leben scheint aufregend zu
sein. Nach mehr oder weniger vielen Jahren durch den Zufall der
Geburt in diesem Land der Berge und Dome wenden wir uns ab, werden
abtrünnig, gehen unseren Geschäften anderswo nach.
Sammeln mehr Flugmeilen als ein Fernfahrer. Der australische
Botschafter stellt in Wien mein Buch vor, der österreichische
Botschafter ruft mich in Sydney an und wir gehen essen. Und
natürlich lädt er mich zum 26. Oktober nach Canberra
ein, to celebrate the National Day. So etwas wäre mir nie
passiert, wäre ich zuhause geblieben. Trotzdem. Halbiert
oder verdoppelt?
Eins steht fest. Immer mehr
Menschen ziehen ihre Wurzeln aus dem Heimatboden, lassen Luftwurzeln nachwachsen, werden zu
Nomaden. Denn anderswo gräbt man sich nicht mehr so fest, das
Reisen wird zu einem Teil des Lebens. Anderswo ist es leichter,
Österreicher zu sein: die Fragen nach Waldheim sind
längst rückgängig, und "The Sound of Music" ist
nicht so verfänglich. Mozartkugeln oder die Wiener
Sängerknaben lösen keine Identitätskrise aus.
Dass die mittlerweile längst wieder vergessene
"Grapsch-Affaire" auch im australischen Sydney Morning
Herald getitelt hat: "Austrians grope for the rude facts", ist
zwar peinlich, aber damit kann man leben.
Was einem zuhause auf den Geist
ging, wird vergessen, ja sogar idealisiert. Dazu tragen auch die
jeweiligen Ausländer bei: Wenn du in einer Stadt wie Wien
gelebt hast, was tust du dann hier? What am I doing here wird zur zentralen Lebensfrage. Die Antwort lässt sich
immer finden, wenn man wieder einmal zurück pendelt; dann
weiß man, was man nicht hat. Dann fliegt man wieder weg und
dort taucht die Frage wieder auf. Und so weiter und so fort.
Wir halben Österreicher sind
demzufolge unglücklicher als die ganzen. Wir gehen fremd,
bewundern aber brave Menschen in intakten Familien. Wissen aber tief in
unseren Herzen, dass wir gar nicht anders leben wollen. Wir
sind auch ehrenamtliche Botschafter unseres Landes. Sozusagen
Fremdenverkehrsreferenten e.h. Wir schleppen unsere ausländischen
Freunde mit nach Österreich, schwärmen von den Bergen
und der reinen Luft, der kernkraftwerksfreien Umwelt, der sozialen
Sicherheit – auch wenn unser eigener Pensionsanspruch in
Österreich gegen Null abgesunken ist. Wir erzählen von
den Wiener Kaffeehäusern, die wir vermissen, vom Know-how am
Allradsektor, wenn wir einen Merzedes G sehen, der eigentlich ein
Puch ist.
Aber wir sind auch Botschafter des
Auslandes, denn natürlich schwärme ich vom Ausland,
schleppe Freunde ins Ausland mit und habe Heimweh nach Australien, speziell
bei diesem eiskalten Herbstwetter, wo doch der Frühling in
die südliche Hemisphäre einzieht. Fahre einen
amerikanischen Geländewagen, weil die G zu teuer sind,
höre Midnight Oil statt Rainhard Fendrich. Und
überhaupt, die lockeren Umgangsformen der australischen
Gesellschaft sind mir sowieso viel lieber als die
österreichische Titelmeierei.
Ein ganzer Ausländer im
Inland, ein ganzer Inländer im Ausland, das macht eigentlich
zwei. Es gibt eben keine halben Österreicher, sondern
höchstens doppelte. Quod erat demonstrandum.
1Halbe Österreicher nannte eine patriotische MAZDA Werbekampagne ihre japanischen Fahrzeuge mit Teilen österreichischer Zulieferer
2Eine Prominenten-Klatsch TV Show des ORF (Österreichischer
Rundfunk)