Ich nehme die Ansichtskarte aus
dem Briefkasten. Ich kann die Schrift jedoch nicht lesen, das
Gekritzel, das ein Name sein soll, so halte ich sie an ihrem Rand
mit meinem Daumen und dem Zeigefinger und ziehe sie langsam ganz
dicht an meiner Nase vorbei.
Was für ein Geruch.
Natürlich kenne ich
sie.
Diesen Duft vergesse ich nicht
mehr. Sie hat sich durch ihren Geruch unauslöschlich in mich
eingebrannt. Darüber hinaus hatte sie nicht nur einen
einzigen Geruch, einen, den sie vielleicht mittels Parfum
aufgetragen hatte, sondern sie war eine Geruchslandschaft.
Ein Geruchskontinent.
Dieser Geruch ist einerseits
dunkel wie jener Raum, dessen Vorhänge wir zugezogen hatten,
während draußen die Fahrzeuge ein durchgehendes Band
ergaben und der Fernseher, dessen Ton wir abgedreht hatten,
farbige Reflexe in den Raum warf.
Auf das Leintuch und unsere
Haut.
Und dieser Geruch ist ein Schwarm
Vögel, die saßen damals zuerst auf dem Dach, irgend
etwas erschreckte sie allerdings und sie flogen auf, manche hatten
auf ihrem Federkleid kleine Zeichnungen, die aus der Ferne, vom
Fenster aus, von wo wir ihnen nachschauten, aussahen, als seien es
Gewürze, Nelken und Vanilleschoten, oder Früchte,
schwarze Kirschen und kleine Beeren.
Dieser Geruch klingt wie das
oberste Stockwerk jenes Baumes in Kalimna, in welchen wir den
jeweils letzten Buchstaben unserer Namen ritzten.
Als wir später den Fluss
entlang gingen, dachte ich für wenige Minuten, Stimmen von
der anderen Seite zu hören. Leise Gespräche über
eine mir unbekannte Stadt, vielleicht einer Sage entnommen, oder
einem Märchen. Ich verstand nur ein paar Wörter, doch
nicht ihren eigentlichen Zusammenhang. Die Luft war anscheinend
wieder jener Duft von dunklen Beeren und die Zeit ein frischer
Aufguß von Kaffee.