Der Migrationspakt

Stephan Wehowsky's picture

Der Migrationspakt

Von Stephan Wehowsky, 10.12.2018

Am 10. und 11. Dezember findet in Marrakesch eine internationale Konferenz zur Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes statt. Die begleitenden Konflikte sind gewaltig.

Der „globale Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration“ soll eigentlich von allen Mitgliedern der Vereinten Nationen unterzeichnet werden. Aber schon 2017 erklärten die USA ihre Ablehnung, da sie in diesem Pakt eine Einschränkung ihrer nationalen Souveränität sehen. Mit ähnlichen Begründungen verweigern sich weitere zehn europäische Länder, und die belgische Regierung ist daran gerade zerbrochen.

Diese Befürchtungen und Einwände gehen aber am UN-Migrationspakt vorbei. Denn er greift nicht stärker als bereits bestehende internationale Menschenrechtsabkommen in die Souveränitätsrechte der Unterzeichnerstaaten ein. Vielmehr geht es darum, der Genfer Flüchtlingskonvention gleichwertige Schutzrechte und Regeln für Migranten an die Seite zu stellen. Dazu gehört als erstes, dass die weltweite Migration als drängendes und lösungsbedürftiges Problem anerkannt wird.

Im Migrationspakt wird ausdrücklich festgehalten, dass ein wesentliches Ziel in der Vermeidung von Migration besteht. So sollen die Lebensbedingungen potentieller Migranten verbessert werden. Zudem sollen sie über die Risiken ihrer Vorhaben aufgeklärt werden.

Der Pakt enthält viele Aufgaben. Dazu gehören unter anderem die „Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel“ und ein „integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement“. Wer behauptet, dieser Pakt ziele auf eine Politik der offenen Grenzen, weiss nicht, wovon er redet.

Aber auch die Befürworter des Paktes irren, wenn sie behaupten, dass er unverbindlich sei und die Nationen zu gar nichts verpflichte. Denn der Pakt ist so verbindlich wie die Menschenrechte, die Genfer Flüchtlingskonvention und andere Verpflichtungen, die in internationalen Verträgen schon längst vereinbart worden sind.

Die Gegner des Migrationspaktes fordern im Grunde für sich ein Recht auf geschlossene Augen. Sie möchten das Thema der Migration von allen Tagesordnungen verbannen, um weiter in der Illusion leben zu können, dass die Migration überall, nur nicht bei ihnen ein Problem ist.

Ähnliche Artikel

Vor dem Hintergrund der innerhalb einer Woche beschlossenen zwei UNO-Abkommen (Migrationspakt und dann Flüchtlingspakt), haben zwei renommierte Forschungsinstitute auf der Basis ihrer globalen Recherchen alarmierende Zahlen vorgelegt.
Laut den Untersuchungen sind unter anderem weltweit 750 Millionen Menschen zum Abmarsch bereit, um sich ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen und nach Nordamerika oder in die reichen Länder der Europäischen Union aufzubrechen. Kurz vor der Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes Anfang letzter Woche in Marrakesch durch über 150 Staaten hat das global operierende "Pew Research Center" die Ergebnisse seiner umfassenden Untersuchung in 27 Ländern auf fünf Kontinenten veröffentlicht.

Demnach gab es im Jahr 2017 weltweit einen neuen Rekord: 258 Millionen Menschen leben inzwischen außerhalb ihres Geburtslandes, verglichen mit 153 Millionen im Jahr 1990. Das ist ein Zuwachs von 105 Millionen. Damit stieg die Zahl der Migranten schneller als die der Weltbevölkerung und ihr Anteil ist von 2,9 Prozent im Jahr 1990 auf 3,4 Prozent in 2017 gestiegen. Ein Ende ist nicht in Sicht, zumindest, wenn die jetzt vorgelegten Zahlen des nicht weniger renommierten Gallup-Meinungsforschungsinstituts auch nur halbwegs stimmen.

Die "Gallup World Poll"-Umfrage, bei der zwischen 2015 und 2017 insgesamt 453.122 Erwachsene in 152 Ländern befragt wurden, ergab, dass 750 Millionen Menschen in ein anderes Land ziehen würden, wenn sie dazu die Chance bekämen. Damit ist der Anteil der Leute, die sich durch Migration einen höheren Lebensstandard erhoffen, von 12 Prozent im Jahr 2010 auf aktuell 15 Prozent der Weltbevölkerung gestiegen.

Regional war in Afrika südlich der Sahara der Wunsch nach Migration am höchsten. Dort wollten durchschnittlich 33 Prozent der Erwachsenen dauerhaft auswandern, gefolgt von Lateinamerika und der Karibik (27 Prozent). Bei europäischen Staaten außerhalb der EU und im Nahen Osten und Nordafrika wollte jeder vierte Erwachsene dauerhaft sein Land verlassen. Laut Gallup gab es auch 13 Länder, in denen mindestens die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung für immer in die gelobten Länder in Nordamerika und Europa ziehen wollten. Mit 71 Prozent der erwachsenen, potentiellen Migranten lag Sierra Leone an erster Stelle der Liste, gefolgt von Liberia (66 Prozent) und Haiti (63 Prozent).

Im Gegensatz zu Gallup untersuchte das "Pew Research Center" nicht das potentielle weltweite Migrationsbegehren, sondern den bereits aktuell existierenden Migrationsanteil in den davon am meisten betroffenen Ländern und die entsprechende Reaktion der lokalen Bevölkerung auf die Zuwanderung. In den untersuchten Ländern gibt ein Durchschnitt von 45 Prozent der Erwachsenen an, dass sie signifikant weniger oder gar keine Einwanderer in ihrem Land haben wollen, während 36 Prozent bereit sind, die reduzierten Einwandererzahlen der letzter Zeit zu akzeptieren. Nur 14 Prozent sagen, dass sie mehr Einwanderer in ihren Ländern wollen.

In den nachfolgenden europäischen Ländern sagen bedeutende Mehrheiten, dass sie überhaupt keine oder bedeutend weniger Zuwanderer oder in ihrem Land haben wollen: in Griechenland (82 Prozent), Ungarn (72 Prozent), Italien (71 Prozent) und Deutschland (58 Prozent). Jedes dieser Länder war während des jüngsten Anstiegs von Asylbewerbern und Migranten in Europa eines der beliebtesten Transit- oder Zielländer. Zugleich wird in vielen Ländern die Europäische Union in Brüssel wegen ihrer pro-Migrationspolitik heftig kritisiert.

Bewohner anderer Länder der Welt haben ähnliche Ansichten wie in Europa. Darunter sind Israel (73 Prozent), Russland (67 Prozent), Südafrika (65 Prozent) und Argentinien (61 Prozent) Länder, in denen besonders große Mehrheiten weniger Einwanderer zulassen wollen. In jedem der befragten Länder will dagegen nur weniger als ein Drittel der Erwachsenen mehr Zuwanderung in ihr Land zulassen.

In den 27 vom Pew Zentrum befragten Ländern leben mehr als die Hälfte der internationalen Migranten der Welt. Zahlenmäßig haben die USA mit 44,5 Millionen Einwanderern im Jahr 2017 die größte im Ausland geborene Bevölkerung der Welt, gefolgt von Saudi-Arabien (12,2 Millionen), Deutschland (12,2 Millionen) und Russland (11,7 Millionen).

Prozentual steht Australien mit 29 Prozent seiner im Ausland geborenen Bevölkerung an der Spitze der 27 von Pew untersuchten Ländern, gefolgt von Israel (24 Prozent), Kanada (22 Prozent) und Schweden (18 Prozent), Deutschland (15 Prozent), die USA (14 Prozent), Großbritannien (13 Prozent) und Spanien (13 Prozent).Vor diesem Hintergrund einer über alle Kontinente verbreiteten, mehrheitlich starken Ablehnung von mehr Migration durch die Bevölkerung der Zielländer, ist die Zustimmung ihrer Regierungen zu den beiden UN-Migrations- und Flüchtlingspakten eine Folge unserer post-demokratischen Demokraturen. Und Deutschland ist ein Musterbeispiel für diese weitverbreitete Deformation der Demokratie zugunsten einer neoliberalen Weltordnung des großen Kapitals. Denn laut der Pew-Recherche lehnen 58 Prozent der erwachsenen Deutschen eine weitere Zuwanderung komplett ab, während 30 Prozent keine Steigerung über den aktuellen Stand hinaus wollen. Nur die kleine aber dafür sehr lautstarke "keine Grenzen, keine Nation" - Minderheit von zehn Prozent fordert unbeschränkte Zuwanderung.

Dabei weiß doch jedes Kind schon aus dem Physik-Unterricht, dass nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren bei Öffnung des Trennventils zwischen den Röhren der Wasserstand in der einen Röhre sinkt und in der anderen steigt, bis der Wasserstand gleich ist. Nach diesem Prinzip verlaufen auch die Migrationsflüsse. Wie bei den kommunizierenden Röhren wird bei offenen Grenzen (bzw. bei offenem Ventil) der Strom der Migranten erst dann aufhören, wenn der aktuelle starke Unterschied im Lebensstandard zwischen Deutschland und zum Beispiel afrikanischen Ländern verschwunden ist, das heißt wenn in beiden "Röhren" derselbe Lebensstandard erreicht wurde.

Was für die große Mehrheit der Deutschen ein Horrorszenario ist, scheint für eine kleine Minderheit als wünschenswertes gesellschaftliches Ziel. Dabei tut sich vor allem die von einer babylonischen Begriffsverwirrung befallene, sich selbst als "links" bezeichnende "no border, no nation"–Fraktion hervor. Für diese zumeist jungen Leute besteht der proletarische Internationalismus aus einem post-industriellen Mutter-Theresa-"Wohlfühlsozialismus".

Diese "Link(Inn)en" leben oft alternativ und verweigern sich nicht selten erfolgreich dem Konsumzwang unserer Gesellschaft. Daraus leiten dann aber viele das moralische Recht für ihre Forderung ab, den Reichtum des wohlhabenden Deutschlands mit möglichst vielen Migranten zu teilen. Meist aus gutem Hause kommend und mit höherer Schulbildung leben diese "Linken" laut eigenem Bekenntnis in einer "post-industriellen" Welt. In der fällt anscheinend das biblische Manna vom Himmel und muss nicht erst hart erarbeitet werden. Leider bestimmt diese Minderheit, die nicht einmal aus der Literatur die prekäre soziale Lage der untersten 50 Prozent in Deutschland kennt, die total überzogene, moralische Debatte um die Migration - vor allem in der Partei Die Linke aber auch in der SPD.

Die von so genannten "Linken" dominierte Migrationsdebatte ignoriert dabei vollkommen die negativen Auswirkungen des Brain Drains, also die Folgen der massenhaften Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte, zum Beispiel im Krankenhauswesen, IT-Bereich und Ingenieurswesen, auf die Entwicklungschancen der heimischen Volkswirtschaften.

Von diesen "linken" Kreisen wird so gut wie gar nicht über das süße Gift der Überweisungen der Migranten an im Heimatland zurückgebliebene Verwandte diskutiert. Diese Überweisungen schaffen in den Heimatländern der Migranten oft eine "Kultur", die nicht selten tödlich für die politische und wirtschaftlich eigenständige Entwicklung der Heimatländer ist.

Nichts ist in diesen "progressiven" Kreisen über die Verwerfungen der sozialen und wirtschaftlichen Strukturen in den Aufnahmeländern der Migranten zu hören.

Der Migrationspakt und die mit ihm erleichterte Einwanderung ist gut für die Konjunktur. Jeder Neuankömmling muß sich eine Wohnung neu einrichten. Die Händler von Möbeln, Betten, Matratzen, Fernsehern, Satantennen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Smartphones werden sich über die steigenden Umsätze freuen. Die Vermieter von Wohnungen können sich über die höhere Nachfrage nach Wohnraum freuen und höheren Mietzins verlangen. Die Unternehmer bekommen neue billige Arbeitskräfte. Die Sprachschulen, die Kindergärten und die Polizei, werden viele neue Stellen ausschreiben.

Was bedeutet eine Unterschrift unter dem UN-Migrationspakt?

Wenn z.B. eine rumänische Oma zu niedrige Rente hat und davon ihre Medizin nicht bezahlen kann, dann packt sie sich ein Rucksack zusammen und fährt mit dem Zug oder per Anhalter in die Schweiz um hier besser zu leben, um sich hier behandeln zu lassen, um hier die vorteilhaften Ansprüche aus dem UN-Migrationspakt lebenslang zu nutzen.

Muß das dann die Schweiz dulden? Muß dann die Schweiz diese rumänische Oma lebenslang alimentieren, umsorgen und pflegen?

Der UN-Migrationspakt wird von auswanderungswilligen Migranten als eine Einladung in wohlhabende europäische Länder verstanden. Findige Rechtsanwälte und einige NGOs werden den UN-Migrationspakt als Argument nutzen, um Ausschaffungen zu verhindern. Der UN-Migrationspakt ist für Regierungen der Unterzeichnerstaaten verpflichtend, für die Gerichte noch nicht.

Lasst uns endlich über Migration debattieren - lest Paul Collier: Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen

Man müsste alle Staaten, die mit Waffenlieferungen und Kriegseinsätzen, mit ihren aussbeuterischen Unternehmen, korrumpierenden Organisationen und "Economic Hitmen" (John Perkins) alle diese Migrationsbewegungen und Flüchtlinge verursachen, die Kosten und Reparationszahlungen dafür eins zu eins in Rechnung stellen. Zahlbar innert 90 Tagen oder Pfändung und Zwangsräumung (des weissen Hauses und Wallstreet etc :-)

Das ist Augenwischerei.
Die Unterzeichnung der "nichtverbindlichen" Menschenrechtsparagraphen der KSZE Schlußakte von Helsinki 1975 durch die Staaten des Ostblockes war deren Sargnagel. Ohne diese hätte es keine Solidarnosc noch die Charta 77, noch eine Bürgerrechtsbewegung in der damaligen DDR gegeben. Das soll nun bei den "nichtverbindlichen" Formulierungen der beiden Verträge anders sein ?
Das sehen viele Staaten ganz, ganz anders... Aus gutem Grunde.

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren