Die Geschäfte im Kanton Zug
Das „Forum Kirche und Wirtschaft“ besteht seit 2009 und will „den Balanceakt zwischen moralischen Ansprüchen und wirtschaftlichem Druck meistern“. Das geschieht, indem sich „Menschen aus verschiedenen Wirkungskreisen zusammentun, um ethische Werte und wirtschaftliche Gesetzmässigkeiten zu analysieren, zu hinterfragen und in neues Licht zu stellen.“
Freiwillige Verbindlichkeit
Das Thema: „Von Alu bis Zink: Die Rohstoffbranche in Zug zwischen Profit und Verantwortung“ lockte am Dienstagsabend im Kloster Kappel am Albis gut 200 Zuhörer an. Das Podium bot ein breites Spektrum von der Politik über die Wirtschaft bis zu Hilfswerken und der Ethik. Allerdings fehlte der wichtigste Rohstoffändler in Zug: Glencore Xstrata. Doch am Ende der Veranstaltung teilte der Fachstellenleiter Christoph Balmer mit, dass ein solches Treffen für den Herbst zugesagt worden sei.
Das Eingangsreferat hielt der Diplomat Georges Martin, der im EDA, dem „Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten“, am „Grundlagenbericht Rohstoffe“, der am 27. März vom Bundesrat genehmigt worden ist, mitgewirkt hat. Die Botschaft: Es gibt unschöne Begleiterscheinungen des Rohstoffgeschäfts, aber man ist daran, mit politischen und diplomatischen Mitteln Regeln zu erarbeiten und durchzusetzen, die Abhilfe schaffen. Dabei sei das Prinzip der Freiwilligkeit besonders wichtig. Wenn Unternehmen sich freiwillig zur Einhaltung von Standards bei der Schonung der Umwelt, der Wahrung der Menschenrechte und der Transparenz ihrer Geschäftstätigkeit verpflichteten, würden sie von dafür eingerichteten NGOs überwacht und notfalls sanktioniert.
Zwischen des Blöcken
Erhellend war eine Bemerkung über die Schweiz: Die Schweiz habe sich während des Kalten Krieges zwischen den Blöcken einen Platz geschaffen, der ihr viele Vorteile bot. In der gewandelten politischen Landschaft stehe sie nun selbst unter schärferer Beobachtung und Beurteilung. Sie müsse daher darauf achten, sich an gehobene ethische Standards anzupassen, also ihre „Standortattraktivität“ nicht auf deren Kosten zu erhalten.
Der Controller, Treuhänder und Präsident der „Zug Commodity Association“ Martin Fasser gab Einblicke in den Geschäftsalltag. Die Gewinnung von Rohstoffen und der Handel mit ihnen sei schon aufgrund der gigantischen Umsätze von hohen Risiken begleitet. Daher versuchten alle Marktteilnehmer, so langfristig wie möglich zu denken und Risiken zu minimieren.
"Fluch der Rohstoffe"
Anders als Martin Fasser, dessen Blick doch sehr auf Zahlentabellen und Risikoschemata beschränkt zu sein schien, sprach der Fachverantwortliche Entwicklungsfinanzierung vom Fastenopfer Luzern, François Mercier, von seinen persönlichen Eindrücken vor Ort im Kongo. Mehrfach pro Jahr reist Mercier dorthin und beschäftigt sich mit Umweltschäden, Kinderarbeit und Hunger.
Die „Demokratische Republik Kongo“, so führte Mercier aus, belege laut UNO-Entwicklungshilfeindex den letzten Platz von 186 Ländern. 7 von 10 Bewohnern lebten unterhalb der Armutsgrenze und hungerten. Obwohl das Land reich an Rohstoffen sei, erlebe es wegen der Korruption in Politik und Verwaltung den „Fluch der Rohstoffe“. An diesem Fluch seien zum Beispiel Briefkastenfirmen beteiligt, die besonders zahlreich im Kanton Zug vertreten seien. Diese Briefkastenfirmen kauften zum Beispiel Konzessionen für den Abbau von Rohstoffen billig von korrupten Partnern vor Ort und verkauften sie mit hohen Gewinnen an Firmen weltweit.
Wirtschaftliche Chancen, moralische Risiken
Eine besonders unrühmliche Rolle spiele Glencore Xstrata. Ihr Umsatz sei für das Jahr 2012 mit 236 Milliarden US Dollar ausgewiesen. Gewinne aus dem Kongo-Geschäft würden ins Ausland transferiert, so dass im Kongo selbst angeblich nur Verluste erwirtschaftet werden, um keine Steuern zahlen zu müssen. Xstrata verschiebe Gewinne in Steuerparadiese wie Bermuda und Virgin Islands. „Trade Mispricing“, also die nachträgliche Manipulation von Rechnungen und Kosten, führe zusätzlich zu Bilanzen, die auf Kosten der Armen gingen.
Dies alles führte François Mercier ruhig und sachlich aus. Er kam zu dem Schluss, dass anders als von Georges Martin vorgeschlagen freiwillige Verpflichtungen bei weitem nicht ausreichten. Am Ende seines Referats sagte der Moderator Daniel Ammann, dass Glencore Xstrata die Vorwürfe, die François Mercier und seine Mitstreiter erhöben, bestreite.
Zum Abschluss kam der Ethiker und Theologe Stefan Grotefeld zu Wort. Er verwies auf die wirtschaftlichen Nutzen der Rohstoffe, aber auch auf die moralische Problematik. Entsprechend gelte es, die ökonomischen Chancen und moralischen Risiken zueinander in Beziehung zu setzen. Rein praktisch geschehe dies dadurch, dass jedes Unternehmen heutzutage Gefahr laufe, seine Reputation zu schädigen.
Druck oder Einsicht?
In der anschliessenden Diskussion wurde noch einmal deutlich, wie schwierig im Detail Urteile sind; dies zeigte sich am Beispiel der Steuern. So machte Martin Fasser darauf aufmerksam, dass das Steuerrecht ganz unterschiedliche Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen vorsehe. In einzelnen Ländern können sie sich über mehrere Jahre erstrecken, in anderen aber kann die komplette Abschreibung auch auf das erste Jahr fallen. Insofern fallen die Steuerzahlungen sehr unterschiedlich aus. Das habe in diesem Fall nichts mit unlauteren Methoden der Unternehmen zu tun.
Erwähnt wurde noch, dass Glencore Xstrata krasse Umweltschäden durch Wasserverschmutzung im Kongo behoben habe, nachdem öffentlicher Druck ausgeübt worden sei. Es war eben Druck – oder war es Einsicht? Aus dem Publikum wurde der Theologe Grotefeld gefragt, wie die Kirche denn die Steuern beurteile, die an sie von zweifelhaften Firmen flössen. Die Kirche könne doch nicht jeden Kirchensteuerzahler ethisch überprüfen, war die unschlagbare Antwort.
Am Ende fand der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel einige treffende Worte: Bei aller berechtigter Empörung werde manchmal übersehen, dass es schon viele gesetzliche Regeln gebe. Es stelle sich aber immer wieder die Frage der Zuständigkeit. Der Kanton Zug könne nicht in Belange des Bundes eingreifen. Und zunächst sollten sich auch die Konsumenten fragen, ob sie nicht in ihrer Suche nach möglichst billigen Produkten moralisch fragwürdige Praktiken begünstigten.
Herr Scholl, erlauben Sie mir ein paar Kommentare: - Die Zuständigen von Glencore wurden zu dieser Podiumsdiskussion mehrmals eingeladen. Sie haben stets abgelehnt teilzunehmen. - Der Nachhaltigkeitsbericht von Glencore erwähnt die realen Probleme überhaupt nicht. - Ich habe in meinem Referat nicht gesagt, dass Gewinnorientierung amoralisch ist. Für uns ist unmoralisch, dass man hunderte Millionen Dollars aus dem Kongo (wo 70% der Leute verhungern) in die Bermuda verschiebt, wo das Konzern überhaupt keine Aktivität hat. Diese Gewinnverschiebung aus armen Ländern ist das Problem.
Diese Veranstaltung war eher ein Tribunal denn ein Forum, weil die Zuständigen (Rohstoffhändler und das Internationale Arbeitsamt) nicht anwesend waren. Es scheint, dass kaum jemand der Teilnehmer den Sustainability Report 2010 der primär angeprangerten Firma Glencore zur Kenntnis genommen hat. Dass die Rohstoffhändler Gewinne erzielen wollen ist doch nicht amoralisch? Ja, die Kirchen erzielen keine Gewinne, sie leben einfach von Zwangsabgaben, unter anderem von Kirchensteuern, die die Rohstoffhändler bezahlen müssen.
Wie soll denn das zusammengehen: ethisch handeln und Gewinn maximieren? 1000 Mal diskutiert, 1000 Mal failliert.
An Herrn Michel, liberaler (?) Regierungsrat. Auch die Nazis versteckten sich schon gern hinter Gesetzen. Nicht wahr, es ist doch ungemein bequem sich hinter einer Rechtsordnung zu verstecken, die den Anschein von Gerechtigkeit und Legitimität vermittelt. Ein Trick, der auch in den Niederungen der helvetischen Alltagspolitik gern angewandt wird, und beileibe nicht nur von der Partei ohne moralischen Kompass. IV amputieren, Sozialwerke zerstören, menschliche Härten schaffen? Alles kein Problem: Erst baut man Sachzwänge durch Gesetze, Regularien und Automatismen und dann hat man eine schöne Entschuldigung, warum einen dies nichts angeht und warum einem als Politiker leider, leider die Hände gebunden sind.
Das Prinzip der Freiwilligkeit sei gefragt, sagt der Mann vom EDA. Als ob die Multis jemals freiwillig auf die Gewinnmaximierung verzichtet hätten. Das zeigt, dass die Schweiz aus der Finanzkrise nichts gelernt hat. Das Prinzip Augen zu und durch wird nach wie vor praktiziert. Die Schweiz wird auch im Rohstoffhandel unter Druck kommen. Ich habe den Eindruck, dass das Land in der Rolle: Wir gegen den Rest der Welt Gefallen gefunden hat. Dabei wäre es vonnöten, dass die Schweiz wieder einmal aus Eigeninitiative ein humanes Anliegen vertritt. Zum Beispiel, dass die Rohstoffmultis zumindest einen Teil der Steuern in den Ländern zahlen, die sie ausbeuten. Aber die Kantone (Zug, Genf, Zürich) honorieren lieber die Expats, die von mannigfaltigen Vergünstigungen profitieren. Da zeigt sich die Schweiz grosszügig, indem sie Manager, CEO's, Oligarchen, den roten Teppich auslegt und diese Herrschaften hofiert. Dass die Menschen in den ausgebeuteten Ländern, wie z. B. im Kongo unter einem korrupten Regime verhungern, nimmt man stillschweigend in Kauf. Die Beamtenschar in Bern macht eine Studie und dann noch eine, und kommt dann zum Schluss: Wir schützen den Standort Schweiz, erhalten die Arbeitsplätze und sind guter Dinge, dass die Rohstofffirmen so wirtschaften, dass Mensch und Umwelt keinen Schaden nehmen. Wohl bekomm's.
Das Teile-und-Herrsche der klassischen Imperien spielen heute die internationalen Konzerne - Demokratie, das war einmal!