Die Tragik gescheiterter Reformen
Zehntausende protestierten in Moskau gegen die Ermordung des russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Viele Teilnehmer am Trauermarsch waren ältere Leute, einfache Pensionäre, die den grössten Teil ihres Lebens in der Sowjetunion verbracht haben. Der Aufmarsch stimmt nachdenklich. Der lebende Nemzow hätte nie so viele Leute auf die Strasse gebracht. In den frühen 90er Jahren aber war Boris Nemzow ein Hoffnungsträger.
Auch für viele westliche Journalisten. Sie reisten in Scharen nach Nischni Nowgorod, wo Präsident Boris Jelzin den jungen Boris Nemzow als Gouverneur eingesetzt hatte. Vom Treffen mit Nemzow in Erinnerung geblieben ist mir nicht mehr, was der gut 30jährige Jungpolitiker zu sagen hatte, sondern sein Auftritt: Tiefe Stimme, langes, lockiges Haar, Designer-Jeans und schicke Lederstiefel.
Thatcher besuchte Nemzow
Nemzow nannte seinen Reformkurs «Thatcherismus». Die von den russischen Radikalreformern bewunderte «Eiserne Lady» besuchte den jungen Politiker in Nischni Nowgorod. In seinem Buch «Ein Mann aus der Provinz» schrieb Nemzow: «So eine Person wie Thatcher braucht Russland.» Die «grösste Ungerechtigkeit der Welt» sei «die Gleichheit».
Die Industriestadt Nischni Nowgorod war ein Experimentierfeld der Jelzin-Reformer. Ein Mitarbeiter der Weltbank, der unter Nemzow Privatisierungsprojekte betreute, erklärte mir damals: «Wenn es die Polen können, warum sollen es die Russen nicht auch schaffen?» Die Ausgangslage in Polen und Russland war aber verschieden. Den Unterschied erklärte der polnische Publizist und ehemalige Dissident Adam Michnik: «Den Kommunismus überwindet man nicht, in dem man bolschewistische Methoden im eigenen Lager anwendet und den einstigen politischen Feind zur Unperson erklärt.»
Bolschewistische Methoden
Michnik warf den russischen Reformern vor, sie hätten den Kommunismus mit bolschewistischen Methoden überwinden wollen. Im Gegensatz zu Polen kam es in Russland zu keinem «Runden Tisch». Eine radikale Privatisierung wurde im Schnellzugtempo durchgesetzt. Das Ziel der Reformer war, eine Rückkehr der Kommunisten an die Macht zu verhindern.
1997 ernannte Jelzin Nemzow zum Vizepremierminister. Alle verstanden: Der junge Boris sollte Nachfolger des kranken und unpopulären Boris Jelzin werden. In Washington war man über das «Economic Dream-Team» entzückt, das nun mit Nemzow und dem gleichzeitig zum Vizepremier ernannten Anatoly Tschubais den Reformkurs in Russland bestimmen sollte.
Jelzin war ein «guter Zar»
Nemzow seinerseits lobte Jelzin, er sei ein «wahrhaftiger, guter russischer Zar». Der «gute Zar» war aber damals das Spielzeug einer Handvoll von Oligarchen, die das Jelzin-Regime finanzierten, weil es ihnen erlaubte, sich nicht nur die Filetstücke der russischen Wirtschaft für einen Pappenstiel unter die Nägel zu reissen sondern auch die politische Macht zu privatisieren. Nemzow selber hatte enge Beziehungen zum führenden Oligarchen Wladimir Potanin, auf dessen Datscha er sich vergnügte, sowie zu Michail Chodorkowski, der später Nemzows liberale Partei der Rechten Kräfte finanzierte.
Jelzins Radikalreformer hatten die Vorstellung, mit Preisliberalisierung und Privatsierung allein werde sich der Markt selber seinen Rahmen schaffen. Die erhofften Rahmenbedingungen entstanden aber nicht von selber. Stattdessen entwickelte sich ein wilder Kasino-Kapitalismus. Die grossen Monopolunternehmen blieben bestehen. Es gab keinen Schutz für das Eigentum, dafür aber ein blühendes Schutzgeldgeschäft.
Wie das «Dream-Team» kapitulierte
Russland schlitterte immer mehr in eine Wirtschafts- und Finanzkrise. Während Monaten konnten keine Renten und Löhne mehr bezahlt werden. Millionen verloren ihre Arbeit. Die von Jelzins Demokraten verantwortete «Schocktherapie» brachte auch die Demokratie in Verruf. Als im August 1998 Russland seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, musste auch das «Dream-Team» Nemzow-Tschubais kapitulieren.
Für Nemzow, der noch vor einem Jahr als Nachfolger Jelzins gehandelt worden war, bedeutete 1998 auch das Ende seiner Karriere im Staatsdienst. Die Strippenzieher im Kreml, die auch andere Nachfolger getestet hatten, setzten jetzt auf Wladimir Putin.
Nemzow hoffte auf Putin
Nemzow und andere liberale Politiker waren damals überzeugt, Putin sei einer von ihnen und könne leicht kontrolliert werden. In einem Beitrag für die New York Times im Frühjahr 2000 schrieb Nemzow: «Einige Kritiker haben Putins Verhältnis zur Demokratie in Frage gestellt. Keine Frage, Putin ist kein liberaler Demokrat. Unter seiner Führung wird Russland nicht zu einem Frankreich werden. Seine Regierung wird hingegen dem Willen des Volkes entsprechen: Ein starker Staat mit einer funktionierenden Wirtschaft, die nicht mehr von Oligarchen kontrolliert wird. (...) Russland könnte schlechter fahren als mit einem Präsidenten, der das nationale Interesse des Landes unerschütterlich verteidigen wird.»
Tatsächlich befolgte Putin eine liberale Wirtschaftspolitik ganz im Sinne von Jelzins Reformern (tiefe Steuern, Konzentration des Reichtums, ausgeglichenes Budget). Putin zu kritisieren begann Nemzow erst später, als er verstanden hatte, dass Putin keinen Platz für ihn, den Politiker der 90er Jahre, hatte. (Peter Reddeway: The Tragedy of Russia`s Reforms, 2001)
Nemzow kritisierte mit Recht Putins autoritäres Regime und mafiosen Staat. Für die Politik der 90er Jahre, welche einen Grossteil der russischen Bevölkerung in Armut stürzte, zu einer ungerechten Reichtumsverteilung führte und damit die Grundlagen des Putin-Regimes gelegt hatte, fühlte sich der gleiche Nemzow aber nie mitverantwortlich. Über die 90er Jahre meinte der Putin-Kritiker: «Ja, das waren schwere Jahre, aber sehr romantische. Die Menschen waren arm, aber mit heissen Augen und dem Glauben, dass es besser wird. Dass man etwas erreichen kann.» (Interview mit der Internetzeitung nischni-nowgorod.ru)
Fehlender Kontakt mit der Bevölkerung
Selbstkritische Töne waren bei der Beisetzung von Nemzow von seinen ehemaligen Mitstreitern zu hören. Zum Beispiel von Irina Chakamada: «Das Problem der demokratischen Opposition besteht darin, dass wir uns gegenseitig beschimpfen. Und weil uns die Kultur der Kommunikation fehlt, finden wir auch keine Sprache, um mit dem Volk zu kommunizieren.» Ähnliches sagte auch Alexander Schochin: «In den 90er Jahren gelang es uns nicht, mit der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen. Was uns damals nicht gelungen war, verlangen wir heute von Putin.»
Das sieht auch die russische Bevölkerung. Die demokratische Opposition ist zersplittert, nur wenige kennen ihre Anführer. Ganze 15 Prozent würden sie heute wählen. Daraus zu schliessen, Russland habe langfristig keine Alternative zum Status quo, wäre falsch. Denn die Marginalisierung der demokratischen Kräfte ist auch das Ergebnis von bewusster Ausschliessung aus den staatlich kontrollierten Medien, Verfolgung, Einschüchterung, Gewalt und – wie jetzt – von Mord.
Vom Oppositionellen, der am Schluss ein ausschweifendes Leben führte, ging keinerlei Gefahr für die bestehende Regierung aus. Vielmehr könnte er für andere (die ihn stützten) zur Last geworden sein. Der theatralisch inszenierte, provokative Mord deutet auf Verunglimpflichung hin ....
Eine oder auch zwei ukrainische SU 25 haben zuerst aus einigen Kilometer Entfernung eine Luft-Luft-Rakete vom Typ R 60M von hinten auf die Boeing abgefeuert und den rechten Motor getroffen ebenso, wie Schrapnelle dieser Angriffswaffe im unteren mittleren Rumpf eingeschlagen sind. Die Piloten der MH 17 wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, was ihrem Flugzeug passiert ist. Sie konnten es nicht wissen, denn der Schaden und seine Ursache lagen außerhalb ihres Sichtbereichs. Die Boeing hat dann die Geschwindigkeit drastisch reduziert, wie es die Physik verlangt, wenn ein Motor ausgefallen ist.
Die MH 17 bekommt den Fangschuss
Wenige Sekunden später begann dann der direkte Beschuss von rechts hinten, der den Flügel streifte, die vordere Sektion – und hier vor allem das Cockpit – traf und die Piloten sofort tötete. Wie jetzt durch die Untersuchung der Wrackteile belegt ist, fand dieser Beschuss statt mit der zweiläufigen 30-mm-Kanone einer SU 25, Typ GSch-302 /AO-17A, aus einer Entfernung von etwa 500 Metern. Obwohl die Piloten bereits tot waren, ist die B 777 nicht sofort abgestürzt, sondern mit niedriger Geschwindigkeit steuerlos in einer Sinkflugkurve weitergeflogen. Daraufhin erfolgte ein zweiter Anflug der SU 25 und Beschuss der vorderen Sektion von der anderen Seite.
Dieser zweite direkte Angriff führte zum Auseinanderbrechen der Struktur. Das Cockpit und Teile der vorderen Sektion fielen der Schwerkraft folgend nahezu senkrecht zu Boden, während der mittlere und hintere Teil mit dem Flügel erst in etwa 25 Kilometer Entfernung auf dem Boden aufschlug. Um die volle Grausamkeit dieses Massenmordes zu illustrieren stelle ich hier fest, dass die Mehrzahl der Passagiere mit höchster Wahrscheinlichkeit den gesamten Vorgang bei vollem Bewusstsein miterleben mussten. Seit einigen Monaten liegt der Augenzeugenbericht eines Bodenmitarbeiters der ukrainischen Luftwaffe vor, der den Piloten der SU 25 nach der Landung als völlig verstört beschreibt. Er hat gestammelt, dass „es das falsche Flugzeug war“. Traurig.
Boris Jelzin und der eifrige Reformer Nemzow haben im wesentlichen Kriminellen wie zum Beispiel dem Herrn Chordokowski zu gewaltigem Reichtum verholfen. Bei den Zockern in der Londoner City und an der Wall Street waren sie sehr beliebt. Für die russische Bevölkerung, die wegen dieses Reformeifers Kartoffelbeete auf dem Balkon anlegen musste um zu überleben, waren Jelzin und Nemzow eine einzige Katastrophe.
Der britische Russland-Forscher und Politologe Richard Sakwa ist der Auffassung, dass die Schuld an der Eskalation in der Ukraine in Washington und Brüssel zu suchen sei. Putin habe kein Interesse an einem Krieg - das sei das letzte, was er braucht. Sakwa fordert vom Westen Druck auf die Regierung in Kiew, weil die Ukraine als föderaler Staat auch die Interessen der Bevölkerung des Donbass vertreten müsse.
Die NATO streut Informationen über das bedrohliche Treiben der Russen, die Mainstream-Medien greifen das begierig auf und verbreiten in Europa Angst. Gleichzeitig rüstet das Militärbündnis auf und läutet einen neuen Kalten Krieg ein.
Unsere Regierungen segnen das sogar ab und verlassen sich auf die gesteuerten Informationen: Ja zum Strategiewechsel der NATO, Ja zu mehr Waffen. Nach dem Motto: »Wenn es stimmt, ist es notwendig.«
Eben: Wenn es stimmt. Können wir das aber nachprüfen? Nein.
Herr Franz Scheinwiller (falls es sein echter Name ist)
ist sich ganz sicher, Putin eliminiert seine Gegner
kaltblütig. Kann er das beweisen? Ist er ein Ukrainer
oder nur ein US-Troll?
Wer dem Fernseher nicht blind vertraut,
die Sachen hinterfragt und selbständig
denkt, der wird zur Zeit als Verschwörung-
Theoretiker oder als Putin-Troll bezeichnet.
Menschen im öffentlichen Leben, Beamte
haben leider oft 2 Meinungen, die öffentliche
und die private. Sollen diese hier ihre ganze
Adresse aufschreiben, um danach einen
Kartiereknick zu erleiden? Es ist doch prima,
wenn man wenigstens hier die private Menung
schreiben darf, ohne irgendwelche Folgen
befürchten zu müssen.
Es ist schon erstaunlich, wie Putin-Trolle wie sie, Herr Gast (den Mut, den Namen zu sagen, haben sie nicht) alles konsequent wegstecken, was ihrem schrummen Weldbild widerspricht. Gehören sie auch zu den bezahlten Trollen? Dass Putin seine Gegner kaltblütig eliminiert, dafür gibt es Dutzende Beispiele. Lassen sie uns in Ruhe mit ihren Verschwörungstheorien. .
Wir warten gespannt auf ihre Aufzählung von den dutzenden Beispielen..mit Belegen bitte,Herr Peter Scheiwiller
Nemzow ist eine tragische Figur in dem
Kampf der Weltmächte. Seine attraktive
Freundin eine ukrainische Nationalistin
hat ihn dazu gebracht sich für für die
Ukraine und gegen seine Heimat Russland
zu engagieren. Am Ende hat er dafür mit
seinem Leben bezahlt. Ein wenig beachteter
Oppositioneller ist für die Propaganda gegen
Putin als ein toter Märtyrer viel nützlicher.
Wenn so etwas passiert, dann sollte man
keine Beschuldingungen aus der Presse
glauben und sich lieber fragen, wem hat
der Mord am Boris Nemzow genutzt und
wem hat er geschadet? In der Geschichte
gab es schon zu viele Anschläge unter
falscher Fahne. Putin kann seine Gegner
viel unauffälliger verschwinden lassen als
sie auf dem Roten Platz vor seinem Amtssitz
von hinten erschießen zu lassen. Er kann
die Justiz dazu mißbrauchen. Bei einer
Krankheit (wie Krebs von Hugo Tschabes)
würde niemand einen kausalen Zusammenhang
mit der Politik suchen.
@Gast - 06.03.2015 19:54
Ja, das Erschiessen wäre einfacher. Aber eine anonyme Unterstellung in einem liberalen Blog zu platzieren ist noch extrem viel einfacher, um nicht zu sagen schändlich.
Leider werden wir wahrscheinlich nie zuverlässig wissen wer am Mord schuld ist.
Die von Russland unterstützten Aufständischen
besiegen kann die Ukraine nicht. Einen oppositionellen
Politiker auf dem Roten Platz von hinten zu erschießen
und den Putin zu beschuldigen ist dagegen viel einfacher.
Wenn es russische Nationalisten waren, dann sollte man
froh sein, dass Putin an der Macht ist und nicht aggressive
russische Nationalisten.