Fake News und Eventkultur
Gut, über den Versuch, in der Halbzeitpause mit einer Show der Schlagersängerin Helene Fischer den Super Bowl des American Football zu kopieren, kann man streiten. Die überwiegende Mehrheit der 75‘000 im Stadion jedenfalls hatte offenbar keinen Bock auf Eventkultur, „Atemlos“ oder „Herzbeben“ und pfiff die Sängerin gnadenlos aus, lauter sogar als allgemein sogar die verhassteste gegnerische Mannschaft.
Zum einen ist Helene Fischer nicht Lady Gaga, die beim letzten Super Bowl zwischen den New England Patriots und den Atlanta Falcons die Stimmung anheizte. Zum andern ist der deutsche Fussballnarr ein Traditionalist. Fredi Bobic, der Sportdirektor der Frankfurter Entracht, brachte diese Haltung zum Ausdruck: „Das hat beim Pokalfinale nichts zu suchen. Wir spielen Fussball, und die wahren Fans des Fussballs haben in der Halbzeitpause keine Lust“ auf so etwas. Das hätte der Veranstalter, der DFB (Deutscher Fußball-Bund), spätestens nach dem Auftritt der amerikanischen Sängerin Anastacias zum Saisonfinale der Bundesliga zwischen dem FC Bayern und dem FC Freiburg in der Münchener Allianz-Arena durchaus wissen können. Dort hatte der Auftritt des US-Stars in der Halbzeitpause für erhebliche Verzögerungen beim Wiederanpfif und für viel Kriritk bei Fans und in den Medien gesorgt.
Eher für Säufer denn für Sportler
Jetzt, beim letzten Spiel vor der Sommerpause, hatten die Fans schon zuvor, bei der Präsentation des eher für Säufer denn für Sportler geeigeneten Pokals durch die einstige Eiskunstläuferin Katerina Witt, gepfiffen. Und zu Beginn hatten sich die beiden Anhängerscharen im Berliner Olympiastadion einen wahren Sängerwettstreit geliefert. „Scheiss DFB“ (Deutscher Fussball-Bund) sangen die Eintracht-Anhänger, „scheiss DFB“ antworteten die Borussia-Fans. Die Entfremdung zwischen den Fussball-Funktionären und zumindest einer nicht unerheblichen Zahl von Fans scheint sehr gross zu sein. Doch die Herren, die bei grossen Fußballspielen stets so unangenehm als überflüssige Wichtigtuer auffallen, scheinen’s nicht zu raffen.
Den Gipfel des Versagens aber lieferten ARD und Sky, die sich sonst so gerne über Donald Trump, Fake News oder alternative Fakten aufregen. Sie lieferten ihren Zuschauern genau das: Fake News bzw. alternative Fakten. Der Zuschauer vor der Glotze bekam von dem gellenden Pfeifkonzert nichts mit. Die TV-Regisseure drehten den Lärmpegel deutlich herab und Helene Fischers Mikrophon rauf. Die Entscheidung der Herren in der Regie bestätigte noch einmal nachdrücklich die vielfach mit billig produzierten, schwachsinnigen Quizsendungen und Talkshows, deren Niveau nur selten wenigstens die Kante des Stammtisches erreicht, gezeigte Arroganz der TV-Macher gegenüber dem offenbar für unmündig und blöd gesehenen Publikum.
Die Amerikanisierung macht in der Gesellschaft vor nichts halt. Es geht nur noch um eine möglichst große Show, wobei das Sportevent marginalisiert wird. Geld, Geld und nochmals Geld, um nichts anderes geht es mehr. Dies hat sich auch ganz aktuell mit der Entlassung von Dortmunds Trainer Tuchel bestätigt. Er kritisierte die Vereinsverantwortlichen sowie die UEFA wegen der Spielneuansetzung (Championsleague BVB-Monaco) schon am nächsten Tag nach dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus, gerade so, als wäre nichts geschehen. Tuchel hat sportlich alle Ziele erreicht und wird trotzdem gefeuert. Er war eben politisch nicht korrekt.
Wieso muss man immer alles den Amis nachmachen???????
Ein treffender Artikel über eine Eventkultur, die durch Verbandsobere und elektronische Medien ständig inszeniert und immer weiter ausgebaut werden. Der Clou war ja dann, dass Helene Fischer nach dem Match noch in einem Fernsehstudio sass und gute Miene zum bösen Spiel machen musste. Da Helene Fischer auch zukünftig sich Show - Auftritte im Fernsehen nicht entgehen lassen will, lächelte sie, als sei nichts geschehen. Aber wenn das Beispiel Schule macht, also die 15-minütige Pause aufgrund eines Sängers oder Feuerschluckers zu verlängern, wird der echte Fan irgendwann so müde und mürbe sein, dass er auch diese Kröte schlucken wird. Ich bin vor 10 Jahren noch der Meinung gewesen, dass die Übersättigung an Fussballübertragungen früher oder später kommen würde. Heute bin ich mir diesbezüglich nicht mehr sicher. Offenbar will der fussballinfizierte Fernsehkonsument jeden Tag ein Spiel sehen. Und er kann sich freuen: Es kommen noch viel mehr Spiele auf ihn zu. Wohl bekomm's.
Voll und ganz der gleichen Meinung. Ausserdem kosten solche Einlagen viel Geld, welches man ebenso gut für humanitäre Zwecke einsetzen könnte. Damit wären sicher alle Anhänger des Fussballs einverstanden.