Grosse Architektur für kleine Wunderwerke
Die traditionsreiche Uhren- und Schmuckmesse in Basel erlebt in diesen Tagen einen glanzvollen Höhepunkt und die nicht weniger traditionsreiche Messestadt Basel den Beginn einer neuen Epoche, deren globale Dimensionen unübersehbar zum Ausdruck kommen.
Glanz und Gloria
Baselworld steht im Zeichen der Zeit und der Zeitmessung. Die weltumspannende und praktisch lückenlos auf Wachstum ausgerichtete Uhren- und Schmuckbranche zeigt in der Rheinstadt die neuesten Kreationen. Und alles, was in der Branche weltweit Rang und Namen hat, reiste nach Basel. Erwartungsgemäss etwa 100’000 Personen (trotz eines Eintrittspreises von 60 Franken). Das Ausstellungsgut hat einen Milliardenwert. Und die Aussteller werden am Schlusstag, am nächsten Donnerstag, dem 2. Mai, zufrieden und mit Riesenaufträgen ihre Stände schliessen.
Im letzten Jahr hat allein die Schweizer Uhrenindustrie für über 20 Mrd. Franken Uhren und Uhrwerke verkauft. Und überall werden Rekordzahlen gemeldet. Longines und Tissot, zur Swatch-Gruppe gehörend, haben letztes Jahr die erste Umsatzmilliarde erreicht und stehen mit Omega an der Spitze der Prestigemarken des Hayek-Imperiums. Das sind nur zwei Beispiele einer rasanten, in ihrer Art wohl einzigartigen Entwicklung. Die Erfolge lassen sich vor allem im Luxussegment erzielen. Und so steht auch die Baselworld ganz im Zeichen des Luxus. Glanz und Gloria prägen die Schau. Das Edle, Vornehme und Exklusive verblüfft auf Schritt und Tritt und lässt auch eine gewisse nicht zu vernachlässigende und nicht ungefährliche Arroganz verspüren. Die Besucherinnen und Besucher jedenfalls wurden gleich beim Betreten der Hallen vom Staunen und Bewundern geradezu überwältigt.
4300 exotische Fische sorgen für Stau

Bild: André Pfenninger
Im neuen Komplex konnten die Aussteller ihre Stände neu gestalten und grösser denn je ihre Pracht entfalten. Die Stände haben oft ihre Ausstellungsfläche verdoppelt. Sie sind auch in die Höhe gewachsen. Nicht selten sind sie zwei-, drei- ja sogar vierstöckig bis zur Hallendecke gewachsen. Zu den Attraktivsten zählt wohl der Stand des schweizerischen Sportuhren-Herstellers Breitling. In die Standfassade eingebaut ist ein Riesenaquarium mit 17’000 Litern Meerwasser Inhalt. Und in dem sich 4300 kleine exotische Fische bewegen und für Staus vor dem Standeingang sorgen. Eine Riesenherausforderung, die sich nur mit höchster Uhrmacher-Präzisionsarbeit und einer nahtlosen Sorgfalt bewältigen liess. Und mit Unterstützung eines berühmten Spezialisten, Professor Jean Jaubert, Direktor des Musée océanographique von Monaco.
Die besten Designer und Architekten wurden aufgeboten. Die französische Luxusmarke Hermes beispielsweise hat den Stararchitekten Toyo Ito aus Tokio beauftragt. Der Stand besticht durch seine eigenartige, originelle und elegante Fassade.

Bild: André Pfenninger
TAG Heuer hat in seinem Stand nicht weniger als 40 kleine Empfangssalons integriert. In 50 Lastwagen wurde das Material nach Basel gebracht und 100 Personen waren während sieben Wochen mit dem Aufbau beschäftigt. Das Ganze ist ein Werk des italienischen Architekten Ottavio Di Blasi. Die Liste dieser spektakulären Messestände liess sich noch mit Leichtigkeit verlängern. Über den Preis dieser Installationen herrscht Stillschweigen. In Ausstellerkreisen wird betont, dass beispielsweise eine Firma bis zu 5 Mio. Franken aufgewendet haben soll. Der Gesamtkosten für die Stände werden auf nahezu 400 Mio. Franken geschätzt. Noblesse oblige. Trotzdem stellt sich doch die Frage, ob in manchen Fällen nicht etwas mehr Bescheidenheit mehr gewesen wäre…
Meisterwerk der Architektur

Herzog und de Meuron haben ein architektonisches Meisterwerk geschaffen, das für die kleinen Wunderwerke der Uhren- und Schmuckbranche wie auf Mass zugeschnitten wurde. Doch der neue Komplex wird schon in zwei Monaten die Art Basel beherbergen und eine andere Form von Luxus aufnehmen. Die Bauherrin, die Messe Schweiz (kurz Mch), hat für den viel bewunderten und in Basel auch viel diskutierten und kritisierten Neubau über 400 Mio. Franken aufgewendet. Die Nachfolgerin der vor fast 100 Jahren gegründeten Genossenschaft Schweizer Mustermesse hat jedoch die Messestadt Basel definitiv international positioniert. Die Mustermesse Basel (Muba) war schon früh mit der Uhrenindustrie eng verbunden.
Die Messe, mitten im ersten Weltkrieg entstanden, war damals ausschliesslich einheimischen Fabrikanten reserviert und die Uhr hatte somit hier als typisches Schweizer Produkt ihren Platz. Der Uhrenbereich hatte sich ziemlich rasch innerhalb der Muba als eigenständig profiliert: Schon 1931 präsentierte und organisierte sich die Sparte als selbständige „Schweizer Uhrenmesse“, blieb aber Bestandteil der Muba, ja sie wurde ihr prestigeträchtiges Aushängeschild. Doch die internationale wirtschaftliche Verflechtung wurde immer grösser und die industrielle Entwicklung liess sich kaum mehr in Grenzen festhalten. Die Märkte wurden weltweit neuen Einflüssen und Entwicklungen ausgesetzt. Das Messewesen blieb nicht verschont.
Der grosse Wandel
Eine Neuausrichtung und Neustrukturierung drängte sich nach und nach auf. Der Schweizer Uhrenmesse stellte sich zudem schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg die Frage einer Öffnung. Ausländische Konkurrenten fanden rund um die Messe in Hotels Nischenplätze. So entstand nach heissen Diskussionen die Europäische Uhren- und Schmuckmesse. Hongkong und Japan standen aber vor der Türe. Der Schritt zur Weltmesse war nicht mehr fern. Die Messe nannte sich Basel 92 (immer mit der Jahrgangsbezeichnung). Die Schweizer Uhrenindustrie fand wieder das in den Krisenjahren verlorengegangene Selbstbewusstsein zurück und musste sich vor der ausländischen Konkurrenz nicht mehr fürchten. „Die Schweizer Uhrenindustrie ist viel zu stark, um von uns verdrängt zu werden“, erklärte mir vor Jahren Morio Hayami, der damalige Präsident des japanischen Uhrenfabrikanten Citizen Watch, auch heute noch an der Baselworld prominent dabei.
Die Messe wurde im Laufe der Jahre und Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut. Es entstand der moderne Rundhofbau, ein Kongresszentrum, moderne Hallen, ein Parkhaus, das Messehochhaus mit Hotel usw. Die Messedirektoren waren immer Visionäre. Frédéric Walthard war kaum im Amt, stellte er die Weichen für eine „Studienkommission Gesamtkonzeption“. Der heute 92-Jährige besuchte dieser Tage voller Bewunderung den neuen Messekomplex. Mut und Zuversicht, Weltoffenheit waren stets wegweisend und führten zum Erfolg.
Messe mit Hochs und Tiefs
Die Uhrenmesse selber kannte ihre Hochs und Tiefs. Die mit Aufwand nach Basel gekommene französische Luxusmarke Cartier kehrte der Rheinstadt bald den Rücken. Unter ihrer Regie wurde im Palexpo in Genf der Salon International de la Haute-Horlogerie gegründet, kurz SIHH genannt, der heute mit der Richemont-Gruppe etwa von zwölf Marken belegt wird. Der Genfer Alleingang hat die grossen Marken der Schweiz gleichgültig gelassen. Sie blieben alle Basel treu. Nur die grösste Schweizer Uhrengruppe entschloss sich 1986 zu einem unerwarteten Alleingang. Kaum war die Europäische Uhren- und Schmuckmesse Tatsache geworden, verliess die damalige SMH-Gruppe, heute Swatch-Group (hervorgegangen aus den Pleite gewordenen zwei Gesellschaften ASUAG und ssIH) mit ihren Spitzenmarken die Messe. Rado hatte soeben einen neuen Stand für eine Million Franken in Betrieb genommen. Das war ein Schock.
Kurzfristiger Alleingang
Der sonst weitsichtige Hausherr Nicolas Hayek verteidigte damals den schwer verständlichen Entscheid. Es gebe „neue Kommunikationswege“ argumentierte er damals dem Schreibenden gegenüber. Der Messe selber hatte ihr Wegbleiben aber nicht geschadet. Vermutlich hat man den Fehltritt rasch selber eingesehen. Nur wenige Jahre später war man jedenfalls wieder zurück. Und an der Baselworld nimmt die Swatch-Gruppe mit einem Dutzend prominenter Marken (Omega, Bréguet, Blancpain, Longines, Tissot, Rado, um nur diese zu nennen) ein, imposant gruppiert um eine Piazza, im Mittelpunkt der Halle 1, einen zentralen Platz. Und markiert so ihre Stellung als weltgrösster Uhrenhersteller. Im Gegensatz zu den grossen Konkurrenten haben sich die Auftritte der einzelnen Marken allerdings nur wenig verändert. Die neuen Platzverhältnisse haben immerhin eine räumliche Ausweitung ermöglicht. So ist die im allgemeinen auf Fortschritt programmierte Gruppe eher am konservativen und wohl auch traditionellen, kostenbewussten Denken haften geblieben.
Erstmals durfte die Swatch mit
Erstmals an einer Uhrenmesse durfte die Marke Swatch mitkommen. Obwohl sie als Retterin der Uhrenindustrie angesehen wird und für eine neue Zeit steht und der früheren SMH-Gruppe auch den Namen geben durfte, wurde sie fast als eine Art Adoptivtochter nie zum grossen Fest mitgenommen. Sie passe eigentlich nicht in das traditionelle Konzept, gehe eigene Marketingwege usw., hiess es jeweils. Nun ist sie da. Sie ist auch inzwischen 30-jährig geworden. Sie hat in der Baselworld auch einen eigenen Platz zugewiesen bekommen. Zwar ist es eine ganze Halle aber noch separat, abseits der eigenen Familie und am Rande der grandiosen Uhrenschau. Ihr Auftritt widerspiegelt jedoch die ganze Lebensfreude, ein buntes Zeitverständnis, kurz die farben- und formenreiche Swatch-Philosophie. Im Rahmen der Messe wurde auch eine Swatch-Neuheit angekündigt. Ein vereinfachtes, mechanisches Werk, das ohne Batterie als moderner Zeitmesser auf den Markt kommt. Zwar gibt es bei Swatch längstens eine automatische, batterielose mechanische Uhr.