Journalistischer Mehrwert
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16. Februar 2021

Im Land des Lächelns

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Im Land des Lächelns

Von Alex Bänninger, 06.01.2016

TVO, das Ostschweizer Fernsehen, ist ein lächelnder, lockerer und mit offensichtlicher Lust betriebener Sender. Das berührt sympathisch. Ob es auch gewinnend ist?

Eine Behauptung in der Selbstdarstellung von TVO macht stutzig: "Gut informiert zu sein, braucht nicht viel Zeit". Diese Zauberformel für die Bewältigung der Informationsflut bezieht sich auf den zehnminütigen Block "Kompakt", der die etwas ausführlicheren "News" zu Beginn der tagesaktuell produzierten "60 Minuten" zusammenfasst. Die aufgewendete Kraft reicht nicht, um in der Kürze die informatorische Tiefe zu schaffen. In rascher Abfolge reiht sich Neuigkeitshäppchen an Neuigkeitshäppchen. Der zitierte Anspruch bleibt ein Widerspruch. Das oftmals blosse Antippen eines Themas und die journalistische Unverbindlichkeit sind der Preis für das Bemühen um tempofreudige Lockerheit.

Zügig und bündig

Die "News" vom Mittwoch, 5. Januar, galten einem unaufgeklärten Brandfall, der angespannten Finanzlage des Kantons St. Gallen, der Unterbringung von Flüchtlingen in Amden und einigen Meldungen aus der Rubrik "Unglücksfälle und Verbrechen". Auf eine nachmittägliche Aktualität wurde der Kurzfristigkeit angemessen mit einem Wortbeitrag rasch reagiert.

In loser Folge nehmen wir einige private Fernsehstationen in der Schweiz unter die Lupe. Uns interessiert vor allem die journalistische Qualität der Programme und die Frage, wie sich die regional ausgerichteten Anbieter im Vergleich mit ähnlichen SRG-Sendungen behaupten.

Aus der Fülle dessen, was im Einzugsgebiet mit dem Kanton St. Gallen, den beiden Appenzell und Teilen des Kantons Thurgau geschah, wurde in Berücksichtigung der Zeitbegrenzung eine vertretbare Auswahl getroffen. Der Nachrichtenteil lief zügig ab, situierte die einzelnen Themen bündig, brachte ausgewogen Stimmen und Gegenstimmen und setzte präzise Schlusspunkte. Eine klare Struktur zeichnet TVO aus. Dennoch gelang es dem Moderator, immer wieder kleine Verwirrung zu stiften, weil die Unsicherheit bestand, ob er den nächsten oder vielleicht doch - zur künstlichen Steigerung der Spannung - den übernächsten Beitrag ankündigte.

Unergiebige Gespräche

Den Tagesschwerpunkt bildeten die den Kanton St. Gallen plagenden Finanzsorgen. Auf sie wurde nach den "News" in einem längeren Interview mit dem Chef des Finanzdepartementes eingegangen. Er verstand es leider nicht, die Probleme nachvollziehbar zu erklären, und erlag der für Politiker stets nahen Versuchung, Unangenehmes in Erfreuliches umzubügeln. 

Der Moderator war zwar bestens vorbereitet, verzichtete aber darauf, bei seinem Gast im Interesse der auf dem Trockenen sitzenden Zuschauer nachzufragen: Höflichkeit vor Ergiebigkeit. 

Am von uns ausgewählten Tag jedenfalls waren die Gespräche keine Stärke von TVO. Die Unterhaltung mit zwei Musikern drehte sich von einer Belanglosigkeit zur nächsten im Kreis und fühlte sich mehr der gastfreundlichen Plauderei verpflichtet als der journalistischen Unbequemlichkeit, die zum Erkenntnisgewinn bei den Aussenstehenden führt.

Mehr Salz und Pfeffer

Das im Verlaufe der Sendung mehrfach angekündigte "Sofa-Yoga" hielt nicht, was die amüsante Idee versprach, nämlich das Publikum zu Hause zur meditativen Übung anzuregen. Der instruierende Eifer der Yoga-Lehrerin im Studio endete aus Hast in der Vergeblichkeit, auch deshalb, weil die fummelnden Kamerabewegungen störten.

TVO möchten wir raten, das Lächelnde, Lockere und Lustvolle samt der Professionalität der "News" zu bewahren. In diesem Rahmen sollte es ein Leichtes und erlaubt sein, für die Interviews mutig bis kühn Salz und Pfeffer zu verwenden. 

SRF Archiv

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