Keine Demokratie ohne Rechtssaat
Alles was Recht ist, um mit seinen Worten zu sprechen, aber da greift der ehemalige NZZ-Bundesgerichtskorrespondent – wie leider allzu oft in seinen sonntäglichen Kolumnen - in für die Demokratie gefährlichster Weise viel zu kurz.
Wenn die Begriffe Demokatie und Rechtsstaat – auch nach ihm – zusammen gehören, dann darf man sie nicht wieder so auseinander reissen, wie dies in seinem Beitrag erfolgt. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Und ein Volk besteht aus Menschen mit allen der gleichen Würde und den daraus folgenden gleichen Grund- und Menschenrechten.
Wahrung der gleichen Rechte für alle
Diese garantiert der Rechtsstaat, weshalb Demokratie und Rechtsstaat untrennbar miteinander verbunden sind. Masst sich eine Mehrheit das Recht an, nicht allen Menschen die gleichen Rechte zu garantieren, so hat das nichts mit Volksherrschaft zu tun. Dann unterscheidet sich Demokratie in nichts von einer Diktatur.
Eine Mehrheit kann den Rechtsstaat abschaffen, nur schafft diese dann aber die Demokratie ab. Um diese zu erhalten, braucht es nicht bloss eine Art Schwarmvernunft und die Einsicht der politischen Mehrheit, freiwillig davon abzusehen, ihre gesetzgeberische Macht zu missbrauchen, wie Felber schreibt. Es braucht die richtige Auffassung von Demokratie als Volksherrschaft nicht von Menschen beliebig über Menschen, sondern allein unter Wahrung der gleichen Rechte für alle im Rahmen eines Rechtsstaates. Dann wird klar, dass Machtmissbrauch Missbrauch ist und nie Recht sowie eine Demokratie ohne Rechtsstaat niemals eine Demokratie sein kann.
Demokratie muss rechtsstaalich legitimiert sein
Der Rechtsstaat muss demokratisch legitimiert sein, die Demokratie hingegen auch rechtsstaatlich, so dass der Europarat richtigerweise die Demokratie in Polen und überall dort, wo sich eine politische Macht etablieren will, die den demokratischen Rechtsstaat aus den Angeln heben will, in höchster Gefahr sieht.
Mit der überdeutlichen Ablehnung der Durchsetzungsinitiative hat das Schweizer Volk selber diese Gefahr gebannt und es wird den politischen Kräften, die mit der Selbstbestimmungsinitiative nur alles selber ohne Rücksicht auf die Rechte aller anderen im Staaat bestimmen möchten, noch eine deutlichere demokratische Lektion erteilen.
Sehr gute Analyse, danke Herr Nay. Noch klarer wäre es allerdings mit Beispielen geworden. So sind etwa die Schweiz und Deutschland sicher Demokratien UND Rechtsstaaten. Sudiarabien hingegen ist klar wedernoch. Der Iran wäre als Demokratie zu bezeichnen - ist aber sicher kein Rechtsstaat (weil da die religiösen Extremisten mitreden). Das gilt leider auch zusehends für Israel: Demokratie wohl - aber eher ein Apartheid-, als ein Rechtsstaat.
Was nun die "Selbstbestimmungsinitiative" anbelangt, wäre ich mir da nicht so sicher. Immerhin garantiert die UNO-Charta (im Menschenrechtspakt Art. 1) das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" folgendermassen:
"Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."
Dieses Recht ist "ius cogens". Von ihm darf nicht abgewichen werden. Verträge, die gegen dieses Recht verstossen sind nichtig (Art. 53 der Wiener VRK).
Leider wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker heute immer mehr mit Füssen getreten, oder willkürlich missbraucht: So wurde es etwa dem Kosovo voreilig gewährt (vorab weil die USA in diesem lebensunfähigen Zwergstaat weiterhin ihre grosse Militärbasis "Bondsteel" betreiben wollen). Kurdistan, Palästina oder Tibet hingegen kämpfen seit Jahrzehnten ebenso verzweifelt, wie vergebens für dieses ihr eigentlich verbrieftes Recht. Diese Völker werden sogar als "Terroristen" verunglimpft. Und für diese gilt dann nicht nur kein Selbstbestimmungs-, sondern auch kein Menschenrecht mehr. Die fatale Folge davon: Die Türkei kann ebenso ungehindert den Lebensraum der Kurden in Kurdistan mit Waffengewalt zerstören wie Israel jenen der Palästinenser in Palästina. Würde sich die UNO in diesen Konflikten konsequent auf ihr Selbstbestimmungsrecht der Völker besinnen, wäre die Konfliktlösung viel leichter möglich. Gegen die erwähnte Initiative wird immer ins Feld geführt, sie richte sich gegen das Völkerrecht. Das Volksbegehren verlangt jedoch wörtlich folgendes: "Die Bundesverfassung ist die oberste Rechtsquelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft." Und diese "steht über dem Völkerrecht und geht ihm vor, unter Vorbehalt des zwingenden Völkerrechts." Das zwingende Völkerrecht ist somit nicht betroffen. Als "Völkerrecht" werden zudem leider oft auch üble und antidemokratische Knebelverträge wie etwa TTIP oder TISA den betroffenen Völkern untergejubelt. Oder der hinterlistige Vertrag PfP (Partnership for Peace) mit der Nato, in den die schwachen Bundesräte Ogi und Cotti unser eigentlich neutrales Land ohne jegliche Volksabstimmung hineingeritten haben. Das gälte es auch zu bedenken. Niklaus Ramseyer
Vielen Dank Herr Nay für diese Klarstellung. Mit Ihnen hoffe ich sehr, dass die nun erwachte Zivilgesellschaft die Gefahr, die die sog. "Selbstbestimmungsinitiative" birgt durchschaut. Und dass alle, die zur Urne gehen werden den Rechtsstaat und damit ihre eigenen, garantierten Rechte verteidigen.