Letten hadern mit der Geschichte

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Letten hadern mit der Geschichte

Von Willy Schenk, 02.02.2011

60 Prozent der Letten lehnen laut einer Umfrage die Entschädigung für unrechtmässig übernommenes jüdisches Eigentum im Weltkrieg ab. Unter den Befragten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren akzeptieren nur 19 Prozent die Entschädigung. Und auch von dieser Minderheit antworteten nur 6 Prozent mit einem spontanen Ja. Die Reaktion ist typisch für das Geschichtsbewusstsein in den baltischen Staaten, wo man sich als Opfer fühlt und westliche Anklagen wegen der Beteiligung am Holocaust zurückweist.

„Stalin hat mehr Menschen umgebracht als Hitler!“ Diese in den baltischen Staaten immer wieder gehörte Bemerkung verrät die unbewältigte Vergangenheit, wo die Menschen unter Hitler wie unter Stalin oftmals sowohl zu Opfern als auch zu Tätern wurden. In Lettland kommentierte der populäre und zugleich wegen undurchsichtigen Geschäften angeschuldigte Bürgermeister der Hafenstadt Ventspils die Frage der Entschädigung mit der Bemerkung: „Wir sollten über alle Opfer sprechen, sowohl diejenigen des Faschismus als auch des Kommunismus, und ihnen dann allen eine Entschädigung bezahlen.“

Forderung nach Entschädigung

Anlass für die Debatte war der Besuch eines Sondergesandten für Holocaustfragen aus dem amerikanischen Aussenministerium. Da die Juden in Lettland im Weltkrieg alle umgebracht wurden und somit keine Klage einbringen können, fordern die inzwischen wieder entstandenen jüdischen Gemeinschaften mit Unterstützung der USA jetzt eine Entschädigung von über 40 Millionen Euro für im Krieg unrechtmässig übernommenes Eigentum. Die Aufforderung kommt in einer ungünstigen Situation, weil Lettland im Rahmen eines vom Internationalen Währungsfonds und der EU verordneten Sanierungsprogramms die Staatsausgaben beschneiden und Beamtengehälter um bis zu 30 Prozent reduzieren muss.

Trotzdem ist das Resultat der Umfrage nicht untypisch. Die Frage des Holocaust, die im Westen fast alle anderen Themen des Weltkriegs verdrängt, wird in den baltischen Staaten und wohl auch in einem grossen Teil Osteuropas ignoriert. Erstens waren die baltischen Staaten über ein halbes Jahrhundert Sowjetrepubliken und wurden damals belehrt, dass die Vernichtung von Juden eine Folge des Faschismus sei und vom Sozialismus bekämpft wurde. Und zweitens empfinden die baltischen Kleinstaaten die westlichen Bemühungen um das Schicksal der Juden als einseitig. Dass der Begriff „Völkermord“ nur für die Vernichtung der Juden angewendet werden darf, empfinden sie als einseitig. Man übergehe damit die Besetzung des Baltikums und die von Stalin angeordneten Deportationen.

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Antwort zur Frage nach dem Begriff Völkermord. Das Statut für den internationalen Militärgerichtshof vom 8. August 1945 fixierte im Rahmen des N0rnberger Prozesses erstmals den Tatbestand des Völkermordes. Am 9. Dezember 1948 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes an. Die erwähnten Zeitpunkte erklären, warum die Umschreibung des Begriffs weitgehend durch die Vernichtung von Juden im Zweiten Weltkrieg zugeschnitten ist. Als man den Begriff dann auch bei Gedenkfeiern in Lettland übernahm, kam Widerspruch vor allem aus den angelsächsischen Ländern. Die frühere lettische Präsidentin Vike Vaira Freiberga versucht ihrem Volk in mehreren Reden zu erklären, warum die von Stalin angeordneten Deportationen nicht unter den Begriff "Völkermord" fallen. Was aber genau mit diesem Begriff bezeichnet werden darf, wird weiterhin diskutiert und bleibt in Fällen wie etwa dem Mord an den Armeniern in der Türkei kontrovers.

Wo wurde festgelegt, dass "Völkermord" nur für den Holocaust gelte??

Warum sich ausgerechnet die Amerikaner hier einmischen, kann wirklich nicht verstanden werden. Sie kennen scheinbar nur eines, Geld.Jenes dass sie aber als Entschädigung an die Indianer gar nicht auszahlen könnten sonst wären sie schon gestern pleite.Ob und wann die Letten den jüdischen Menschen eine Entschädigung zahlen ist dann eine Sache zwischen den Letten und den Nachkommen der der Holocaustopfer. Um Weltpolizist zu spielen haben die Leute aus den USA ihre Legitimation dazu, schon seit geraumer Zeit selbst verspielt. Immer schön den Dreck vor der eigenen Tür wischen, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt!

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