Maus holt französisches Luxus-Krokodil ins Haus

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Maus holt französisches Luxus-Krokodil ins Haus

Von André Pfenninger, 19.11.2012

René Lacoste (1904 – 1996) war einst Frankreichs Tennis-Idol. Ein Champion à la Federer. Beim Platzwechsel in die Wirtschaft schlug er weiter erfolgreich zu. Ein Krokodil half zum Welterfolg. Das Biest ist jetzt im Haus der Maus in Genf.

René Lacoste war in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts ein berühmter französischer Tennisspieler. Von Wimbledon über das French Open, das US Open bis zum Davis Cup verliess er den Platz meistens als Sieger. Er war auch bekannt für sein Flair für die Eleganz auf dem Spielplatz. Die weissen Hemden liess er in London nach Mass anfertigen. Ein erster Ansatz für die spätere, nicht weniger erfolgreiche Karriere in der Bekleidungsbranche. La chemise Lacoste hiess die 1933 zusammen mit einem Partner gegründete Firma. Der Name wurde rasch zu einem Begriff für französischen „Chic“. Jedes Polo und Sommerhemd wurde in Frankreich damals eben als „chemise Lacoste“ bezeichnet, selbst wenn es einen ganz anderen Namen trug und eine andere Herkunft hatte. Die wahre Lacoste-Bekleidung hatte hingegen ein unverkennbares Markenzeichen: ein grünes, gesticktes Krokodil, wie ein Abzeichen auf den Stoff aufgesetzt.

Krokodil auf dem Tennisplatz

Wie fand ein Krokodil den Weg auf den Tennisplatz? Da gibt es verschiedene Varianten. In einem Bericht der Pariser Tageszeitung Le Figaro wurde dieser Tage auf eine Karikatur des Zeichners Robert George verwiesen, der den kämpferischen, verbissenen Einsatz Lacostes auf dem Court mit einem Krokodil in Verbindung brachte. Der Spieler soll so begeistert gewesen sein, dass er sich sogleich ein Krokodil anfertigen und auf seine Kleidung nähen liess. In der amerikanischen Presse soll Lacoste bald nur noch als Mr Krokodil genannt worden sein. In einer anderen Version, die in der offiziellen Firmengeschichte Eingang gefunden hat, wird folgende Anekdote vorgebracht: René Lacoste sei mit Teamkollege und dem damaligen Davis Cup-Kapitän Pierre Gillou bei einem Bummel durch Boston vor dem Schaufenster eines Lederwarengeschäftes gestanden, und habe einen Koffer aus Alligatorenleder bewundert. Und Gillou soll ihm gesagt haben, wenn du den heutigen Match gewinnst, kauf ich Dir diesen Koffer. Lacoste ging als Verlierer vom Platz aber trotzdem mit dem heiss ersehnten Krokoleder-Koffer nach Hause. So oder so war das Krokodil zum Markenzeichen der Firma aufgestiegen, zu einem der ersten Marken-Logos in der Bekleidungsbranche im Sinne, wie man sie heute kennt, überhaupt.

Vom Tennisplatz aufs Firmenschild: Das Lacoste-Krokodil  leuchtet hier vor der Berner Boutique direkt gegenüber dem Zytglogge. (Bild: André Pfenninger)
Vom Tennisplatz aufs Firmenschild: Das Lacoste-Krokodil leuchtet hier vor der Berner Boutique direkt gegenüber dem Zytglogge. (Bild: André Pfenninger)

Mit „Swiss made“-Uhren

Der Name Lacoste und das Krokodil blieben bis heute unzertrennlich. Und das Markenlogo hat eindeutig zum Welterfolg von Lacoste beigetragen. Im Jahre 1963 wurden 300 000 Polos verkauft, 2005 waren es 50 Millionen. Lacoste wuchs zu einem weltumspannenden Imperium. Lacoste verfügt jedoch über keine eigene Fabrikationsstätten. Alles wird in Lizenz hergestellt, die Textilien vorwiegend in Frankreich, die meisten anderen Artikel stammen aus Europa, Asien usw. Das Sortiment besteht längstens nicht mehr nur aus Polohemden und Blazer sondern beinhaltet Bekleidungsstücke der verschiedensten Art: Socken, Pullover, Westen, aber auch Lederwaren, Parfums, Uhren (notabene Swiss made aus dem Hause Movado), Brillen usw. usw. Lacoste ist eine ausgesprochene Luxusmarke, die wie die meisten Modemarken heute auch in breiten Volksschichten unübersehbar präsent ist. Die Preise bewegen sich im mittleren bis oberen Segment. Der Umsatz betrug 2011 ca. 1,6 Mrd. Euro, er soll dieses Jahr 1,8 Mrd. Euro erreichen. Lacoste verfügt weltweit über 1000 Boutiquen. Das Wachstumspotenzial wird als riesig angesehen. In der Schweiz ist die Marke bestens vertreten und in Städten, vornehmen Kurorten und in luxuriösen Fachgeschäften ist der Name mit dem unverwechselbaren Logo unübersichtlich zugegen. Insgesamt betreibt Lacoste in der Schweiz über 20 Boutiquen, sechs davon im Franchise-System. Direktor von Lacoste Suisse ist seit 2006 Stéphane Deneef, der vorher während acht Jahren bei Swatch tätig war.

Familienkrach vertrieb das Krokodil

Und dieses Imperium befindet sich oder besser gesagt, befand sich noch bis zu Beginn dieses Monats mehrheitlich immer noch im Besitz der Familie Lacoste. Die Familie war jedoch schon seit längerer Zeit zerstritten und es herrschten unterschiedliche Meinungen über Führung, strategische Ausrichtung usw. Im Oktober kam es zum offenen Konflikt als Michel Lacoste mit seinem Rücktritt die Absicht kundtat, seine Aktien zu verkaufen. Seine Tochter, Sophie Lacoste-Doumel, Enkelin des Firmengründers und neue Präsidentin des Verwaltungsrates, wollte auf keinen Fall verkaufen. Ihr Vater liess zugleich verlauten, die Tochter sei nicht fähig, das Unternehmen zu führen. Sophie Lacoste zeigte sich jedoch als entschlossene, verbissene Kämpferin, wie einst der Grossvater auf dem Tennisplatz, und wollte unter allen Umständen das Unternehmen der Familie erhalten. Sie musste sich jedoch geschlagen geben und, nach nur wenigen Wochen an der Spitze des Familienunternehmens, den Verkauf in die Schweiz bekanntgeben. Es sei „bitter und traurig, extrem schmerzlich“, gestand sie an einer Pressekonferenz in Paris, es hätte jedoch keine andere Lösung gegeben. Ein „weisser Ritter“ war auf weiter Flur nicht in Sicht und sie persönlich verfügte nicht über genügend Mittel, um die Aktien allein von den übrigen Familienmitgliedern zu erwerben. Sie verfügte zusammen mit anderen Angehörigen über 28 Prozent, eine andere Gruppe der Familie war bereit, ein Paket von über 30 Prozent ebenfalls den Schweizern zu überlassen.

Geschickte Maus-Strategie

Maus Frères SA besitzt somit Lacoste zu über 90 Prozent, da sie über ihre vor wenigen Jahren erworbene französische Firma Devanlay SA in Paris bereits zu einem 30 Prozent-Anteil an Lacoste gekommen war. Devanlay verfügt weltweit über die Lacoste-Lizenzen und die Vermarktungsrechte. Die Verflechtung mit Lacoste hat nun den Deal erleichtert. Der Preis soll gemäss Schätzungen in Finanzkreisen etwa eine Milliarde Franken betragen haben. Lacoste und das Krokodil standen schon lange auf der Wunschliste der Maus. Ein vor wenigen Jahren vorgebrachtes Angebot blieb damals ohne Folgen. Für den „schlafenden Riesen“, wie der Lacoste-Konzern in Fachkreisen bezeichnet wurde, beginnt eine neue Zukunft. Der Marke wird noch ein grosses Entwicklungspotenzial vorausgesagt.

Diskrete Mäuse…

Bei Maus handelt es sich um eine über 100-jährige Handelsgesellschaft. Ernest und Henri Maus machten Ende des 19. Jahrhunderts in Biel Bekanntschaft mit dem Geschäftsmann Léon Nordmann. Die drei Visionäre gründeten zusammen 1902 ein Warenhaus in Luzern. Das war der Grundstein für die heutige Warenhauskette Manor, das Flaggschiff der Maus-Gruppe. Der Name Manor besteht aus den Anfangsbuchstaben von Maus und Nordmann. Die Verbindung fand auch auf familiärer Ebene statt, nämlich durch Heirat von Sohn und Tochter der Firmengründer. Maus Frères SA, so lautet der heutige Name des in Genf domizilierten Handels-Imperiums. Dazu gehören u.a. auch die Jumbo Heim- und Freizeitmärkte, die Sportgeschäfte Athleticum, um nur die grössten Brocken zu erwähnen. Der Umsatz wird mit nahezu 6 Mrd. Fr. ausgewiesen, die Zahl der Beschäftigten mit 23 000. Die Gruppe wird heute geleitet von drei Cousins. Diskretion, Verschwiegenheit und ein bescheidenes Auftreten kennzeichnen die Führungsspitze, Merkmale wie sie in der typischen, von aristokratischem Familiensinn geprägten Genfer Finanz- und Geschäftswelt zu finden sind. Die Tageszeitung Le Temps zog in einem Bericht Mitte November Parallelen zur Bankier-Familie Pictet. Das französische Nachrichtenmagazin Le Point schrieb in seiner letzten Nummer: „Die neuen Besitzer des Krokodils sind noch diskreter als die Schweizer Bankiers.“ Das Vermögen der Familie Maus wurde von der Bilanz auf etwa 2 bis 3 Mrd. Franken geschätzt.

Rote Köpfe in Paris

Das Krokodil hat also die Grenze überschritten und in der Schweiz eine Art „Asyl“ gefunden. Quasi als Vorankündigung der Dinge, die da kommen sollten, zeigte sich das Krokodil diesen Sommer in rot mit weissem Kreuz auf dem Rücken. Eine Kreation zur Londoner Olympiade, die Serie „Polo croco Flag“. In Frankreich wohl kaum goutiert. Arnaud Montebourg, der Industrieminister Frankreichs, für Eklats stets zur Stelle, enfant terrible der sozialistischen Regierung und der sozialistischen Partei ganz generell, kämpft gegenwärtig verzweifelt gegen die schwächelnde Wirtschaft seines Landes. Bekannt sind seine Schimpftiraden gegen die Industrie, der er Auslandlastigkeit vorwirft. Er zeigte sich soeben in einem Marine-Polo (natürlich ohne das „kapitalistische“ Krokodil…), das für das „Made in France“ hatte werben sollen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Textilprodukt nur zum Teil aus französischer Produktion stammte. Pech und Ärger für Montebourg. Der wirblige Politiker, für Seitenhiebe gegen das „Steuerparadies Schweiz“ stets zur Stelle, musste wohl in Rage geraten sein, als er zur Kenntnis nehmen musste, dass genau zu diesem Zeitpunkt das berühmte Krokodil, Sinnbild für französischen Luxus, über die Grenze abgehauen ist und in Schweizer Hand geriet. Für rote Köpfe in Paris war jedenfalls gesorgt.

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