Niveauloser Schlagabtausch
Die erste von drei geplanten Fernsehdebatten zwischen Präsident Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden war keine gute Werbung für einen zivilisierten Wahlkampf in einer gestandenen Demokratie. Ein echter Austausch von Argumenten fand während der anderthalbstündigen TV-Veranstaltung in Cleveland praktisch nicht statt. Vielmehr fielen sich die Kontrahenten ständig ins Wort und wichen konkreten kritischen Fragen des Moderators Chris Wallace aus. Die «Washington Post» bezeichnet den Schlagabtausch als «schlechteste Präsidentschaftsdebatte seit Menschengedenken».
Aggressiver Trump
Trump war klar die aggressivere Figur in diesem Duell. Er war rhetorisch dominanter als Biden, den er im Wahlkampf gerne als «Sleepy Joe» herabwürdigt, aber gleichzeitig auch skrupelloser mit seinen oft eindeutig wahrheitswidrigen Behauptungen. Offenkundig war er bestrebt, den 77-jährigen demokratischen Kandidaten (Trump ist drei Jahre jünger) zu überrollen und aus der Fassung zu bringen. Das ist ihm aber nicht gelungen. Biden geriet nie ernsthaft ins Stocken in seiner Argumentation, wie das einige seiner Anhänger befürchtet und das Trump-Lager gehofft hatte. Er selbst aber focht auch mehr mit dem schweren Zweihänder als mit dem leichten Florett, wenn er auf Trumps grobschlächtige Attacken reagierte. So nannte er Trump einen «Clown» und einen «Lügner».
Wer von den beiden Matadoren von diesem groben Zweikampf im Hinblick auf die Wahl vom 3. November mehr profitieren wird, lässt sich natürlich nicht präzise beurteilen. Geht man aber davon aus, dass die grosse Mehrheit der Wähler ihre Entscheidung längst getroffen hat und es bei diesen Debatten vor allem darum geht, die noch Unentschlossenen der Wechselwähler zu beeinflussen, so spricht einiges dafür, dass Trump mit seinem rücksichtslosen, polternden und demagogischen Auftritt in diesem Segment nicht viele neue Stimmen gewonnen hat.
Beim Thema der Corona-Bekämpfung hatte Trump einen schwierigen Stand. Er parierte die Vorwürfe Bidens über das von Anfang an wenig überzeugende Agieren der Regierung auf diese Pandemie-Krise mit der Behauptung, sie habe die amerikanische Wirtschaft im Ganzen grossartig vor einem völligen Zusammenbruch gerettet. Ohne überzeugende Fakten beteuerte er einmal mehr, schon in den nächsten Wochen werde ein wirksamer Impfstoff gegen das Corona-Virus bereitstehen. Ausserdem machte er sich darüber lustig, dass Biden in der Öffentlichkeit jeweils «die grösste Gesichtsmaske, die man je gesehen hat», trage.
Keine Antwort zur Steuervermeidung
Der Moderator Chris Wallace war eindeutig der souveränste Akteur bei der Schlammschlacht in Cleveland. Er war es, der Trump die Frage stellte, ob die Darstellung der «New York Times» zutreffend sei, dass der Präsident 2016 und 2017 nur je 750 Dollar an Einkommenssteuern auf Bundesebene bezahlt habe. Trump wich einer klaren Antwort aus und behauptete ohne irgendwelche Spezifizierungen, er habe jedes Jahr «Millionen an Steuern» bezahlt. Hier verspielte sein Herausforderer Biden eine goldene Gelegenheit zu hartnäckigen Nachfragen nach konkreten Gegenbeweisen zu den Informationen der «New York Times».
Wirksamer war wohl Bidens Argument, dass durch die Wahl einer neuen konservativen Richterin für den Supreme Court, die Trump vorgeschlagen hat, die Möglichkeit besteht, dass das seit Jahrzehnten umstrittene Recht auf Abtreibung in Amerika wieder eingeschränkt werden könnte. Trump behauptete, diese Frage stehe überhaupt nicht zur Debatte, was von zahlreichen Aktivisten im evangelikalen Lager, das zu seinen Stützen im Wahlkampf gehört, völlig anders beurteilt wird. Entgegen allen praktischen Fakten bestritt der Präsident ausserdem, dass er und seine Partei versuchten, das von der Obama-Regierung durchgesetzte Gesetz für eine obligatorische Krankenversicherung für alle Amerikaner durch gerichtliche Entscheide wieder zurückzudrehen.
Biden – ein Gefangener von linken Extremisten?
Trump war bestrebt, sich als entscheidender Garant von «Law and Order» in Amerika darzustellen. Biden dagegen sei der Gefangene von linken Extremisten in seiner Partei, die die marktwirtschaftliche Ordnung im Land zu zerstören und die Polizei pauschal zu diskreditieren versuchten. Biden betonte dagegen mit Nachdruck, dass Gewalt in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nie zu rechtfertigen sei.
Beim Thema Klimawandel beharrte Trump auf seinem Argument, dass die verheerenden Waldbrände in Kalifornien allein auf ein falsches Waldmanagement zurückzuführen seien. Die Europäer machten es in dieser Hinsicht sehr viel besser. Biden versicherte, dass die USA unter seiner Präsidentschaft dem internationalen Pariser Abkommen zur Bekämpfung des Klimawandels, das Trump mit grossem Tamtam gekündigt hatte, wieder beitreten würden.
Der Präsident spricht von Wahlbetrug
Zuletzt wandte sich die Debatte der Frage zu, wie die Kandidaten und ihre Parteien auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 3. November reagieren würden. Trumps Aussagen dazu muss man als schlechthin skandalös beurteilen. Minutenlang schwadronierte er darüber, dass es bei diesem Wahlgang und vor allem bei der brieflichen Stimmabhabe zu grossangelegten Betrügereien kommen werde. «Das wird nicht gut enden», erklärte er wörtlich. Schon vor vier Jahren seien Wahlergebnisse gegen ihn manipuliert worden. Trump goss damit offenkundig bewusst Öl ins Feuer einer verbreiteten Verunsicherung über die Zuverlässigkeit des Wahlergebnisses vom 3. November – eine selbst für diesen Präsidenten unglaubliche Verantwortungslosigkeit.
Biden dagegen wandte sich direkt ans Fernsehpublikum und beschwor dieses eindringlich, vom Recht auf Stimmabgabe Gebrauch zu machen. Er argumentierte, dass Trump selber seine Stimme brieflich abzugeben pflege – obwohl er jetzt diese erprobte Möglichkeit demagogisch zu diskreditieren versuche.
Der Debatte fehlte Niveau, einverstanden. Aber wenn Trump sich angeblich etwas vormacht, weil er sich über Wahlbetrug mit Briefwahlzetteln Sorgen macht, ist dies eine angebliche Illusion, die die meisten Länder der Welt teilen. Sogar die Länder, in denen Briefwahlzettel zugelassen sind, verfügen über Schutzmaßnahmen, z. B. von der Regierung ausgestellte Photoausweise. Den Amerikanern wird jedoch ständig versichert, dass selbst dieser Schritt völlig unnötig sei. Der Präsident hat Recht, dass die Wahl ohne grundlegende Vorsichtsmaßnahmen auf dem Weg ist, ein Albtraum zu werden, der Monate dauern könnte.
Wallaces Rolle war die als Bidens Beschützer. Er trat in jedem Moment ein, in dem Biden verloren schien. Wallace versuchte, Trump‘s Aufdeckung der kriminellen Korruption von Hunter Biden zu entgleisen. Warum war das kein tragfähiges Diskussionsthema? Biden log, als er sagte, sein Sohn Hunter sei exkulpiert worden. Nicht so. Joe Biden hat eine lange Geschichte von Lügen und finanzieller Korruption. Sollte diese Tatsache nicht für einen Präsidentschaftskandidaten überprüft werden?
Nein das lohnt sich nicht, darin ist Biden hoffnungslos unterlegen.
'Niveau-loser Schlagabtausch', wie wahr, leider.
Wer sich vertieft mit Niveau in den Medien befassen will, lese das präzise und erhellende Interview über 'Bauchstalinismus' mit Kurt Imhof, publiziert im 'schweizermonat'.
https://schweizermonat.ch/schluss-mit-dem-bauchstalinismus/#