Obszöne Bankerlöhne als Symptom

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Obszöne Bankerlöhne als Symptom

Von Lukas Fierz, 26.09.2019

Der Arzt und alt-Nationalrat Lukas Fierz stellt eine provozierende Überlegung in Bezug auf die exzessiven Einkommen mancher Banker an.

 

Mein Ururgrossvater Heinrich Fierz-Etzweiler (1806-1891), Unternehmer und Seidenhändler war Verwaltungsrat in den Anfängen der Schweizerischen Kreditanstalt (1859–1881), von 1877–1881 auch dessen Vizepräsident und Präsident. Aber was ist aus diesem Laden geworden?

Jahreslöhne von 13 Millionen und Boni in Millionenhöhe sind weitab irgendwelcher Durchschnittseinkommen, man kann sie als Abnormität einordnen. 

Ungesund, nicht nur abnorm

Abnorm wäre an sich noch keine Wertung. Sie sind aber mehr als abnorm, sie sind ungesund, denn kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr durch Leistung verdienen, kein Mensch kann 13 Millionen im Jahr vernünftig verbrauchen, und – das kann man wohl sagen – kein wirklich anständiger Mensch könnte oder würde ein solches Honorar als verdient annehmen. Kommentatoren verwundern sich denn auch immer wieder kopfschüttelnd, dass solche Exzesse von Aktionariat und Verwaltungsrat widerspruchslos abgenickt werden. Ist die kopfschüttelnde Verwunderung berechtigt?

Das Ungesunde und Krankhafte liegt hier im Urteilen und Bewerten, wir sind im Bereich der Psychopathologie. Wie immer bei einem abnormen medizinischen Befund stellt sich die Frage, ob das Symptom schon die ganze Krankheit sei, oder ob sich eine andere Grundursache dahinter verberge. Um bei einem medizinischen Beispiel zu bleiben: Beim einfachen hohen Blutdruck ist das Symptom auch die Krankheit, aber hoher Blutdruck kann auch Symptom einer Nierenerkrankung sein, und die Behandlung wird ganz anders.

Exzesse als Symptom

Um zur Psychopathologie zurückzukehren: Nach Sigmund Freud können neurotische Symptome aus verdrängten psychischen Inhalten  – quasi als Abfallprodukt – entstehen. Alfred Adler hat dazu ergänzt, dass psychische Symptome nicht notwendigerweise ein „Abfallprodukt“ sein müssen, sie können durchaus einen Zweck haben, ja sie können  einen Zweck geradezu durchsetzen. Diese Adlersche Erkenntnis hat mich zur Frage gebracht: Was, wenn die obszönen Bankerhonorare nicht die Krankheit wären, sondern nur ein Symptom, hinter dem sich ein ganz anderer Zweck versteckte?  

Zum Beispiel könnten solche Honorare signalisieren, dass sich gar kein anständiger Mensch melden solle, weil es nicht um verdientes Geld geht. Denn das ganz grosse Geld macht man mit Oligarchen und Drittweltpotentaten, mit Drogenhändlern und drogenproduzierenden Pharmabossen, die den zusammengerafften Reichtum in Sicherheit bringen wollen. Kommen dazu die Bankspekulationen mit hundertfachen Hebeln.

Bereitschaft zur Korruption

Klar, man betreibt man auch Swiss Retail Banking, dies als Tarnung und vor allem als Rückversicherung, damit die tumben Schweizer Steuerzahler die Milliardenverluste decken, wenn mal was schiefgeht. Hat ja bisher immer gut funktioniert. Schliesslich ist man systemrelevant und die Bundesrätli bekommen bei Wohlverhalten auch immer ein Verwaltungsratssitzchen, damit das Volk bei Versagen weiter geradestehen darf.  

Wenn das Geschäft mit den Drittweltpotentaten gut laufen soll, braucht es Bereitschaft zur Korruption, und genau das wird mit den obszönen Honoraren signalisiert und honoriert. Und am besten gibt man die Leitung des ganzen Schweizer Instituts auch gerade Vertretern der Drittweltpotentaten, dann ist gegenseitiges Vertrauen garantiert.  Dass damit Schweizer Solidität, soweit sie denn noch restweise vorhanden war, vor die Hunde geht, dass damit die Umgangsformen einer Bananenrepublik und einer Bananenfirma importiert werden, ist in Kauf zu nehmen. Verwaltungsrat und Aktionariat nicken ab, nicht trotz der Exzesse und Auswüchse, sondern eben gerade weil diese begründet und gewollt sind. Es gibt weder was zum Verwundern, noch zum Kopfschütteln.

Übrigens habe ich die generationenlange Beziehung meiner Familie zur Crédit Suisse schon lange gekappt.
 

Mangerlöhne: Lohndeckel sind gerechtfertigt!

Die Top-Leute einer Unternehmung fällen Strategieentscheide mit grossen finanziellen Folgen. Dies sind aber in den seltensten Fällen Entscheide einer Einzelperson. Meist wird eine Auslegeordnung von möglichen Entwicklungsrichtungen durch einen Strategiestab erstellt und der oberste Boss entscheidet aufgrund von Chancen- und Risikobewertungen der Varianten. Die Ungewissheiten über den Erfolg einer Strategie sind auch nach einer Evaluation riesig, abhängig von unbeeinflussbaren oder schwer abschätzbaren Faktoren wie Konjunktur, Reaktionen der Konkurrenz, Werbeerfolg, usw. Der Erfolg einer Strategie einer Einzelperson zuzuschreiben und dann noch zu sagen, diese habe die Verantwortung dafür getragen, ist naiv. Kein Top-Manager kann die hohen Verluste einer Fehlstrategie verantwortlich tragen, muss er auch nicht, weil die Ungewissheiten bei der Wahl der Strategie zu gross sind. Er darf aber bei der richtigen Wahl der Strategie auch nicht für etwas belohnt werden, bei dem die Umstände, sein Mitarbeiterstab und das Glück eine wesentliche Rolle gespielt haben. Zudem verliert ein Topshot bei Misserfolg lediglich seine Stelle und kann als gut Qualifizierter bald wieder eine neue antreten. Die Konsequenzen aus seiner Verantwortlichkeit sind also im Misserfolgsfall beschränkt, rechtfertigen also auch keinen Riesenlohn im Erfolgsfall.

Hochmut kommt vor dem Fall.

Danke Herr Fierz
Endlich jemand der diese Vorgänge als Schande bezeichnet. Und dies auch öffentlich tut.

Der Irrsinn der astronomischen Gagen der Manager der Grossbanken die Lukas Fierz kritisiert ist das eine. Das andere ist, dass diese Leute sich auch gegen die Konzern-Verantwortungs-Initiative engagieren werden. Denn die Grossbanken machen ihr Geld auch mit Unternehmen, die ihre Profite mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ihrer Arbeiter erzielen und die oft auch Umweltschäden verursachen, «eben» nur «weit hinten in der Türkei».

Unsere Grossbanken, aber auch unsere Nationalbank, Versicherungen und Pensionskassen investieren auch in Firmen der Rüstungsindustrie, da mit Anlagen auch in diesem Sektor grosse Profite erzielt werden können. Auch die Pensionskasse der Stadt Zürich, in unserer rot-grün regierten Stadt, macht da leider mit. Die Nationalbank, Grossbanken, Versicherungen und Pensionskassen stecken ihr Geld sogar in Konzerne, die an der Produktion von in der Schweiz verbotenem Kriegsmaterial beteiligt sind, von Atomwaffen, Streubomben und Antipersonenminen, sogar meine Pensionskasse der SBB, der Schweizerischen Bundesbahnen ist beteiligt. Investitionen in Atomwaffen erfolgen mit der Duldung des Bundesrates, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage von Nationalrat Balthasar Glättli hervorging.

https://www.parlament.ch/DE/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?Affa...

Einer der wichtigsten Verträge zur Kontrolle von Atomwaffen läuft aus, das INF Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland. Jetzt «darf» hüben wie drüben noch mehr atomar aufgerüstet werden, darf noch mehr Profit aus dem Geschäft mit dem Krieg erzielt werden. Damit steigt die Gefahr eines Atomkrieges infolge eines Irrtums oder einer technischen Panne. – Und: Verrückte gibt es auch in der Politik. - Die Gefahr eines Atomkrieges ist noch viel bedrohlicher als der Klimawandel. Die Atomkriegsuhr wurde vorgestellt: auf zwei Minuten vor zwölf, vor dem Weltuntergang.

Sind Manager nicht in einer Art und Weise geisteskrank die Milliarden in Firmen investieren, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind? Was meint der Arzt Lukas Fierz dazu? Wie gesund Bundesräte und Bundesrätinnen die solche Investitionen in die Atombombenindustrie zulassen?

Seit 60 Jahren haben wir Glück gehabt. Immer konnte ein Atomkrieg durch Geistesgegenwärtige im letzten Augenblick abgewendet werden. Ein atomarer Schlagabtausch zwischen den Atommächten würde das Ende der Menschheit bedeuten. Schon die Explosion von 100 Atombomben würde eine Abkühlung des Erdklimas verursachen, gefolgt von Ernteausfällen und Hungersnöten.

Eine Gesellschaft, die denen, die ihr Geld hüten unendlich viel mehr zu zahlen bereit ist als denen, die ihre Kinder hüten und erziehen, zeigt eigentlich klar auf, wie krank und verdorben sie in Grunde ist und dass ihr Wertesystem total aus dem Ruder läuft.

Ihr Kommentar in Ehren, Herr Fierz: Aber ich glaube nicht, dass sich Bankdirektoren aus Gründen der von ihnen geschilderten Motiven derart obszön bereichern. Denn soviel strategisches Denken dürfte den Bankmanagern nicht innewohnen. Vielmehr haben sie sich die Normalität in der Finanzindustrie zu eigen gemacht. In diesen Kreisen sind 13 Millionen eine Summe, die aus der Portokasse bezahlt wird, wenn man auch daran denkt, in welchem Umfang die Grossbanken Bussen bezahlen mussten. Banker rechnen in anderen Grössenordnungen als Lohnabhängige oder Pensionäre. Banker bleiben mehrheitlich unter sich und sind somit im höchsten Grad gefährdet, die Relationen zu verlieren. Ihr Grössenwahn kommt nicht von ungefähr: Auch wenn sie schlechte Geschäfte machen und ihre Kunden, wie der Kleinsparer, mehr Gebühren bezahlen als er an Zinsen bekommt, hindert das die Banker nicht, sich weiterhin exorbitant hohe Boni auszubezahlen. In kaum einer anderen Branche werden Manager dermassen üppig belohnt, auch wenn sich immer weniger Gewinn erwirtschaften. Banker sind eigentliche Aliens: Nicht nur in finanziellen Belangen, sondern auch bezüglich Wahrnehmungsfähigkeit und Selbstreflexion. Und weil wir alle mehr oder minder von der Finanzindustrie abhängig sind, stehen sie sozusagen unter Artenschutz. Keine guten Aussichten - insbesondere auch dann nicht, wenn man sich vor Augen hält, was an Unwägbarkeiten alles auf uns zukommt.

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