Papst Pius XI. und der Pakt mit Mussolini

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Papst Pius XI. und der Pakt mit Mussolini

Von Willy Schenk, 21.10.2016

Der amerikanische Historiker David I. Kertzer zeigt, wie Papst Pius XI. zur Machtergreifung Mussolinis beitrug. Sein Buch erschien 2014 in den USA und wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Es ist jetzt auf Deutsch erschienen*.

Es ist gut, dass ein emotional und weltanschaulich unbelasteter amerikanischer Historiker dieses in Europa noch immer kontroverse Thema aufgegriffen hat. Seine These lautet, dass Pius XI. als autoritär veranlagter Priester und der ebenso autoritäre Mussolini, die beide 1922 an die Macht gelangten, sich damals beim Aufbau ihrer Machtposition ergänzten.

Der erzkonservative Papst stiess auf unerwartete Hindernisse und war bereit zu Kompromissen mit der italienischen Regierung, um grösseren Einfluss zu bekommen. Mussolini wandte sich nach einer linken Kurve nach rechts und brauchte für seinen Machtwillen gesellschaftliche Legitimierung.

Anfänglich gegenseitig vorteilhaft

Bei dieser politischen Umarmung konnte der neue Papst am Aufstieg  des energischen Mussolini teilhaben, während dieser dank dem Papst in der noch mehrheitlich katholischen Bevölkerung trotz seiner gewalttägigen Bewegung akzeptiert wurde. In den Lateran-Verträgen von 1929 spielten sich der Priester und der Faschistenführer gegenseitig die Karten zu.

Pius XI. erhielt den Vatikanstaat mit der dabei angestrebten  Autonomie. Italien musste jetzt wie andere Länder diplomatische Beziehungen zum Vatikan aufnehmen. Das katholische Bekenntnis wurde in Italien zur Staatsreligion, die Schulen mussten Religionsunterricht erteilen und die Heirat in der Kirche wurde obligatorisch.

Mussolini erhielt nur einen, aber dafür unbezahlbaren Vorteil. Politik und seine Herrschaft des Faschistenführers wurden jetzt legitimiert von der Kirche des katholischen Italien. Die religiösen Autoritäten konnten sich nun nicht mehr distanzieren, wenn Mussolinis Faschisten gegen andere Gruppierungen vorgingen oder wie im Krieg gegen Äthiopien unmenschliche Methoden anwandten. Auch bei antisemitischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der von Mussolini angestrebten Annäherung an Hitler war die Kirche dabei.

„Mit brennender Sorge“

Die Kirche hielt traditionell Distanz zu jüdischen Gemeinschaften. Aber beim Aufkommen eines aggressiven Antisemitismus bei den Faschisten in den  frühen Dreissigerjahren und der späteren Annäherung an den Nationalsozialismus im gleichen Jahrzehnt konnte die Kirche ihre ursprüngliche Haltung nicht behaupten. Dasselbe galt auch bei der von Nationalsozialismus und Faschismus betriebenen Kampagne gegen die angeblich weltweite Verschwörung von Juden, Freimaurern und Protestanten. Einig waren sich Kirche und Faschismus allerdings schon immer bei der Ablehnung des Bolschewismus.

Für den gebildeten und zugleich autoritären Papst Pius XI. waren sowohl Antisemitismus als auch Hassparolen und Gewalt ein Ärgernis. 1937 wandte er sich in der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ gegen Rassismus und Nationalsozialismus. Diese Anweisungen mussten in Deutschland damals heimlich verteilt werden. Seine Berater versuchten Pius XI. von weiteren solchen Aufrufen abzuhalten, weil sie die Wut von Hitler fürchteten. Da Mussolini weitgehend zum Nachahmer des Nationalsozialismus geworden war, hätte auch Italien die Gegenbewegung seitens des Hitler-Regimes zu spüren bekommen.

Gescheiterte Distanzierung vom Faschismus

Wie Kertzer in seinem Buch darlegt, wurde der Papst zunehmend isoliert. Für den 10. Februar 1939 bereitete Pius XI. ein Konzil vor, bei dem er sich vom Faschismus lossagen wollte. Die Tragik des Papstes war, dass er das Konzil nicht mehr erlebte und die zur Verteilung vorbereiteten  Manuskripte vom Nachfolger vernichtet wurden, weil dieser zum Faschismus neigte. Hatten nach der Machtübernahme 1922 Papst und Mussolini immer über heimliche Boten kommuniziert, so wurde diese Kommunikation jetzt einseitig. Es gab nur eine Partei und einen Herrscher in Italien, der sich  bei der Eroberung von Äthiopien 1936 noch den Kaisertitel zulegte.

Beim ursprünglich vom Autor dieses Buch erwarteten Gegenspiel von Papst und Faschistenführer ist der Intellektuelle Pius XI. tragisch gescheitert, während der nur für seine Machtinteressen kämpfende Faschistenführer unbeschwert seine Alleinherrschaft in Italien errichtete.

* David I. Kertzer: Der erste Stellvertreter. Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus. Theiss Verlag, 2016

@ Frau Cathari: Ich verkenne keineswegs die Macht des Geldes. Die DNVP, die zuerst einmal die demokratische Machtergreifung Hitlers mit sicherte, war ja eine Oligarchen-Partei.
Aber die Macht des Kapitalismus erklärt den Faschismus nicht allein. Die mächtigsten kapitalistischen Länder des europäischen Nordwestens wurden nicht faschistisch. Sie bewältigten die Weltwirtschaftskrise mit formal parlamentarischen Demokratien (so oligarchisch wie heute aber ohne politische Massenmorde und Milizen wie die SA auf den Strassen).
Faschistisch wurden Süden und Osten, die Länder mit den schwächsten Bourgeoisien.
Michael Mann: Faschists ist da für mich die beste Quelle.
Ich bin aber immer dankbar für neue Quellen wie die Ihrige,
Danke.
MfG
Werner T. Meyer

Werter Herr Werner T. Meyer
„Der werdende Mensch ist schon im Kinde enthalten oder meine besten Freunde waren die Käuzchen. -Quando, mastica la cenere di un tradimento- Wenn ich die Asche eines Verrats kaue,- werde ich wütend, vernichtend! (Benito Mussolini) „Ich stand über eine Stunde vor dem Standbild Pestalozzis in Yverdon und bewunderte ihn! Arbeitete für 33 Centesimi die Stunde, stieg täglich 121 mal mit einer steinbeladenen Trage den zweiten Stock hinauf, 11 Stunden lang, am Abend waren die Muskeln geschwollen. Das war 1902 und ich schlief in Lausanne unter der Brücke, dem „Grand Pont.“ auch (Benito Mussolini) Wut, Entbehrungen, Rache und Selbstüberschätzung, gepaart mit jenem scheinbaren Wissen was richtig und falsch ist, kann in die Radikalität führen. Faschismus entsteht sowohl links wie rechts, so zu sagen überall dort, wo als letzte Antwort meist vermeintlich unkontrollierbare und nicht zu bewältigende Ängste bestehen und oder geschürt werden. Also auch an Orten wo Bildung und Wissen nicht mehr vor Wut und der innerer Verzweiflung schützen… cathari

Sie schreiben: "Es gab nur eine Partei und einen Herrscher in Italien, der sich bei der Eroberung von Äthiopien 1936 noch den Kaisertitel zulegte." Den Kaisertitel legte sich aber nicht Mussolini zu sondern war dem italienischen König Viktor Emmanuel II vorbehalten.
In diesem Zunammenhang wäre es interessant den Unterschied zwischen Benedikt XV. schärfer herauszuarbeiten, welcher den Partito Popolare unter der Führung von Don Luigi Sturzo mit allen Kräfte förderte.

Ein wichtiges Buch und schon so bald nach den Ereignissen erschienen. Ja wenn die damals halt gewusst hätten, was wir heute über den Faschismus wissen, gäbe es sicher keinen Krieg und keine Militärregimes mehr. Nun weiter so in der antifaschistischen Geschichtsforschung!

Herzlichen Dank für diesen Literaturtipp!
Eine Ergänzung:
Der Vatikan war später auch beteiligt an der Machtergreifung von Adolf Hitler. Dieser schaffte es ja 1933 nicht mit den Stimmen der NSDAP allein, an die Macht zu kommen. Dazu brauchte er zuerst die Stimmen der Konservativen (DNVP) zur legalen Herrschaft. Anschliessend ging es darum, welche Parteien gegen das Ermächtigungsgesetz Widerstand leisteten. Das waren am Schluss effektiv nur noch SPD und Kommunisten. Die katholische Zentrumspartei verließ namentlich unter dem Einfluss des Vatikans das demokratische Lager. Somit war die Diktatur Tatsache.
MfG
Werner T. Meyer
Quellen: Richard J. Evans: The Coming of the Third Reich (speziell Kapitel "Democracy destroyed") / The Third Reich in Power

Geld ist das Brecheisen der Macht! (Friederich Nietzsche)

Mag ja sein Herr Werner T. Meyer, aber bitte lesen Sie doch mal das Buch von Wolfgang Zdral. (Der finanzierte Aufstieg des Adolf H.) ISBN 978-3-8000-3890-9. … cathari

Die Verträge über die Zusammenarbeit der romtreuen, katholischen Kirche mit Hitler-Deutschland sind bis heute nicht gelöst. Mag das auch sein, Cathari?

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