Putin lädt nach Sotschi ein

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Putin lädt nach Sotschi ein

Von Pierre Simonitsch, 22.11.2017

Nach der Liquidation des „Islamischen Staats“ (IS) in Syrien zanken sich die Sieger um die Kriegsbeute. Hinter verschlossenen Türen und über abhörsichere Leitungen werden Deals angebahnt.

Am Montag und Dienstag telefonierte Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem US-Amtskollegen Donald Trump. Zuvor empfing er in Sotschi den Präsidenten Syriens, Baschar al-Asad. Für heute hat er die Staatschefs Irans und der Türkei, Hassan Rouhani und Recep Tayyip Erdoğan, in seine Sommerresidenz nach Sotschi eingeladen.

Ohne syrische Oppositionsgruppen

Offiziell stehen Deeskalationszonen, regionale Waffenruhen und die Rückkehr der Flüchtlinge auf der Tagesordnung. Alle Teilnehmer beteuern, weiterhin den auf der Syrienkonferenz der Uno in Genf beschlossenen Plan zu achten – nämlich die Wahrung der territorialen Integrität Syriens, die Bildung einer nationalen Übergangsregierung, die Schaffung einer neuen Verfassung und die Abhaltung freier Wahlen. Doch hinter den Kulissen wird über eine Aufteilung des Landes in Interessenszonen innerer und äusserer Mächte gefeilscht.

Die Akteure sind in Eile, denn am 28. November wird erneut die Genfer Syrienkonferenz zusammentreten. Putins Hyperaktivität zielt darauf ab, vor dem Treffen Weichen zu stellen. Etliche Beobachter vermuten dahinter die Absicht, mögliche Beschlüsse im Rahmen der Uno zu „umgehen“. Zu diesem Zweck trachtet Russlands Präsident, die syrische Opposition unter seiner Ägide an den Verhandlungstisch zu bringen. Er blieb bisher erfolglos. Die USA, die Türkei und Saudi-Arabien halten die in einer losen Allianz vereinigten rund 30 syrischen Widerstandsgruppen davon ab, mit Asad zu paktieren.

Vernebelte Differenzen beim Sotschi-Treffen

Das heutige Treffen zwischen Putin, Erdoğan und Rouhani vernebelt die Differenzen zwischen den drei Politikern. Grob dargestellt will Erdoğan das Entstehen eines autonomen Kurdengürtels entlang der türkischen Grenze mit allen Mitteln verhindern. Teheran ist im Syrienkrieg mit Soldaten verwickelt und versucht, zusammen mit der libanesischen Hizbullah einen Militärkorridor bis zum Mittelmeer zu schaffen. Dies wiederum beunruhigt Israel, das die 1967 eroberten und 1981 annektierten Golanhöhen in Gefahr sieht.

Iran und Saudi-Arabien kämpfen um die regionale Vorherrschaft, die USA und Russland um geostrategische Positionen. Moskau hat eine ganze Salve von Vorschlägen verschossen. Für vergangenes Wochenende lud die russische Regierung alle syrischen Konfliktparteien nach Sotschi ein. Das Treffen musste jedoch wie andere zuvor kurzfristig abgesagt werden, weil nur die mit dem Asad-Regime verbündeten Gruppen teilgenommen hätten. Auch der von Moskau erfundene „Astana-Prozess“ verlief im Sand.

Genfer Konferenz chancenlos?

Unter diesen Umständen scheinen nicht nur die russischen Initiativen, sondern auch die 2012 von der Uno einberufene Genfer Syrienkonferenz chancenlos. Während der letzten fünf Jahre tagten die syrische Regierungsdelegation und ihre Gegner ein einziges Mal am gleichen Tisch. Sie sprachen aber nicht miteinander, sondern beschränkten sich auf gegenseitige Beschimpfungen, die sie über den Vermittler der Uno austauschten. Der Sonderbeauftragte der Weltorganisation, der Algerier Lakhdar Brahimi, warf daraufhin das Handtuch

Seither hat sich die Lage noch wesentlich kompliziert. Die ganze Region ist in den syrischen Strudel geraten. Selbst der in Saudi-Arabien verkündete mysteriöse Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri scheint mit der Syrienkrise zusammenhängen. Hariri, ein sunnitischer Muslim, ist um die Wahrung des traditionellen politischen Gleichgewichts mit den Christen und Schiiten bemüht. Der saudi-arabischen Königsfamilie missfällt dieser Kurs. Sie verlangt eine Ausgrenzung der schiitischen Hizbullah, die von den Iranern militärisch und finanziell unterstützt wird.

Putins Diktum

Im Norden Syriens mischen sich Russland, die Türkei und Iran in die lokalen Angelegenheiten ein. Widerstand unter der Bevölkerung haben die Pläne der drei Staaten hervorgerufen, die von ihnen geschaffenen „Deeskalationszonen“, in denen Waffenruhen zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen gelten, durch eigene Soldaten überwachen zu lassen. Die Einheimischen befürchten, die russischen, türkischen und iranischen Truppen nicht mehr loszuwerden.

„Der Militäreinsatz kommt jetzt tatsächlich zu einem Ende“, sprach der weise Putin, „jetzt müssen politische Prozesse eingeleitet werden.“ Ob der Präsident Russlands und seine Gesprächspartner in Sotschi damit tatsächlich das Ziel eines freien, ungeteilten und demokratischen Syriens vor Augen haben, bleibt abzuwarten.

Das Beste was Syrien passieren kann ist, dass die "internationalen Akteure" wie KSA und der Iran das Interesse an ihrem Stellvertreterkrieg verlieren und aufhören, Geld, Waffen und Halsabschneider dorthin zu schicken.

Erinnern wir uns an die Kritik der Russen an der transatlantischen Vorgehensweise bei ihren "Demokratisierungs-" oder "state building-" Strategien welche Kissinger wie folgt zusammenfasste:
"Zuerst wollt ihr Assad und andere stürzen, das ist aber nicht das entscheidende Problem. Dann zerstört ihr die Zentral-Regierung, und dann werdet ihr wie im Irak die staatlichen Institutionen zerstören – und es gibt nichts mehr, was das Land zusammenhält. Und dann wird es zu einem noch schlimmeren Bürgerkrieg kommen. Aus dieser Problematik heraus hat sich die derzeitige chaotische Situation entwickelt." (Das unvollendete Drehbuch - Journal 21).
Die Russen versuchen konsequent einen Anderen Weg in Syrien zu gehen. Ob er besser funktionieren wird als die westlichen Strategien, wird sich in Zukunft zeigen. Im Irak verursachten die USA 1 Million Opfer und einen Flächenbrand der bis heute in der Region wütet. Falls Russland dies nicht toppen wird, haben sie es besser gemacht.
Das Russland auch Eigeninteressen in Syrien vertritt ist unbestritten. Der syrische Staat ist einer der ältesten Verbündeten von Russland in der Region. Begonnen wurde diese Zusammenarbeit unter einer demokratisch gewählten Regierung in den 50er Jahren welche von den USA hätte gestürzt werden sollen. Interessanterweise stützten sich die USA schon damals auf die islamistischen Muslimbrüder um die in Ungnade gefallene gewählte Regierung zu stürzen.
Es erstaunte also nicht, dass die vom Westen unterstützten Rebellengruppen Syriens regional- wie geostrategiesche Ausrichtung um 180° verändern sollten.

IS und die syrische Opposition sind ja nicht irgendwie aus dem Nichts entstanden und haben sich nicht selber finanziert und ausgerüstet. Wer war das und warum?
Und nun machen nach all den verheerenden Kriegsverbrechen und Massenmorden seit 9/11 mit hunderttausenden bis Millionen unschuldigen Toten in einem halben Dutzend nun zerstörter, zuvor friedlicher Länder, nebst all den anderen beteiligten Verbrecher-Regimes, noch diese korrupten Russen-Gangster einen auf Kriegssieger. Und die Kurden haben nach wie vor keinen eigenen Staat. Nach neuesten Messungen sind in Zentraleuropa/Deutschland 3/4 aller Insekten ausgestorben, nicht mehr auffindbar, wie 1/3 aller 9000 Schweizer Pflanzenarten seit den 90er Jahren auch nicht mehr. Da sage noch jemand, Weltuntergang gäbe es gar nicht.

An diesem Ereignis litten neben Syrien die Türkei und die EU-Länder. Erstaunlich, dass diese beiden in Sotschi nicht dabei sind. Oder mit anderen Worten; die EU hat schon wieder wie vor 25 Jahren im Balkan militärisch nichts bewirkt. Trotzdem gilt - politisch korrekt - das Mantra:
die EU ist ein Friedensprojekt...............

Letztendlich hängt alles an KSA und am Iran.
Wollen KSA und der Iran jetzt wirklich Frieden, was eher nicht anzunehmen ist, oder befeuern sie den Krieg in Syrien mit den üblichen Mitteln weiter an.
Erstaunlich ist, dass B. al-Assad ins Ausland reist, wenn auch nur nach Russland. Zum einen steht er auf dutzenden Sanktionslisten, zum anderen wetzen sämtliche arabischen Geheimdienste seit einiger Zeit die Messer.
Es wird in absehbarer Zeit ohnehin keinen Frieden in Syrien und in der ganzen Region geben. Leider. Und für Russland wird das, was als nächstes der gesamten Region bevorsteht, viel zu heiss und wird daher den Rückzug antreten.

Der Fairness halber kann man vielleicht erwähnen, dass es in den letzten Jahrzehnten bei keiner einzigen Intervention in einem arabischsprachigen Land - egal von welcher Seite - gelungen ist, Freiheit und Demokratie zum Sieg zu verhelfen. Entsprechend pessimistisch darf man auch in diesem Fall sein.

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