Verpufft?
Wie gross waren doch die Hoffnungen, die viele Italienerinnen und Italiener in Matteo Renzi gesetzt haben – in ihn, den stürmischen, jungen Ministerpräsidenten, den „Verschrotter“ alter Strukturen. Jeden Monat hat er eine neue Reform angekündigt. Jetzt ist er sechs Monate im Amt. Erreicht hat er fast nichts. „Grosse Klappe und sonst nichts“, sagen viele Italiener.
Italien bräuchte dringend eine radikale, schmerzhafte Strukturreform, eine tiefgreifende Arbeitsmarktreform, eine Lockerung des lächerlichen Kündigungsschutzes, eine Steuerreform. Die Verwaltung ist überdimensioniert und verkrustet. Der Politapparat ist aufgeblasen und selbstherrlich.
Niemand zweifelt an Renzis gutem Willen, doch seine Politik wirkt verfahren. Es gibt zu viele Baustellen, an denen gewerkelt wird.
Statt sich endlich voll und ganz auf eine Ankurbelung der Wirtschaft zu konzentrieren, verpufft viel Energie mit einer angestrebten Verfassungsreform, die zwar wichtig, aber nicht prioritär ist.
Was hat er denn getan, um die Wirtschaft in Fahrt zu bringen? Italien ist wieder in die Rezession gerutscht. Das BIP schrumpft um 0,2 Prozent. Die Staatsschuld wächst weiter, nur Griechenland ist noch mehr verschuldet. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 43,7 Prozent gestiegen. Die Lebensbedingungen haben sich nicht verbessert. Zwar hat er den Ärmsten 80 Euro pro Monat geschenkt, doch die holt er sich mit andern Steuern wieder rein.
Renzi allein die Schuld für das Debakel zuzuschieben, wäre jedoch falsch. Wer auch immer in Italien etwas reformieren will, stösst auf laute Opposition. Die Politiker zerzausen sich, die Gewerkschaften mauern. In jeder Tageszeitung steht mindestens zehn Mal das Wort „polemica“. Alle sind gegen alle. Jeder will sich gegenüber den andern profilieren. Man ist gegen alles und gegen jeden – und schlittert immer tiefer in die Krise.
Die Politiker befassen sich vor allem mit sich selbst, die Sorgen des Landes scheinen vielen egal. Am gleichen Strick ziehen, ist ihnen fremd. Vielleicht ist das in Italien nicht nur ein politisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Die eigene Familie, der eigene Clan zählt. Der Rest ist egal.
Jetzt, im zweiten Semester 2014, hat Italien die EU-Präsidentschaft inne. Jetzt will Renzi den EU-Stabilitätspakt aufweichen. Wenn sein keynesianisches Ankurbelungsprogramm nicht schnell Früchte trägt (und das kann es eigentlich nicht), ist es wohl um den Regierungschef bald geschehen.
An einen baldigen Aufschwung glaubt kaum jemand. Die Hoffnungen, die man in Renzi gesetzt hat, sind verpufft. Wer allzu viel verspricht und nichts hält, ist schnell abgeschrieben. Bald wird Renzi einmal stürzen. Auch eine neue Regierung – ob mit oder ohne Berlusconi – wird sich im Kreis drehen. Italien scheint reformunfähig.
Ich wusste von Anfang an, dass Renzi nichts zu Stande bringt. Er hatte die Kernprobleme leider gar nicht erst angesprochen. Ausserdem war sein Einstieg in das Amt ein Putsch, was ich nicht begrüsse.
Das Problem von Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern, und den andern kommenden Pleitestaaten ist, dass sie die falsche Währung haben. Der einzige Politiker der das In Italien zu sehen scheint ist Pepe Grillo.
Ich mag mich noch erinnern, als der Euro eingeführt wurde, handelte man die Währung deutlich höher als der Schweizerfranken. Damals dachte ich, dass dies falsch ist, denn kein einziges Euro-Land war über dem Franken angesiedelt. So kamen die Länder unter Druck, deren Währung deutlich tiefer war, da die Preise dem Euro angeglichen wurden, die Löhne jedoch nicht oder nur spät.
Wenn ich die Währung angesetzt hätte, wäre ich auf etwa 10- 20 Rappen pro Euro eingestiegen oder sogar noch darunter.
Dazu kommt, dass die EU versäumte, einen Finanzausgleich für schwache Regionen von Beginn weg einzuführen. Das war ein dummer Fehler, der geschulten Politikern eigentlich nicht passieren dürfte. Auch dass der Zins nicht in allen Regionen gleich gehandelt wird ist ein Problem, wobei dies bei den Kantonen unverständlicherweise ja auch so zu sein scheint. Dadurch wird der Konkurrenzkampf in der EU und auch in der Schweiz nur unnötig angeheizt.
Als dann 2007/8 die von allen Experten längst vorausgesehene Krise kam, reagierte die Politik komplett falsch, in dem sie die Länder zum Sparen (anders gesagt kürzen) verdonnerte, anstatt die Konjunktur anzukurbeln. Zudem wurden Geld bringende Staatsbetriebe privatisiert, die jetzt den Staaten fehlen um ihre eigenen Probleme zu lösen.
In Spanien gibt es aktuell einen Zwangssteuer von 0.003 Prozent auf jedes Bankkonto. Wenn also Spanien gute Zahlen meldet, sind die nicht über eine florierende Wirtschaft entstanden.
Für mich ist die EU auf der ganzen Linie gescheitert. Ich hoffe das Projekt wird nicht durch einen Krieg beendet.