Vertrauensbruch

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Vertrauensbruch

Von Daniel Woker, 16.01.2015

Nach dem 9. Februar 2014 entfernt sich die Schweiz am 15. Januar 2015 um einen weiteren grossen Schritt von Europa. Dies wird europapolitisch teuer werden. Zudem hat die SNB ihr gesamtes Vertrauenskapital verspielt.

Die Nationalbank ist unabhängig, aber gehört genau so wie andere Bundesorgane zum Staatswesen Schweiz. Dieses ist in erster Linie europäisch, weder politisch noch wirtschaftlich und noch viel weniger kulturell ein freischwebendes Gebilde, das dort angehängt wird, wo momentane Vorteile winken.

Die Nationalbank wird sich in den nächsten Tagen besser zu erklären haben, als dies Präsident Jordan bislang tat. Hauptgrund für die Abkoppelung des Frankens vom Euro scheint immerhin die Befürchtung gewesen zu sein, zwischen steigendem Dollar- und fallendem Eurokurs zerrieben zu werden. Mit dem radikalen Schritt der Kursfreigabe hat sich die Schweiz dem Dollarblock zu- und vom Euroraum abgewandt.

Völliges Unverständnis

Dem Euroraum, wohin weiterhin und für immer der Löwenanteil unserer Exporte geht und wohin vor allem die heute in der Industriefertigung üblichen internationalen Wertketten der schweizerischen Exportindustrie reichen. Entsprechend explosiv ist die Reaktion aus Industrie- und Tourismuskreisen ausgefallen. Bei allem Respekt vor der Nationalbank kommt klar das völlige Unverständnis durch, warum das grundsätzlich mit gutem Rückenwind segelnde Konjunkturschiff Schweiz von einem absichtlich heraufbeschworenen ‘Tsunami’ (Swatch-Chef Nick Hayek) völlig vom Kurs abgebracht wird.

Von verschiedenen Kommentatoren wird geltend gemacht, es hätte sich bei der Anbindung ja ohnehin, und für alle einsehbar, nur um eine temporäre Massnahme gehandelt. Wirklich? Bis am vergangenen Mittwoch war der Eindruck ein völlig anderer. Immer wieder wurde betont, gerade von den SNB-Verantwortlichen und dies offensichtlich ebenso öffentlich wie auch intern gegenüber Bundesrat und in internationalen Fachgremien, dass “alles getan wird, um den Mindestkurs aufrechtzuerhalten und zwar ‘as long as it takes’”. Die völlige Kehrtwendung zu einem Zeitpunkt grösserer Währungsunruhen passt dazu wie die Faust aufs Auge.

Was zügellose Spekulanten erwartet haben

Wie ein Forex-Händler, (alsoWährungs-Händler) in Zürich am Donnerstag in einem der zahllosen Interviews “von der Front’” ausführte, war dieser Entscheid, genau das, was zügellose Spekulanten erwartet haben und die SNB bis zum Mittwochabend kategorisch in Abrede gestellt hatte. Dass sie nämlich beim ersten grösseren Währungssturm umfallen würde. “Wer….., dem glaubt man nicht…..”; mit ihrem Entscheid hat die SNB den Spekulanten recht gegeben und bei zentralen Instanzen der internationalen Währungs- und Fiskalpolitik ihr Vertrauenskapital verspielt.

Es ist keineswegs einzusehen, warum die Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro nicht unbegrenzt hätte weitergeführt werden können, allenfalls mit minimen Anpassungen, wann nötig. Die gesamte schweizerische Wirtschaft ist eng und untrennbar mit dem europäischen Einheitsmarkt und seiner Einheitswährung verbunden. Es besteht ein einheitlicher rechtlicher und institutioneller Rahmen, der bis gestern auch die Währung umschloss und der sowohl für Grossfirmen, wie auch für schweizerische KMUs Voraussehbarkeit und Stabilität garantierte. Die nun wieder notwendig gewordene Absicherung von Währungsrisiken ist Gift, gerade für KMUs.

Überrumpelter Schneider-Ammann

Mit Blick auf letzere hat ein offensichtlich überrumpelter Wirtschaftsminister Schneider-Amann unterstrichen, wie wichtig nun eine schnelle Lösung des schweizerischen Problems der Freizügigkeit von Arbeitskräften gegenüber der EU sei. Man darf wohl davon ausgehen, dass durch diesen zweiten Tatbeweis von schweizerischem Autismus in Europa, die Bereitschaft von ‘Brüssel’ - sowohl Kommission als auch Mitgliedstaaten - mit der Schweiz eine pragmatische Lösung zu finden, sich noch weiter verschlechtert hat.

Das wäre dann ein schönes Beispiel, wie die vielgepriesene Unanhängigkeit unserer Notenbank wichtigen Landesintressen diamentral entgegenläuft. Wie sagte Jordan doch auch: “Man kann nicht alles haben.” Tatsächlich, die Schweiz wird nicht alles haben können: Alle Vorteile der vier europäischen Freizügigkeiten und trotzdem völlige Autonomie wenn wir das so beschliessen. Das Europa von heute funktioniert ganz anders.

Jene , die umfassend staatspolitisch denken wissen dies genau. Sie werden sich nun allenfalls fragen, warum sie zugelassen haben, dass der letzte, staatspolitisch denkende SNB-Präsident von SVP und Blocher aus seinem Amt gemobbt worden ist.

Präsident der Nationalbank Jordan
mußte überraschend handeln ohne
Vorankündigung der Abkopplung,
sonst hätte die EU und vielleicht sogar
die USA die übliche Erpressung-
Maschine angeworfen. So hatte Frau
Lagard keine Zeit für Drohungen und
Erpressung.

Ach, lieber Herr Woker, da kommt mir nur die Frage in den Sinn: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Ist sie so, wie Sie glauben, dass sie sei? Oder so, wie jemand anders es glaubt? Oder... Na ja, man könnte endlos darüber befinden.

Herr Woker, der Entscheid der SNB war ein mutiger und richtiger. Vor allem, dass er überraschend war. Das stärkt die Glaubwürdigkeit der SNB!

Uns wurde von Anfang an gesagt, dass die Fr. 1.20 nur vorübergehend sein werden. Dreieinhalb Jahre hatten die Firmen Zeit, sich darauf einzustellen; wenige haben es auch tatsächlich gemacht. Man hoffte, dass die 1.20 mindestens ewig halten würden.
Man kann deshalb durchaus sagen, dass sich hier einige verspekuliert haben, ohne bewusst Spekulant gewesen zu sein

Die Wirtschafts-Welt spielt sich je länger je weniger innerhalb der EU ab. Der Euro bricht sehr bald zusammen; das wird Ex-Wallstreetbanker Draghi schon noch hinkriegen. Dieses Szenario hat die SNB erkannt und das Ende mit Schrecken zeitgerecht vollzogen.

Dass der Dollar kurzfristig auch runter musste, ist erst auf den zweiten Blick klar. Ich persönlich würde bei anhaltender Dollarschwäche (welche übrigens nur eine Frankenstärke darstellt) etwa 15% weniger verdienen als noch im Dezember. Mein Vertrauen gilt aber dem USD. Der Dollar wird als weltweit einzig übriggebliebene, solide Leitwährung an Wert weiter zunehmen, die USA als Öl-Exporteur an Selbstvertrauen gewinnen.
Der Euro hingegen hat seine Glaubwürdigkeit mehr als verspielt. Brüssel und Frankfurt werden das Euro-Märchen bald irgendwie beenden müssen, denn hinter dem Euro steht kein einziges Gramm Gold, Rohstoffe oder Wertschriften, welche ihrem Namen gerecht würden.
Der Euro basiert nur auf Vertrauen. Kommt jetzt vielleicht sogar IMF Madame Lagarde? Würde zur Strategie passen.

Ende nächster Woche wird man uns die neue Marschrichtung verkünden. Es ist ein weiteres Kapitel einer so genannten "Schockstrategie". Die Geschichtsbücher sind voll davon.

Es ist vielleicht Zeit, dass die Schweiz mit den USA verstärkt zusammen arbeitet. Dort spielt in Zukunft nämlich die Musik. In Asien natürlich auch.
Die Europäische Union ist klinisch mausetot, und Herr Draghi ist ihr Bestatter. RIP.

Durch die Freigabe des Eurokurses wird sich der Einwanderungsdruck massiv verringern, das Problem der PF löst sich dann gewissermassen von selber. Und die MEI muss gar nicht umgesetzt werden, weil sich das Problem nicht mehr stellt. Lesen Sie bitte auch den Artikel von Markus Schärli, ebenfalls im Journal21, der genau die konträre Ansicht der Autoren Woker und Schenker vertritt. Lieber Ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, das gilt wohl auch für die enorme Verschuldung der EU-Länder.

Das sehe ich ganz und gar nicht so obwohl ich an der Börse auch massiv einstecken musste. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ich vermute, dass vor allem Spekulanten, die wegen dem auch nicht andeutungsweise angekündigten SNB-Entscheid auf dem linken Fuss erwischt wurden nun aus allen Rohren schiessen und die Glaubwürdigkeit der SNB anzweifeln. Und last but not least: Die EU "Gläubigen" haben wieder den Sündenbock bei der SVP und bei Blocher lokalisiert. Mehr als Hornberger schiessen? Kaum. T. Jordan wird es gelassen hinnehmen und in einer Woche nach Draghis neuen Ankündigungen bestätigt werden, dass der Entscheid richtig war!

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