„Willkommen in der Planwirtschaft 2.0“
Der besagte Inlandchef enerviert sich, dass der Bundesrat die jetzt ergriffenen Lockerungsmassnahmen als „neue Normalität“ bezeichnet. Normal sei gar nichts, sagt der NZZ-Mann, von „neuer Normalität“ könnte nicht gesprochen werden, denn die Wirtschaft leide schwer, Betriebe kämpften ums Überleben oder seien schon untergegangen.
Mit der verkündeten „neuen Normalität“ drückt der Bundesrat aus – und das verstehen alle so –, dass Betriebe und Einrichtungen wieder öffnen können, dass Veranstaltungen bis zu 300 Personen wieder erlaubt sind, dass wir wieder reisen dürfen, dass die Restaurants unter Auflagen wieder öffnen, dass Kirchgänger wieder in die Kirche dürfen, dass wir wieder unsere Enkel besuchen dürfen, dass bald auch wieder Fussball gespielt wird. Wichtige Schritte zur Normalität.
Aufgehobener Föderalismus?
Doch der NZZ-Mann faucht weiter. Er beklagt, dass die Kantone entmachtet worden seien. Der Föderalismus sei weitgehend aufgehoben. Dass dies eine sehr kurzfristige Massnahme zum Wohle der Bevölkerung ist, sagt er nicht. Die sogenannte Entmachtung der Kantone im Krisenfall sieht unser Staatswesen vor. Sogar der „Spiegel“ lobte die Schweiz, dass es angesichts der Pandemie kein „föderales Gerangel“ gab.
Der Bundesrat kann im Falle einer Epidemie die „ausserordentliche Lage“ ausrufen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben ihn im September 2013 in einer Volksabstimmung mit über 73 Prozent dazu ermächtigt. Zudem ist die bundesrätliche Politik von den demokratisch gewählten Abgeordneten des National- und des Ständerats gutgeheissen worden. Alle wissen, dass dies eine kurzfristige Massnahme ist, um der Pandemie zu begegnen.
„Antikonzept zur freien Markwirtschaft“
Jetzt entgleist der Inlandchef vollends. Wer sage, dass das eine „neue Normalität“ sei, der sei „von seiner Ideologie gesteuert“.
„Nur wer Zentralisierung – das heisst: die Verlagerung von Kompetenzen von den Kantonen an den Bund – von seinem Weltbild her ohnehin bereits gutheisst, spricht von ‚neuer Normalität‘.“
Nicht genug: Die Massnahmen seien „ein direktes Antikonzept zur freien Markwirtschaft“.
Karin Keller-Sutter auf den Knien vor Berset?
„Der Bundesrat verrät seine Ideologie“, schreibt der Inlandchef. Wohlgemerkt: „DER“ Bundesrat. Also alle sieben Bundesräte. Die fünf bürgerlichen Regierungsmitglieder sind also so schwach, dass sie sich von den zwei Sozialdemokraten über den Tisch ziehen lassen und plötzlich ein „direktes Antikonzept zur freien Marktwirtschaft“ unterstützen. Die urfreisinnige Karin Keller-Sutter auf den Knien vor Berset? Cassis, Parmelin, Maurer, Amherd – alles Schwächlinge, die jetzt nach der Pfeife der zwei Sozialdemokraten tanzen?
Die Schweiz ist bis in die letzten Fasern ein tief bürgerliches Land. Wer wittert, dass wegen der Corona-Epidemie der föderalistische Staatsaufbau und die „freie Marktwirtschaft“ abgeschafft werden, lebt in einer seltsamen Welt.
Nicht genug: Nun würden auch „Globalisierungskritiker und Sozialisten“ (nicht Sozialdemokraten, Red.) „sich freudig mit den rechten Abschottungsideologen“ vereinen. Überall sei von „Autarkie und Selbstversorgung“ die Rede. „Willkommen in der Planwirtschaft 2.0.“
Planwirtschaft 2.0. Das ist wohl das letzte, das die starke schweizerische Wirtschaft und die starken bürgerlichen Parteien zulassen.
Ein ganz kurzes aber sehr herzliches Bravo für Deinen Kommentar zum unsäglichen Artikel von Schönenberger.
Dem Chef von J21 tat der Lockdown nicht gut. Der Mann sollte wieder einmal an die frische Luft.
Ein Kommentar:
Der besagte Chef enerviert sich, dass es der NZZ nicht gefällt wenn der Bundesrat die jetzt ergriffenen Lockerungsmassnahmen als „neue Normalität“ bezeichnet. Normal sei gar nichts, sagt der NZZ-Mann,
Heiner Hug ist gegenteiliger Meinung und lamentiert ausführlichst. Das unausgegorene Epidemiegesetz muss dafür herhalten, die NZZ zu verunglimpfen.
Es muss eine Hornisse gewesen sein, welche hier zugestochen hat. Corona allein schafft das nicht ;)
"die starke schweizerische Wirtschaft" wie auch die globale, freie Marktwirtschaft wird auch nächstes Jahr den Reichtum der Vermögenden, wie jedes Jahr gemäss Credit Suisse Wealth Report, um 13% - 17% vermehren, während die Reallöhne stagnieren und die Masse der Niedriglöhner zunimmt, wie auch die Krankenkassenkosten, obwohl dank hundert Jahren moderner Wissenschaft und Medizin die Menschen ja jetzt gesunder und weniger krank sein sollten.
"Der Föderalismus sei weitgehend aufgehoben." Stimmt.
"Dass dies eine sehr kurzfristige Massnahme zum Wohle der Bevölkerung ist, sagt er nicht." Ob für kurz oder lang, keine Rechte mehr zu haben heisst keine Rechte mehr zu haben.
"Die sogenannte Entmachtung der Kantone im Krisenfall sieht unser Staatswesen vor." Warum? Was wurde dem Volk zur Abstimmung wieder vorgegaukelt?
"Sogar der „Spiegel“ lobte die Schweiz," ausgerechnet diese CIA kontrollierten Transatlantiker.
"Boy, everyone in this country is always running around yammering about their fucking rights. I have a right, you have no right, we have a right, they don’t have a right… Folks, I hate to spoil your fun but- there’s no such thing as rights, okay? They’re imaginary. We made them up! Like the Boogie Man… the Three Little Pigs, Pinocchio, Mother Goose, shit like that. Rights are an idea, they’re just imaginary, they are a cute idea, cute… but that’s all, cute, and fictional. But if you think you do have rights, let me ask you this, where do they come from?
...And rights aren’t rights if someone can take ’em away. They’re privileges, that’s all we’ve ever had in this country, is a bill of temporary privileges."
George Carlin – Rights And Privileges
Ich teile Ihr Kopfschütteln, Herr Hug, zur Meinung der NZZ bzw. ihres Inlandredaktors über die Corona-Politik des BR. Auch das heutige NZZ-Interview mit dem Direktor des Bundesamtes für Justiz bringt eine m.E. unausgewogen bundesregierungskritische Haltung zum Ausdruck. Es ist die NZZ, die jetzt ziemlich aggressiv "ideologisiert" - für mich ein journalistischer Qualitätsverlust namentlich angesichts des Anspruchs, welche die NZZ an sich selbst stellt..
Da denkt man mit Wehmut zurück an NZZ-Inlandchefs von anderem Kaliber, wie Thomi Häberling oder Matthias Saxer.
Danke Herr Hug, Sie sprechen mir aus dem Herzen. Es ist ja unglaublich, dass dieser NZZ-Mensch kein Vertrauen in unsere doch recht gefestigte Demokratie hat, auch wenn ausnahmsweise einmal der (ab und zu zweifelhafte) Kantönligeist nicht spielt. Unser Land geht deswegen nicht unter. Aber leider sind bei manchen Leuten nur Fränkli und Dollars eine wichtige Komponente des Staates.
Unser Bundesrat hat es aus seiner Sicht richtig gemacht. Im Nachhinein ist es leicht Kritik zu üben, besonders bei Leuten, die keine Verantwortung übernehmen müssen. Wie es auch gemacht wird, irgend eine Seite hat immer etwas zu meckern.
Es ist doch eigenartig, dass die vorgegebenen Umsatzziele und Gewinnansprüche der Marktwirtschaft nie mit einer Planwirtschaft in Verbindung gebracht werden!