bohumil hrabal

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tango : 6.56 — Ich beob­achte mei­nen Fern­seh­bild­schirm. Er ist so flach, dass ich meine, das bewegte Bild, wel­ches er emp­fängt, müsste trans­pa­rent sein wie ein Schmet­ter­lings­flü­gel. Ich könnte in die­ser Vor­stel­lung durch das Zim­mer lau­fen, um jene Sequen­zen, die von Kriegs­vor­be­rei­tun­gen, von chir­ur­gi­schen, begrenz­ten Luft­schlä­gen erzäh­len, von der ande­ren Seite her zu betrach­ten. Erin­nere mich an Bohu­mil Hra­bal, von dem berich­tet wird, er würde bevor­zugt hin­ter sei­nem Fern­seh­ge­rät Platz genom­men haben. Das muss zu einer Zeit gewe­sen sein, als Bild­schirme in den Rah­men mons­trö­ser Appa­ra­tu­ren hock­ten, Röh­ren­bild­schirme genauer, die noch explo­die­ren konn­ten. Indem Hra­bal sei­nen Bil­d­emp­fän­ger von hin­ten betrach­tete, han­delte er mit dem Aus­druck äußers­ter Ver­wei­ge­rung, er saß dort und konnte sich dar­auf ver­las­sen, kei­nes der emp­fan­ge­nen Bil­der sehen zu kön­nen, er war genau dort hin­ter jener Maschine, die die Bil­der erzeugte, vor den Bil­dern sicher. Viel­leicht hatte er über­dies das Fern­seh­ge­rät aus­ge­schal­tet, ich weiß es nicht, gern würde ich ihn fra­gen, ihm erzäh­len, wie ich das mache in die­sen Tagen, da ich nicht mehr sicher bin, Lüge von Halb­wahr­heit oder Wahr­heit unter­schei­den zu kön­nen. Wirk­lich, wahr­haf­tig ist die­ses selt­same, schmer­zende Gefühl, das ich bei dem Gedan­ken emp­finde, man könnte die Armee des Dik­ta­tors Baschar al-Assad bom­bar­die­ren, seine Flug­hä­fen, seine Flug­zeuge, Rake­ten. Es ist ein zufrie­de­nes, zustim­men­des Gefühl, ein Reflex, wie ich so in mei­ner fried­li­chen, siche­ren Woh­nung sitze, eine Tasse Kaf­fee in der Hand. Bald wan­dere ich in die Küche und brate mir einen Fisch, eine kleine Dorade. Ich höre die Stim­men der Kom­men­ta­to­ren vom Arbeits­zim­mer her, die wei­ter spre­chen, obwohl ich nicht da bin. Und ich höre den Regen, es reg­net tat­säch­lich, dann hört es wie­der auf. Vögel flie­gen vor­über. Auf der Scheibe eines Fens­ters sitzt ein Mari­en­kä­fer und nascht von den Res­ten einer Wespe, die ich einen Tag zuvor tötete, weil sie sich in der Dun­kel­heit mei­nem Bett näherte. — stop

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