Übersetzt man ›Veranda‹, ist
eine mögliche Bedeutung: ›Der sehende Junge‹. Willi kommt zu seiner Veranda
während des Vögelns. Diejenige, die da unter ihm zappelt – nicht weil es ihr
gefällt, sondern weil sie keine Luft mehr bekommt (so fest hat er sich in sie
gekrallt), heißt Ella. Ein wirkliches Abenteuer ist das nicht, sieht man einmal
davon ab, dass man der Dame in die Brustwarzen zu beißen hat, will man sie zum
Klimax führen. Der kündigte sich mit einem »jetztjetztjetzt« an. Der so über
ihren Leib Gestülpte, der nichts von ihrer erotischen Absonderlichkeit weiß,
mag sich da bereits heroisch bestätigt fühlen, das Ziel ist erreicht, der
Hengst gießt sich selbst aus und wälzte sich runter, um noch eine Mütze voll
Schlaf zu erhaschen, bevor der Morgen wieder klingelt, der Leib zur niederen
Tätigkeit geschunden wird. Die Mademoiselle macht Mathemusik, eine Muse der
mathematischen Zufälle auf der Geige, die Pausen singen von dem, was die
Materie auseinander treibt.
Ella ist nichts Festes, nicht
das »Ich-glaube-du-fehlst-mir-wenn-du-nicht-da-bist«-Ding. Sie hat ihren
Weggefährten (oder ihre Weggefahr, je nachdem) bereits gefunden, nur vögeln
will sie nicht mit ihm. Er schnarcht während des Beischlafs, was sich bisher
kein Oto-Rhino-Larynologe erklären kann. Aber am Wochenende gehen sie zum Tanz,
meistens dorthin, wo The Four Aliberts aufspielten. Ella ist mit den Jungs
vertraut, und wenn Willi nicht alle Sinne täuschen, kennen die Jungs wiederum
das Geheimnis ihrer Titten.
Willi aber kennt die
Arbeitszeiten des Gehörnten, was ihm dabei behilflich ist, keine Spuren zu
hinterlassen, weder in der Wohnung (er setzt sich beim Schiffen, rasiert sich
dort nicht), noch auf Ellas Körper (wie es drinnen aussehen mag, weiß Gott
allein, wenn er sich für sowas interessiert).
Willi bearbeitet Ella parallel
zur Renovierung der Wohnung, was schon mal Farbkleckse verursacht. Auch das
natürlich ein kosmisches System, nur lesen müsste man es können.
Eine gewöhnliche Kopulation löst
bei Willi keine Visionen aus, und schon gar nicht so eine, bei der er sich
nicht mehr auf das konzentrieren kann, was sich da unter ihm abspielt;
schließlich darf er seinen Einsatz (jetztjetztjetzt) nicht verpassen – und er
verpasste ihn nie.
Das Röcheln unter ihm wird immer
eindringlicher (zaghafte Faustschläge auf den Rücken), das Bild, das ihn eben
noch anrührte, wie die kratzlieblichen Töne einer Violine das Universum
anrühren (ach, das zauberisch verpackte Geiglein!), verschwindet wie eine
Seifenblase, löst sich nicht einfach auf, sondern fällt in schillernden Farben
zusammen. Erbost (wer visioniert denn schon nebenher den schönsten Traum, in
dem aller Kummer des Lebens den fernen Pastellen weicht, die zu erreichen dem
Sinnenden das einzige Prinzip?) springt er zunächst aus Ella und dann aus dem
Bett. Die um ehrliche Lust Betrogene zeigt einen japsenden Mund, gefüllt mit
heiß flüsternder Lava. »Bist du verrückt!« – wäre ja noch menschlich gewesen,
so aber erinnert sie Willi an jene Karpfen, die seine Großmutter jeweils zu
Ostern in einem Kräutersud servierte. Karpfen blau. Er war nie an das verdammte
Rezept herangekommen, obwohl sie ihm versprochen hatte, es ihm eines Tages zu
geben, dann nämlich, wenn er die ›große Fischküche‹ intellektuell fassen könne.
Doch sie starb ohne Federlesens, und das einzige, was sie hinterließ, war ein
Schrank voller Valium und Morphium, sowie ein steinhartes Brot im Brotkasten.
Willi (jetzt neben dem Bett
stehend) starrt sie an, sein Blick aber geht durch sie hindurch. Sind wir nicht
alle nur Atome, wild kreiselnd, dazwischen: nichts? Er möchte die Vision
wiederfinden, die Ella mit ihrem vermaledeiten Überlebenstrieb unterbrochen
hat. An manchen Tagen gelingt so ein Rückholkommando durch eine Tätigkeit, die
man Glotzen nennt. Glotzen: Ausschalten
jeglicher Ahnung von Realität (Wissenschaftliches Bewusstsein ist entfremdetes
Bewusstsein), in Erwartung eines geistigen Super-GAUs, einer Art Nirwana für
Ungeübte. Willi glotzt also auf das Wesen, das sich den Hals reibt, dann
kopfüber aus dem Bett heraus eine Menge Schleim zu Boden hustet (so viel drin
in einem Menschen!), dann nochmal etwas krächzt, aufsteht, ins Badezimmer
torkelt, schnieft und schnäuzt, sich hinsetzt und pinkelt.
»Das war eine Veranda!« murmelt
er seinen Händen entgegen, die – natürlich – leicht zittern. Er setzt sich auf
den Rand des heilbringenden Bettes und verbrennt sich die Nase beim Versuch,
sich eine Zigarette zu entflammen. Ella kehrt zurück, bleibt sicherheitshalber
in einiger Entfernung stehen, und – mal im Ernst: sie sieht aus wie eine
Vogelscheuche.