Mittwoch, 23. Februar 2011

Februar, Dreiundzwanzig, Elf

Aller Anfang ist ein Räuberfeld, das kann ich Ihnen sagen. In einer Zeit, da alles wieder einmal auf Einmal geschieht, wurde mir gerade noch rechtzeitig klar, daß ich die Spielzeit für den Guckkasten noch weiter nach oben steigern müßte. Es werden also mindestens noch drei weitere Stücke eingespielt, so daß die Spielzeit über eine Stunde beträgt. Auch das Cover – im Moment ein Provisorium, wird noch einmal geändert. Gehostet wird Erdton dann von Benjamin Stein, der unendliche Geduld bewies mit all meinen Quengeleien (für Programmierungen bin ich eindeutig nicht zu gebrauchen).

Was aber ist der Guckkasten jetzt konkret? Tatsächlich etwas, das ich nicht auf der Rechnung hatte, das als “Kataklysmus” oder “Kleine Knüller” bereits in den Wehen lag – vor Jahren. Surreal geht es zu, grotesk, absurd – neben den melancholisch-romantisch-lyrischen Abgründen eine Dimension, in die ich immer wieder gerate; während das komplizierte, unverständliche mir erst später gewachsen ist, begann ich – wie vergleichsweise Poe – mit Satiren, mit einer Art “scharfem Humor”, wie er auch dem Wiener Kreis eignete. Meine surreale Phase änderte alles – hin zu jeglichem Extrem, das ich bis heute zwar kaum verlassen habe, das ich aber vollfüllte mit Schwermut.

Im Grunde ist der Guckkasten ein Reset, oder: alles auf Anfang. Und dann macht das Ganze ja auch Spaß. Worum sollte es sonst gehen?

Sonntag, 13. Februar 2011

Making of a Poet / 4

Der Stein des Todes

Wir hörten vom Tod nur flüstern, jedes Wochenende klatschte jemand mit dem Auto an den Stein, auf dem Granitwerk Vates stand, gegenüber von der Katzenscheißefabrik, gegenüber von uns, als es noch nicht einmal eine richtige Straße gab. Später: die Teermaschinen stinken nach Lakritze. Das Schreien hörten wir nie, oder erinnerst du dich etwa? Das Knallen hörten wir, das Scherbeln. Vielleicht gingen alle, die dort starben, um, vielleicht waren sie die Gesichter im Wasser, die Gedärme der Aale, die Beute der Wölfe. Aber unter der Chaiselongue Ruhe, nur Staub. (Sandsteinburg)

Freitag, 11. Februar 2011

Making of a Poet / 3

Eine Dorflegende: Das Gasthaus 'Zum Egertal'

Im ‘Egertal’ stank es damals, gleich wenn man durch die Tür strauchelte, nach pissegtränktem Klostein. Nirgendwo auf der Welt habe ich je diesen nierigen Geruch erfasst, der jetzt freilich verschwunden ist. “Der Wirt hieß Konrad und als er starb, hieß die Wirtin Erna. Sie war die Wiedergeburt eines Perlhuhns aus dem 18ten Jahrhundert”, habe ich in meinem ersten Roman Seelen am Ufer des Acheron geschrieben. Tatsächlich ist das die erste Notiz, die je zum Acheron gemacht wurde. Ich war 15 Jahre alt und ich schrieb sie hier. Das verblüffende Bild, als ich von der Hohenmühle nach Schwarzenhammer fuhr: die Kulisse steht, aber die Menschen sind verschwunden. Das Dorf ein verlassener Jahrmarkt, die Requisiten vergessen.

Die Kulisse steht
Sicher, man hat das Schloss neu angepinselt, aber das hat man von jeher getan. Eine Imkerei ist eingezogen – eine homogene Veränderung. Es gibt gegenüber in der alten Schule einen Tanzsaal. Doch das sind keine abenteuerlichen Neuerungen innert 30 Jahren. Fast fürchte ich, mir zu begegnen, mich aber nicht zu erkennen. Denn wer ich bin und wer ich war – das sind mir zwei ungelöste Rätsel. Eines ist mir gewiss: man kehrt niemals zurück. Heute bin ich Beobachter, nicht darin enthalten in dem, was ich sehe. Ich sehe ja nichts Fremdes. Ich sehe mein Eigentum, mein erinnertes Eigentum. Ich sehe das Egertal, das für all meine Kneipen herhalten muss, und ich rieche das Gewaber aus dem Pissoir, obwohl es gar nicht da ist. Die Kneipe ist zu, die Tür aber auf. Natürlich gehe ich rein – in die Leere, in das unveränderte Gemäuer. Ich wäre beruhigter, wenn ich hätte sagen können: Früher war hier … Gut. Früher war hier – eine Lebendigkeit, die abgestorben ist.

Im Gespräch mit dem jetzigen Besitzer