Mittwoch, 3. Juni 2015
8. Jeu de Dames
Die Bälger krähten unter dem Bingo-Tisch, wohl wieder eine Murmel verschluckt, Heißa das Spiel – aber nein, da ist ja auch noch der Hund, ein Promenadier, der die Kuchenkrümel einsaugt, was schöner Sonntag, mit Holzspielzeug und Jeu de Dames, nach unten wabert das staubige Gelächter, trotz vorgehaltener Hand, wie beim Gähnen. Die Körper schütteln sich freundlich und der Hund schlabbert über die Gesichter, öffnet mit seiner lappenartigen Zunge die jungen Mäuler, um die restliche Spitzbubenmarmelade zwischen den Zähnen, auf den Lippen, zu erhaschen, eine Hand auf seinem Nacken, den Mutterfang imitierend, »Bongo, sei artig, Bongo... oder Kinder... kommt doch mal da raus!« Und Bongo kommt aus dem Tafelzelt, die Kinder bleiben. Aber was gesagt werden soll: Das Spiel heißt Schwedisches Steckhalma, und schon während dieser Vergnüglichkeit wurde klar, daß die beiden Kleinen – also, wer so brav unter der Tischdecke fläzt... das ist doch ein Zeichen!
Oben: Die Schwierigkeit hinter den Trauben. Sie wurden bereits vergoren, kaum erinnert sich Willi daran. Aus Faulheit das Erwachen keinem anderen zeigen. Halma als Heiratsvermittler, unentscheidbare Aussagen. Es geht hier um die Sucht, Glück zu haben. Willi und Ilene wurden abgenickt. Solange sie sich wie Brüderchen und Schwesterchen küßten, solange der Eine keine Flecken in das Bett des Anderen machte, blieb ihr wildes Gefummel unentdeckt, auch wenn Willi natürlich wußte, daß Ilene das Zeug nur schluckte, um eben nicht dauernd das Bett überziehen zu müssen. Trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, jemand hätte mit der Schrotflinte auf ihn gewartet und er ihr, vorzugsweise unter einem spionierenden Mond auf einer zappelichten Leiter stehend sagen können: »Paß auf! Da gibt es noch etwas, das muß ich unbedingt haben, sobald wir unbeschadet aus dieser Geschichte heraus sind – eine Veranda!« Weil ihnen in einer prekären Situation nichts anderes übriggeblieben wäre, als die Träume des vorzugsweise Geliebten so zu verstehen, als wären es die eigenen. Mord und Totschlag schweißen zusammen und manchmal auch eine warme Suppe. Und sie, vom Himmelfenster herab: »Oh!«
Diese Veranda, von der Willi im Insektendunst stehend schwärmte, wurde bereits am Tag nach seinem Geständnis zu ‹seiner Veranda›. Da hätte er es doch merken müssen, es gab kein Annehmen des Sternenfunkelns romantischer Luftschlösser, kein »Schwärmemännchen, ich folge dir!« Aber er merkte natürlich nichts. Er heiratete Ilene und zog mit ihr unter Rotz und Tränen der familiären (und unsterblichen) Belegschaft in das von jeglichem Verkehr gereinigte Quartier dieser gespenstischen Stadt, Vierzimmermitbalkon, Minergiebauklotz.
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