Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (112).
Ist nur dann sinnvoll, wenn Identität zugrundeliegt, also die Avatare nicht als Hecke verwendet werden, hinter die man sich duckt, um aus dem Hinterhalt Schlammbatzen zu werfen. Sondern man muß die Avatare fühlen, muß sie s e i n, muß ein Gefühl für ihre Persönlichkeit, auch für ihre Geschichte haben, die man darum k e n n e n muß. Dann werden aus Avataren Personen, literarische Personen. Dies verbindet das Literarische Bloggen sowohl mit Romanen als auch mit >>>> Rollenspielen, die imgrunde realisierte Romane s i n d. Bisweilen werden die physopsychischen Grenzen des „autonomen“ Subjektes dabei überschritten, so daß manchen Spielern nicht mehr bewußt ist, was (wer) sie „in Wirklichkeit“ sind. Nun ist aber diese Wirklichkeit durchlässig, >>>> Wie wirklich ist die Wirklichkeit? heißt ein Buch Paul Watzlawiks, das mich als jungen Mann ausgesprochen geprägt hat und am Anfang meiner Poetik der Desinformationen stand: >>>> Die Verwirrung des Gemüts (1983). Will sagen: das mittelalterliche Turmfräulein, das die Phantasie einer jungen Rollenspielerin konzstruiert hat, kann m e h r Wahrheit ausdrücken als ihre „realistische“ Existenz als MTA in einem Ärztehaus. Es kann ihr eine Reifung erlauben, die der auf Entfremdung bauende praktische Beruf verhindern, wegdrücken, abschleifen würde. Der literarische Spiegel hiervon k a n n der Avatar im Netz sein.
Es ist insgesamt zu bezweifeln, ob es eine einheitliche Identät von Menschen überhaupt gibt, ja je gab, ob nicht Spaltungen sogar lebensnotwendig sind. So daß man sich weiter fragen muß, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine einheitliche Identität zu verlangen, bzw. sie herzustellen. Wir erleben auch Welt als fragmentierte, und zwar in dem Moment schon, indem wir über unsere direkten Zusammenhänge, die materialistisch gefaßt werden können, hinausblicken. Hier gilt Lévi-Strauss’ bricolage: das Ich selbst ist bricoliert. Diesem ein einheitliches Ich entgegenzustellen, wäre vergeblich Illusion. Vielmehr ist die Fragmentierung des Ichs zu ergreifen, wie die marxistische Forderung umzusetzen, endlich über die Produktionsmittel selbst zu verfügen. Ich w i l l mich als fragmentierten: b i n Herbst u n d Ribbentrop u n d Daniello u n d Deters u n d Kerbmann u n d Bertrecht u n d Borkenbrod u n d (sogar!) Niamh of the Golden Hair. Ich bin es je in verschiedener Hinsicht. Daß es zwischen allen diesen ein Verbindendes gibt, ist außer Zweifel, allerdings ist dieses Verbindende selber ungefähr; man mag das mit der Unmöglichkeit vergleichen, zugleich den genauen Standort und die Zeit anzugeben, an der ein Elektron wann wo ist.