Echtbuch oder konfektionell hergestellte Blindbände ? Seit je beschäftigt uns in|ad|a|qu|at die flagrante Frage , womit Einrichtungshäuser für ihre Katalogfotos und Schauräume das nötige Buchmaterial akquirieren , welches dann in lockerer Streuung – es soll ja “wohnlich” und nicht “verkopft” wirken – den zur Schau gestellten Wohn- und Regalwände , Arbeits- und Relaxnischen appliziert wird .
Wie also bespielen etwa die weltweist 322 IKEA- Möbelhäuser ihre Regale ? – Da der “Buchschmuck” zur Deko zählt , folglich mit keiner Warenummer , keinem Preis und keinem Diebstahlschutz versehen ist , müssten Gegenstände dieser Art – sollten sich die Titel einer unspezifischen Beliebtheit erfreuen – ganz oben auf der Liste der kleptomanisch veranlagten Mitbürger zu stehen kommen .
Abgesehen davon , dass ein Coelho , eine Allende oder ein Dan Brown keine zwei Tage im Schauraum verblieben , sind auch Bestseller sozial konnotiert und nicht nur einem Einschluss- sondern ebenso einem Asschlussverfahren unterlegen . Ein solcher Ausschluss wäre natürlich Gift für den Schauraum , da mit dem als ausschliessend decodierten Buch das gesamte Regal verworfen würde .
Unser heimlicher Verdacht , dass mit der Weihnachtsbüchersammlung , welche Starbucks jedes Jahr inszeniert , in Wahrheit nicht etwa Witwen- und Waisen- , sondern Möbelhäusern zugute kommt , erhärtet sich immer wieder angesichts des realen wie symbolischen Nullwerts der solcherart gesammelten Bücher . Da kaum auszuschliessen ist , dass die Billigleister im Schichtdienst des Kaffee- IKEA ( “transportiere und bau Dir Deinen Kaffee selbst !” ) mitunter einen netten Fang machen und sich am vorvorvorletzten Reisser von James Patterson bedienen , liefert der sichtbare Bücherkorb der Sammlung im Schnitt das perfekte Buch ohne Eigenschaften , das man nicht einmal bei langen Wartezeiten in die Hand nehmen würden .
Und genau eine solche Auswahl wäre für Möbelhäuser ideal : Allerlei diffuses Zeug , das allerdings der Ästhetik halber allerdings einigermassen “wertig” rüberkommen muss , des Weiteren aber nicht den Greifreflex der Raumschauer triggern oder gar “Stammleser” dazu verleiten , einige aufeinanderfolgende Tage lang während der Mittagspause herbeizueilen , um – bequem auf einem Schauraumsofa ausgestreckt – das Schauraumbuch zu verschlingen . Dächte man dieses No- Go- Szenario multipliziert um die Anzahl der Filialen und Schauräume durch , gelangte man rasch zu bestürzenden Resultaten .
Grundsätzlich zählt das Raumschau- oder Schauraum- Buch- Syndrom ( siehe dazu grundlegend I. K. Ea : SRBD – Showroom Book Disorder . A Case Study , including Statistic Material from Various Sources – Almhult : Billy Press 1990 ) zum Critical Catalogue of Furniture Display ( CCoFD ) , welcher deviante oder dem Verkaufszweck adverse Kundenverhaltensweisen in Möbelhäusern listet .
Glücklicherweise sind Zeitgeist und Wohnmode keine statischen Entitäten , sondern in stetem Wandel , sodass sich neuerdings vermehrt andere , zur Warenpalette des Möbelhauses zählende und auch hinsichtlich der sozialen , ideologischen , generationellen und individuellen Konnotierungen neutrale Gegenstände in den Schauraum- Regalen der Raumschauen finden : Da sind sie nun , die in allen Variationen greifbaren und möglichst aus pflanzlichem Flechtwerk bestehnden Körbe und Körbchen , welche einerseits das Prinzip “Ordnung” symbolisieren , zugleich aber – qua echtem oder imitiertem Naturmaterial – den Hauch einer entspannten “Ökologie des Wohnzimmers” atmen .
Auch die – im Wohnbereich immer keusch “getarnten” – Arbeitsnischen benötigen in jüngerer Zeit keine Bücher mehr , um das Thema “Geistesarbeit” anzuspielen : der Laptop fungiert in diesem Kontext als gender- , alters- und ökonomisch unspezifisches Signalobjekt . Zumal auf der Fotografie . Im Möbelhaus selbst werden schauraumfähige Objekte aus dem Sortiment ( Zeitschnriftenordner ) an dieser kritischen Stelle plaziert , um die Kaufreize zu erhöhen . Der besagte Laptop bzw. das Signal ”dies hier ist ein Laptoparbeitsplatz” beruht allein auf den dementsprechenden Abbildungen im Katalog .
Da indes mittlerweile als statistisch erwiesen gelten kann , in wie hohem Masse der Content des aktuellen Katalogs im Mittelfristgedächtnis der Kunden verankert ist , sodass selbige von sich aus die “Leerstellen” im Schauraum quasi automatisch mit dem im Katalog zugeordneten Objekten ( recte : Laptop ) füllen , ist die im Schauraum reale Absenz der Symbolischen Objekte für den gut geschulten Kunden kaum wahrnehmbar .
Schliesslich bleibt die für Malls und Schauräume eiserne Regel des “in Eile Verweilens” oberstes Gebot : Trotz Probesitzen und haptischer Annäherung an die libidinös besetzten Objekte muss der Kundenstrom flüssig bleiben und darf nicht – wie von John Fiske ( Reading the Popular – London : Unwin Hyman Ltd 1989 ) eindrücklich herausgearbeitet – stagnieren bzw. durch unangemessen lange Verweildauern Sichtbarkeitseinschränkungen auf seiten anderer Kunden generieren .
Beides kann mithilfe von klugem Schauraum- Design in Kombination mit freundlichem Hilfs- , recte : Kontrollpersonal eingedämmt werden . Die nötige Literatur finden Sie in der Raumschau Ihres bevorzugten Möbelhauses .
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KLANGAPPARAT
Dass es sich doch mitunter lohnt , den Empfehlungen anderer Social- Net- Mitglieder nachzugehen , zeigt sich immer wieder neu auf Soundcloud , dem äusserst praktikablen Musiklieferdienst ( von dem extremen Streaming @ Spotify sei vorerst geschwiegen ) . Diesmal sind wir einem Hinweis des geschätzten Graintable nachgegangen und auf eine dynamisch spannende musikalische Skizze des nicht weiter spezifizierten Lorn ( “Woods , Antarctica” ) gestossen : in Kompression vs. Vollsound , hinsichtlich Melodiestimme und breitem Anklang in etwa dem Akkordeon verwandt , offenbart sich hier eine anregende kleine Soundstudie .
Pours (DRUGS) by Lorn
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- hrsg. von Christiane Zintzen
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