Ode an die Büroklammer

Wie fast alles, was aus der Zivilisation nicht mehr wegzudenken ist, haben die Sumerer die Büroklammer erfunden. Ich habe keine Ahnung, wie man sich das vorzustellen hat, falls die Steuererklärung auch damals schon so fett war – jedes Blatt eine Tontafel. Es muss ein Konstrukt von den Ausmassen meines Wäscheständers gewesen sein. Dass Büroklammern einmal Symbol des norwegischen Patriotismus und Zeichen der Königstreue waren, ist geradezu romantisch, besser als jedes Schweizer Sackmesser. Ich mag Büroklammern sehr. Ich habe immer ein paar Nobelexemplare auf Lager für feierliche Post und massenhaft billige, um denen vom Steueramt meine Verachtung mitzuteilen (da ich ja nicht den Wäscheständer schicken kann). Als Kinder haben wir uns aus Büroklammern Halsketten und Armreife gebastelt, sogar Ohrringe, nachdem wir uns die Ohrläppchen mit Nähnadeln gelocht hatten. Damit blieb man dann des öfteren schmerzhaft hängen, denn die Klammerketten konnten nicht lang genug sein. Heute fädle ich Büroklammern zusammen, wenn ich mal wieder vergeblich versuche, mir das Nägelkauen abzugewöhnen oder weniger zu rauchen, oder wenn die Noppenfolie ausgegangen ist oder wenn ich mit oder ohne Grund nervös bin (macht sich recht gut im Vorzimmer einer Behörde oder eines Personalchefs). Man kann mit Büroklammern eine Leimtube entstopfen, Schlösser knacken, Schinkenscheiben ordentlich beisammenhalten, Dreck unter den Zehennägeln hervorpulen (die Fingernägel sind kurzgefressen, aber an die Zehen kommen die Zähne nicht ran). Es gibt nicht viel, was man mit Büroklammern nicht tun könnte. In unserer Familie kursierte sogar die Legende von einer elfenschönen Sekretärin, die an einer Büroklammer erstickt sei, weil sie während der Arbeit säckeweise Erdnüsse vertilgte, in die in der Hitze des Diktats auch hin und wieder Büroutensilien hineinfielen. Die Büroklammer kennt nur ein einziges Tabu: sie darf nie, niemals als Buchzeichen missbraucht werden.

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