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Professor Challenger – Das Genie im Schatten von Sherlock Holmes

Sein Körperbau, seine Wucht und furchteinflößende Erscheinung waren einmalig. Er hatte einen enormen Kopf, den größten, den ich je bei einem Menschen sah. Ich bin gewiß: Falls ich gewagt hätte, seinen Zylinderhut aufzuprobieren, so wäre der mir bis auf die Schultern gesunken. Er hatte ein Gesicht und einen Bart, die mich an einen assyrischen Bullen erinnerten; das erstere gerötet, der letztere so schwarz, dass er fast blau wirkte, spatenförmig und wellig bis zur Brust reichend. Sein Haar trug er eigenartig, vorn in einer langen gebogenen Locke über seine massive Stirn geklebt. Die Augen, blaugrau, unter großen und schwarzen Büscheln, blickten sehr klar, sehr kritisch und sehr gebieterisch. Sonst sah man oberhalb des Tisches nur noch seine weit ausladenden Schultern und einen Brustkorb wie ein Faß, sowie zwei riesige, mit langen schwarzen Haaren bedeckte Hände. Dies alles und eine gewaltige Donnerstimme waren mein erster Eindruck von dem berüchtigten Professor Challenger.

Zugegeben ein Adonis ist Professor Challenger nicht, und wer den ersten Roman mit dieser schillernden Persönlichkeit gelesen hat, der weiß auch, dass dieser Gelehrte nicht unbedingt ein Ausbund an Sympathie und Einfühlsamkeit ist. Nicht umsonst erschien die deutsche Ausgabe von „Die vergessene Welt“ im Bertelsmann Verlag unter dem klangvollen Titel „Der streitbare Professor“. Erst wer das komplette Abenteuer auf dem Felsplateau im südamerikanischen Dschungel gelesen hat, lernt den vielschichtigen Charakter des egozentrischen Professors ebenso zu schätzen, wie seine Gefährten, die das waghalsige Unternehmen an seiner Seite bestritten haben. Geschrieben wurden die Abenteuer mit Professor Challenger von Sir Arthur Ignatius Conan Doyle (22.05.1859-07.07.1930), der auch den größten Detektiv aller Zeiten ersann – Mr. Sherlock Holmes. Ebenso wie die Fälle von Holmes, aus der Sicht seines besten Freundes Dr. Watson geschildert wurden, stellte er Professor Challenger, einen gewieften Chronisten zur Seite, der seine Abenteuer und Entdeckungen auf Papier bannte und der Nachwelt überließ. Dieser Chronist war der junge Reporter der Daily Gazette, Edward Malone. Der meldete sich freiwillig zu der Expedition in die vergessene Welt, um eigentlich einer Frau zu imponieren, die er zu ehelichen gedachte, die aber nur willens war seine Gattin zu werden, wenn er einen Beweis seiner Tapferkeit und männlichen Abenteuerlust vorweisen könnte. Nachdem Challenger, dessen Rivale in Sachen Wissenschaft, Professor Summerlee, der Großwildjäger Lord John Roxton und Edward Malone von dieser gefahrvollen Reise wiederkehrten, musste der Reporter allerdings mit Bitterkeit feststellen, dass seine Angebetete in der Zwischenzeit einen Buchhalter geheiratet hatte. „Die vergessene Welt“ ist also nicht nur ein äußerst unterhaltsamer und amüsant geschriebener Unterhaltungsroman, sondern auch eine wunderbare Parabel auf das tägliche Leben und aus zwischenmenschlicher Sicht immer noch aktuell. Auffallend ist die Detailliertheit, mit der Doyle den Charakter Challengers dargestellt hat. Mühelos lässt sich aus den insgesamt fünf Erzählungen ein kompletter Lebenslauf des streitbaren Professors rekonstruieren. Geboren wurde George Edward Challenger 1863 in Schottland. Er besuchte die Largs Academy und studierte an der Edinburgher University, bevor er 1892 Assistent am British Museum wurde. Er verfasste mehrere wissenschaftliche Arbeiten und erhielt mehrere Auszeichnungen und Preise für seine Erfolge auf den Gebieten der vergleichenden Anatomie und der Zoologie. Er heiratete um 1900 herum seine Frau Jessie, die 1905 ihre gemeinsame Tochter Enid gebar. Trotz seiner Rüpelhaftigkeit, seines monströsen Egoismus’ und seiner Launenhaftigkeit besitzt Challenger einen messerscharfen Verstand und einen weichen Kern, was ihn mit Sherlock Holmes verbindet, der ähnliche Charakterzüge aufweist, auch wenn dieser nicht annähernd so jähzornig ist. „Die vergessene Welt“ ist die erste und zugleich umfangreichste Erzählung mit Professor Challenger und gehört auch heute noch zu den bekanntesten und besten Erzählungen Doyles. Nicht zuletzt wegen der vielen Verfilmungen. Darüber hinaus wurde „Die vergessene Welt“ auch kongenial vertont. Zum einen als Hörspiel von Frank Gustavus mit einer traumhaften Besetzung und einem schlichtweg genialen Drehbuch, dass sich nahe an die literarische Vorlage hält, aber dennoch notwendige Änderungen in Hinsicht auf wissenschaftliche Korrektheit und Dramaturgie enthält. Des Weiteren ist die Novelle auch als leicht gekürzte Lesung aus dem Audiobuch-Verlag erhältlich. Sprecher ist der unvergleichliche Hubertus Gertzen, der Challenger und seine Gefährten witzig und unterhaltsam darzustellen vermag.
„Die vergessene Welt“ erschien im Jahr 1912. Ein Jahr später, und drei Jahre nach der fiktiven Expedition nach Südamerika, kommt es zu einem erneuten Zusammentreffen der vier Kameraden, denn Challenger hat mit Schrecken erkannt, dass die Erde auf einen kosmischen Giftstrom zusteuert. Dank mehrerer Sauerstofftanks, gelingt es Challenger, seiner Frau Jessie, Summerlee, Roxton und Malone „das Ende der Welt“ (auch: Im Giftstrom, The Poison Belt) unbeschadet zu überleben. Eine geplante Hörspielfassung für das Radio wurde abgelehnt, denn die Autofahrt durch das verwüstete England führte durch eine Gegend, die gerade von deutschen Raketen versehrt worden war. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe von „Professor Challenger und das Ende der Welt“ aus dem Bastei Lübbe Verlag von 1981 zitiert Michael Görden den englischen Produzenten John Dickson Carr: „Wenn eine Geschichte so überzeugend ist, dass eine wissenschaftliche Gesellschaft sie ernst nimmt und eine Radiogesellschaft sie für so realistisch hält, dass man ihre beeindruckendsten Szenen nicht senden kann, bedarf es keiner weiteren Bestätigung ihrer überragenden Wirkung.“
Auch wenn die Geschichte eine gänzlich andere Richtung als „Die vergessene Welt“ einschlägt ist „The Poison Belt“ von beklemmender Intensität und Eindringlichkeit, auch wenn gerade zu Beginn der Geschichte der typische Humor Doyles hervorragend zu Tage tritt. 1926 wurde die Erzählung „Das Nebelland“ (The Land of Mist) veröffentlicht. Dort recherchieren Edward Malone und Challengers Tochter Enid in Sachen Geister und Spiritismus und können letztendlich auch den alten Skeptiker G.C. Challenger von der Existenz der Gespenster überzeugen. Immerhin lag dieses Thema auch dem Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle seit jeher sehr am Herzen, war er doch selbst Mitglied mehrerer spiritistischer Zirkel. Am Ende der Geschichte heiraten Enid Challenger und Edward Malone übrigens, auch wenn über ihr weiteres gemeinsames Leben nichts bekannt wurde.
Irgendwo zwischen Science-Fiction und Fantasy ist die nächste Geschichte mit Challenger angesiedelt, die als einzige nicht aus der Sicht von Edward Malone geschildert wurde. „Als die Erde schrie“ beziehungsweise „Die Erde schreit“ (When the World Screamed) beschreibt ein Experiment Challengers, in dem er den Erdkern anbohren lässt, um der Erde die Existenz von Professor George Edward Challenger bewusst zu machen. Ein Unterfangen, dass dem Kauz vortrefflich gelingt. Sir Arthur Conan Doyle publizierte diese Geschichte im Jahr 1928.
„Die Desintegrationsmaschine“ (The Desintegration Machine) wurde im Jahr 1929 veröffentlicht, ein Jahr vor dem Tod des Autors. Professor Challenger, der eigentlich an einer wichtigen Gegendarstellung zum Thema der larvalen Entwicklung tropischer Termiten arbeitet, und Malone besuchen einen Wissenschaftler, der eine gefährliche Maschien entwickelt hat, mit der Gegenstände und Lebewesen in ihre Atome zerlegt und wieder zusammengesetzt werden können. Der dubiose Erfinder beabsichtigt seine Desintegrationsmaschine der meistbietenden Nation zu verkaufen. Obwohl Challenger von der Technik des Geräts sichtlich beeindruckt ist, kann er dies natürlich nicht zulassen. In dieser Geschichte, die zehn Jahr vor dem zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, warnt Doyle bereits eindringlich vor der schrecklichen Gewalt von Massenvernichtungswaffen und beweist damit eine ähnliche visionäre Weitsicht, wie seine Autorenkollegen H.G. Wells und Jules Verne. Die Abenteuer von Professor Challenger bezeugen, dass Arthur Conan Doyle das Handwerk der Unterhaltungsschriftstellerei perfekt beherrschte und es verstand, nicht nur kurzweilige Detektivgeschichten zu schreiben, sondern auch durchaus anspruchsvolle Science-Fiction- und Abenteuergeschichten.

Quellen:
Arthur Conan Doyle, Die vergessen Welt, 5. Auflage, München 1977
Arthur Conan Doyle, Professor Challenger und das Ende der Welt, Bergisch Gladbach 1981
http://www.epilog.de/


29. Mai. 2009 - Florian Hilleberg
Genre: Literatur

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