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„Wie kann man nur Varelian heißen?“

„Wie kann man nur Varelian heißen?“ „Wie kann man nur Varelian heißen?“
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Über das Unbehagen an der Namensgebung in der Fantasy



„Stell dir mal vor: Unsere Zivilisation geht unter – und alles, was der Nachwelt erhalten bleibt, sind meine Bücher. Was würden die dann wohl von uns denken?“
Mein Vater grinst. „Die würden denken: Mein Gott, was hatten die damals für bescheuerte Namen.“
Danke.


Als Fantasy-Autor muss man sich wohl daran gewöhnen, dass sich Otto Normalleser offenbar lieber von Drachentötern erzählen lässt, die Fritz oder Karl heißen. Oder allenfalls noch Sigurd. Meine Helden heißen Ardua, Lournu, Orh und Varelian. Aber was zum Donnerdrummel ist eigentlich so kompliziert daran, dass Onkel und Tanten, „ernsthafte“ Literaturliebhaber und Schöngeister damit so große Probleme haben?
Meine Mutter spricht mit Ausnahme des Satzes „I want to have a cup of tea“ kein Englisch. Trotzdem habe ich sie noch nie darüber jammern hören, welch unaussprechliche Namen Rosamunde Pilcher in ihren Romanen verwendet. Und wenn ich den Fernseher und das Radio einschalte und von Leuten höre wie Xavier Naidoo, Cosma Shiva Hagen, Osama bin Laden, Condoleezza Rice oder ihrem Chef, Herrn „Dabbelju“, der inzwischen von einem nicht minder exotisch klingenden Barak Obama abgelöst wurde – klingt das etwa nicht genauso wie das Personal eines Fantasy- oder Science-Fiction-Epos?
Als ich acht Jahre alt war, begann ich damit, Karl May zu lesen. Meine Helden hießen Winnetou und Klekih-Petra, Intschu Tschuna, Nschotschi, Ribana und Kakho-Oto. Ich kämpfte gegen Tangua, To-Kei-Chun, Tusahga Saritsch und Kiktahan-schonka, gegen Ovuts-avaht, gegen Tokvi-kava und seinen Sohn Ik Senanda, der sich, um vertrauenswürdiger zu erscheinen, das Pseudonym Yato Inda zulegte. Da waren Wagare-Tey, Wokadeh und Schahko-Matto, Nitsas-Ini, Schi-so und Nale-Massiuv. Wo blieben da die feinsinnigen Namenspuristen? Wer rettete mich vor Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Davuhd al Gossarah oder vor Pippilotta Viktualia Rollgardinia Schokominza Ephraimstochter Langstrumpf? Als Grundschüler war ich durchaus in der Lage, solche Wortungetüme zu schlucken – und hatte obendrein noch einen Heidenspaß daran.
Ich denke nicht, dass die Namen in der Fantasy grundsätzlich komplizierter sind als in einem durchschnittlichen US-Krimi. Aber da das „anrüchige“ Genre Fantasy von vielen einfach nur als realitätsfremd empfunden wird, färbt diese „gefühlte Unsinnigkeit“ offenbar auch auf die Wahrnehmung ab. Ein und der selbe Name wirkt in einem Fantasy-Milieu völlig anders als in einem „seriösen“.
Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie eine Mittvierzigerin aus meiner Verwandtschaft reagierte, als ich ihr eines meiner ersten Manuskripte zeigte. Eine junge Elfe namens Lyssa versuchte, ihrer Menschenfreundin bei den Hausaufgaben zu helfen. „Lyssa, Darwin, Pythagoras“, beschwerte sich meine Leserin. „Musst du dir immer so komplizierte Namen ausdenken?“ Wäre ihr der „Evolutions-Erfinder“ Darwin in einem biologischen Fachbuch oder Pythagoras, der Urvater aller Dreiecksberechner, in einem Mathematik-Buch begegnet, sie hätte nicht einmal gestutzt.
Als Lokaljournalist habe ich gelegentlich auch in Kindergärten zu tun. Mich haut gewöhnlich nichts um – aber wenn ich in meiner Zeitung schreiben muss, wie die Jungen und Mädchen heißen, schwitze ich jedesmal Wasser und Blut. Und wenn ich dann zwischen den Mädchen Afroditi, Dalida, Zöhrenur, Alia, Amera, Cynthia, Desminte, Domino, Noreen, Philiet-Tinga, Senada und Yedda und den Jungen Gianluca, Jamie, Sunny, Fynn, Sky-Maurice, Chalat, Devin, Eloy, Malik, Morten, Tituz, Zamir und Zinar stehe und mich völlig allein gelassen fühle, dann sehne ich mich nach Helden wie Ardua, Lournu, Orh und Varelian.


16. Mar. 2010 - Petra Hartmann
Genre: Artikel

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