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Der Kult

DER KULT
DER KULT

Adrian Doyle
Roman / Mystery

Bastei

VAMPIRA: Band 7
Heftroman, 64 Seiten

Jul. 2011, 1.60 EUR

Rani öffnete die Augen. Zuerst glaubte er, ein Mondstrahl habe seine Nase gekitzelt. Lücken im Dach gab es genug, und die silberne Sichel hing majestätisch über dem Schattenkranz der Siebentausender. Doch dann wiederholte sich das Geräusch, das er noch nie zuvor in seinem Leben gehört hatte.
Vorsichtig richtete sich der Junge auf. Seine Ellenbogen versanken tief im Stroh. Die Wolldecke rutschte bis zum Nabel.
Es war eine Nacht voll behaglicher Kälte, knapp über dem Gefrierpunkt. Da Rani selten fror, empfand er die Klarheit der Luft als höchst angenehm. Er habe gutes Blut, hatte ihm schon sein Vater versichert; nicht ganz ernsthaft gemeint vielleicht, aber Rani hielt sich gern an solchen Sätzen fest. Mehr als die Erinnerung und die Aufgabe war ihm von seinem Vater, der auch sein Vorgänger gewesen war, nicht geblieben.
Die Aufgabe an sich war scheußlich. Rani wurde nicht gern an sie erinnert, obwohl er sie gestern erst zum zweitenmal erfüllt hatte. Mit einem Sack voller Scherben hatte er den Pfad zu den Tempelanlagen erklommen und den Inhalt des heiligen Obelisken eine Meile über dem Dorf in den vorgesehenen Felsspalt geschüttet.
Als er Stunden danach ohne die fluchbeladene Last zurückkehrte, war noch nicht bekannt gewesen, wen aus ihrer Mitte das "Scherbengericht" diesmal getroffen hatte. Spätestens nach Tagesanbruch aber würde es sich wie ein Lauffeuer in den Hütten, auf den Plätzen und in den Reisfeldern herumsprechen.
Rani sah sich um. Seine Augen gewöhnten sich an das karge Sternenlicht. Mutter und Geschwister schliefen in greifbarer Nähe. Sie waren von den seufzenden Klängen nicht erwacht, obwohl deren Lautstärke beharrlich anschwoll.
Nichts, was als Verursacher der unheimlichen Töne hätte gelten können, hielt sich in der überschaubaren Hütte auf.
Rani erhob sich. Das löchrige Hemd, in das er schlüpfte, begleitete ihn seit Jahren überall hin. Ebenso die fadenscheinigen Stoffschuhe, deren abgelaufene Sohlen fast mit einer Briefmarke konkurrieren konnten. Ehe er die Hütte verließ, band Rani die Kordel fest um die Hüfte zusammen, um zu verhindern, dass ihm seine Hose auf die Knöchel fiel.
So trat er in die klare Nacht hinaus. Eine Sternschnuppe zog ihre Spur über das Firmament – und erlosch. Irgendwo scharrten Hufe von Pferden oder Ochsen in offenen Pferchen.
Der Ursprung der seufzenden Stimmen war immer noch nicht zu bestimmen. Aber Rani sah etwas anderes, was seinen Atem stocken ließ.
Etwa in der Mitte des Dorfes glomm ein fremder Schein, der sich hartnäckiger hielt als der der Sternschnuppe von eben. Eines der geduckten Häuser war von einer gespenstischen Aura umgeben!
Rani war noch nie mit etwas Unheimlicherem konfrontiert worden. In seiner Aufregung kam er gar nicht auf den Gedanken, sofort auf dem Absatz kehrtzumachen und seine Familie zu alarmieren.
Kein Ton drang über seine Lippen. Die Beine setzten sich wie von allein in Gang. Sie zwangen den Jungen auf das glutrot erhellte Steinhaus zu, obwohl es ihn in diesen Augenblicken vor nichts mehr grauste als vor gerade diesem Spuk!
Der Seufzerchor dröhnte unter Ranis Schädeldecke. Vergeblich fragte er sich, warum er der einzige war, der ihn hörte und etwas unternahm.
Durch die schwindende Nacht eilte er auf das Haus zu. Er hatte Angst wie nie zuvor. Kalter Schweiß glitzerte auf seiner Haut, und doch spürte er weder ihn noch die niedrigen Temperaturen.
Die Tür des Hauses stand einladend offen. Dahinter war ein roter Schein. Die Öffnung atmete Rani förmlich ein, und zum erstenmal zog er in Betracht, alles nur zu träumen.
Der erste Raum, in den er stolperte, war verlassen. Doch kurz darauf begegnete der junge Nepali dem Tod in seiner scheußlichsten Gestalt.
Ein Wahnsinniger musste die Bewohner des Hauses – die Rani kannte wie jeden anderen im Ort – getötet und sich dabei offensichtlich in einen Blutrausch gesteigert haben. Er hatte die Menschen nicht einfach nur ermordet, sondern hingemetzelt. Alle Brustkörbe waren geöffnet worden.
Rani konnte nicht fliehen. Er wachte auch nicht aus einem Alptraum auf. Er wankte weiter – und fand im nächsten Raum die geraubten Herzen derer, die er zuvor entdeckt hatte. Sie waren wie zu einem Ritual übereinandergeschichtet worden.
Gerade als sich Rani mit Grausen abwenden wollte, trat etwas hinter den blutigen Organen hervor. Obwohl es eigentlich viel zu groß war, als dass es sich dahinter hätte verbergen können. Im selben Moment verstummten die Seufzer in Ranis Kopf, von denen er wie beiläufig begriff, dass es Seufzer der Ermordeten sein mussten.
Die Gestalt, die sich dem Jungen näherte, war in eine rote Kapuzenkutte gehüllt. Wenn man die Größe als Maßstab nahm, handelte es sich zweifelsfrei um einen Erwachsenen.
In Ranis Bauch bildete sich ein Knoten. Er ahnte, dass er der nächste war, der sterben würde. Aber auch diese Überzeugung verlieh ihm nicht die Kraft, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Aus geweiteten, starren Pupillen erwartete er das Unausweichliche.
Unter der weiten Kapuze schimmerte es zunächst wie raureifüberzogene, gefrorene Schwärze.
Als die Gestalt die Arme ausbreitete, fiel die Dunkelheit wie ein Vorhang von ihrem Gesicht.
Was dahinter zum Vorschein kam, ließ Rani fast das Blut in den Adern gerinnen.
Der Kopf der Gestalt war vollständig von etwas umgeben, das wie gegerbte Tierhaut aussah, die jemand mit etwas Garn zu einer schrecklichen Maske zusammengenäht hatte. Nur Augen und Mund waren frei. Aber was durch die Schlitze schimmerte, wirkte nicht einmal entfernt menschlich.
Eine Hand, ebenfalls mit Haut überzogen, fuhr dem Jungen entgegen und legte sich schwer auf sein Haupt. Rani ging in die Knie. Die Last des ganzen Hauses schien ihn plötzlich niederzudrücken. Fremde Gedanken mischten sich unter seine eigenen.
Er erfuhr, was er zu tun hatte.
Als er den Ort des Massakers verließ, war die lockende Aura um das Haus verschwunden.
Rani wartete bis zum Morgengrauen, ehe er die Bewohner des Dorfes zusammenrief und ihnen von der Freveltat berichtete.
In diesen Stunden verlor er endgültig seine Unschuld. Mit seinen zehn Jahren war er über Nacht gereift, und Freunde von gestern kannten ihn nicht mehr...

Szenentrenner


Er kam aus den Schatten. Und war selbst nicht viel mehr als ein Schemen, die Illusion eines Mannes. Doch mit jedem Schritt, den er näherkam, wurden seine Konturen deutlicher, gewann sein nackter Körper an Substanz.
Die junge Frau blickte ihm erwartungsvoll entgegen.
Auch sie war bar jeder Kleidung – und nicht nur das. Ebenso nackt waren ihre Gedanken. Sie war ohne jede Erinnerung... ja, sie wusste nicht einmal, wer sie selbst war. Ihr ganzes Denken war vollständig auf die hochgewachsene, schlanke Gestalt fixiert, den Mann, der sie nun erreichte, den rechten Arm hob und über ihre Wange strich.
Sie ließ es geschehen. Sie hatte keinen eigenen Willen. Sie existierte nur für den Augenblick.
Er lächelte. Sein feingeschnittenes Gesicht spiegelte einen enormen Erfahrungsschatz wider. Besonders auffällig war ein fingerlanges, kreuzförmiges Stigma auf der linken Wange, das wie rohes Fleisch schimmerte. Sie fuhr mit einem Finger darüber, während seine Hand tiefer glitt, ihren Hals entlang, hinab zu einer ihrer vollen Brüste.
Sie stöhnte auf, als er die Brustwarze berührte, sie zwischen zwei Finger nahm und sanft massierte. Auch seine zweite Hand ging jetzt auf Entdeckungsreise, fuhr über ihren Bauch und erreichte ihr Schamhaar.
Hitze wallte in ihr auf, als seine forschenden Finger noch tiefer glitten und sie im Zentrum der Lust berührten. Ein Prickeln wie von kochendem Blut erfüllte ihren ganzen Körper.
Blut...
Ein Erinnerungsfragment tauchte in der Leere auf, die ihren Geist ausfüllte, doch sie war nicht fähig, danach zu greifen und es festzuhalten.
Sein Gesicht war jetzt ganz dicht vor dem ihren. In seinen Augen schien ein Feuer zu brennen, das sie bannte. Das Sehnsüchte in ihr erweckte, die sie nie gekannt hatte.
"Nona", flüsterte er heiser, und seine Lippen näherten sich den ihren.
Nona? Ihr Name?
Irgendetwas war falsch, ohne dass sie hätte sagen können, was. Es war nicht ihr Name. Sie wusste es mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel zuließ.
Trotzdem erwiderte sie seinen leidenschaftlichen Kuss. Sein kundiger Finger drang weiter in sie ein und weckte neue, schwindelerregende Gefühle. Seine andere Hand lag über ihrer Brust und presste sie zusammen.
"Schließ die Augen und liefere dich mir aus. Ich will deine Alpha-Herrin sein – wie immer, wenn wir uns begegnen..."
Erst im nachhinein kam ihr zu Bewusstsein, dass die Worte aus ihrem Mund gekommen waren. Worte, die ihr fremd waren, deren Sinn sie nicht begriff. Es schien, als habe etwas Fremdes in ihr gesprochen, nicht sie selbst.
Der Mann löste sich von ihr und ließ sie behutsam auf den Boden sinken.
"Du darfst alles", sagte er. "Nur nicht enttäuschen. Was habe ich zu tun?" Er breitete die Arme aus, wies die leeren Handflächen und demonstrierte unmissverständlich, dass er sich ihr – zumindest symbolisch – ergab.
Ihr Blick wanderte an ihm empor und verharrte auf seinem hochgereckten Glied. Es war gewaltig. Zu der unbändigen Lust gesellte sich ein neues Gefühl. Würde er sie nicht verletzen, wenn er...?
Falsch. Eine falsche Sicht.
Wieder blitzte eine Erinnerung vor ihrem geistigen Auge auf. Das Gefühl, dies alles schon einmal erlebt zu haben. Aber aus einem anderen Blickwinkel. Nicht aktiv, sondern... passiv?
Der Mann ließ sich vor ihr auf den Boden nieder, drehte sich und legte die Handgelenke hinter dem Rücken aufeinander.
"Ich werde meine Zelte hier abbrechen, zumindest vorübergehend", sagte er wie beiläufig, während sie (nein, nicht sie: ihr Körper!) nach einem dünnen Schleier griff, der neben ihr lag, und damit seine Handgelenke kunstvoll zusammenflocht. "Es könnte fatale Folgen haben, noch mehr Zeit zu verschwenden. Das Balg läuft mir nicht fort. Sollen sich einstweilen andere an ihr versuchen..."
"Von wem redest du ständig?", fragte ihre Stimme ohne ihr Zutun.
Anscheinend verspürte er keine Lust auf Diskussionen. Trotz der Fesselung schnellte er sich ihr entgegen und riss sie mit sich zu Boden. Seine Lippen bedeckten ihren Körper mit unzähligen Küssen. Sie tastete nach seiner Männlichkeit und umschloss sie mit ihrer Hand.
Kalt. Leblos.
Der Gedanke ließ die Lust in ihr verpuffen. Er fühlte sich... tot an, nicht wie ein lebendes Wesen. Und plötzlich empfand sie auch seine Küsse nurmehr wie die Berührungen toten Fleisches.
Ihr Körper hingegen kümmerte sich nicht um die Empfindungen.
Sie wand sie laut stöhnend unter ihm. Sein Glied drängte gegen ihren Schoß, begehrte Einlass. Doch sie wollte es auf ihre Weise. Nach den Gewohnheiten ihrer Art.
Sie drehte sich auf alle Viere und presste ihren Oberkörper zu Boden. Seine Fingernägel fuhren schmerzhaft über ihren Rücken und fachten die Begierde nur noch weiter an.
Dann war er hinter ihr. Und obwohl sie ihn in dieser Position gar nicht sehen konnte, glaubte sie doch, ihn vor sich zu haben. So als wenn sie gar nicht am Boden läge, sondern...
Hinter ihm wäre, einige Meter entfernt. In einem... Schrank!?
Im gleichen Moment konnte sie spüren, wie er in sie eindrang. Der plötzliche Schmerz zerriss den Schleier um ihre Erinnerungen.
Der Mann war...

"Landru!"
Sie schrak mit einem Schrei hoch. Um sie herum war Dämmerlicht. Und vor ihr... eine Sessellehne?
"Ganz ruhig", klang neben ihr eine Stimme auf. Eine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter, und im ersten Moment zuckte sie panisch unter der Berührung zusammen. "Was ist mit dir, Lilith?"
Endlich gelang es ihr, die Verwirrung abzuschütteln. Sie wandte den Kopf. Neben ihr saß Duncan Luther und lächelte sie beruhigend an. Um sie herum herrschte die gedämpfte, schläfrige Atmosphäre eines großen Passagierflugzeugs auf Nachtflug.
Lilith erinnerte sich jetzt. Die Anspannung fiel von ihr ab. Sie atmete tief ein und versuchte das Lächeln zu erwidern. Es gelang ihr nur schlecht.
"Ist schon wieder in Ordnung." Ihre Stimme klang heiser und zitterte leicht. "Ich hatte einen... bösen Traum."
Doch tief in ihr meldete sich eine gehässige kleine Stimme.
War es das wirklich: nur ein Traum?
Sie erinnerte sich nur allzu deutlich an die Szene: Als sie in Landrus Kammer in der entweihten Kirche eingedrungen war und ihn und die Werwölfin aus einem Versteck heraus beim Liebesspiel beobachtet hatte.*
Nur – im Traum hatte sie sich nicht als Beobachterin erlebt.
Sie war Landrus Geliebte gewesen.
Das schien zu bestätigen, was sie schon bei ihrer ersten Begegnung mit den Mächtigsten der Vampire zu fühlen glaubte und was sie schon damals in Verwirrung gestürzt hatte: Landru war nicht nur ihr größter Gegner, der verhasste Feind, dessen Pläne sie durchkreuzen und den sie vernichten musste.
Ebenso wie er sie abstieß, faszinierte er sie auch. Etwas in ihr, ein dunkler Teil ihres Erbes, fühlte sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen.
Und das erfüllte sie mit einem tieferen Schrecken, als dass sie es einfach nur als Traum abtun konnte...

Andrä Martyna
Andrä Martyna
© http://www.andrae-martyna.de/

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