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Ich wechsele die literarischen Sparten, wie ich gerade lustig bin

Interview mit Frank Schweizer, geführt von Florian Hilleberg am 23. Apr. 2010.


Frank Schweizer Frank Schweizer
Lieber Herr Schweizer,

was gibt es über Ihre Person zu sagen und woher kommt die Lust am Schreiben?


Mal sehen, also: Ich bin vierzig, 172 groß, wohne bei Stuttgart und Haarwuchs will mir nicht mehr gelingen. Bin im Wesentlichen wohl recht umgänglich, aber es dauert immer eine Weile, bis ich auftaue, so fünf sechs Jahre halt. Ich tendiere dazu, meinen Humor und meine Kopfprodukte zu zügeln, sonst gibt’s Chaos um mich herum. Hmmm, ich denke, daher könnte auch die Lust am Schreiben kommen, da kann ich mich ungehindert ausleben, ohne dass ich jemand persönlich anrumpele.


Die Philosophie beschäftigt Sie schon sehr lange und offenbart sich auch in Ihrem literarischen Schaffen als dominierende Leidenschaft. Woher kam die Idee die Philosophie mit der phantastischen Unterhaltungsliteratur zu verquicken?

Ich denke, dass zu wenig versucht wird, der Fantasy etwas Tiefe zu geben. Wenn man die Literaturszene in der Fantasy so betrachtet, ist das doch die Wiederholung des Immergleichen. Es reicht mir nicht, wenn Fantasy ein Drehbuch für eine Rollenspielgruppe ist. Denn ich bin davon überzeugt, dass gerade Fantasy, mit der man ja mit anderen Welten experimentieren kann, neuen oder alten, unbekannten Ideen ein Kostüm geben kann. Fantasy ist eigentlich ein spannendes Feld. Ich glaube, dass es genug Leser gibt, die Komplexität wünschen und von literarischen Playmobil-Figuren wie schmutzbärtigen Zauberern, Elfen, pubertär bestrapsten Feen, grunzenden Orks oder ungebadeten Werwölfen gelangweilt sind. Gerade philosophische Themen können neue erzählerische Schichten erschließen und die Helden einer Geschichte vor andersartige Aufgaben stellen.


YWie kam es konkret zu dem Roman GRENDL und den Figuren Max Merkur und Lutherion?

Ich hatte am Anfang des Romans „Grendl“ eigentlich nur drei Dinge, nämlich drei Namen: „Max Merkur“, „Lutherion“ und „Grendl“ und die Idee, zwei Helden auf einen philosophischen Trip nach dem Sinn des Lebens zu schicken. Aber wie kam’s zu den Figuren? Ich denke, am ehesten beeinflusst sind die Hauptfiguren von Goethes „Faust“, dessen Protagonist ja auch mit dem Teufel einen Pakt eingeht und sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens macht. Andere Sachen spielten auch eine Rolle: In der Namensgebung von „Max Merkur“ steckt, auch wenn es nicht auf Anhieb einleuchtet, etwas von der Künstlichkeit des Namens „Flash Gordon“ drin und in „Lutherion“ mag man eine Anspielung auf Lex Luther sehen, ein bedeutender Glatzkopf, wie ich finde. Ich wollte beiden Figuren damit eine bestimmte Richtung geben und habe mir Max Merkur zum Beispiel zuerst wie einen Actionhelden vorgestellt. Aber beim Schreiben bekamen die Figuren dann schnell ihr Eigenleben und Max Merkur hatte am Ende nichts mehr von Flash Gordon und auch Lutherion hat sich ganz anders entwickelt.


Wann und wieso hatten Sie den Einfall zu der Fortsetzung GOTT?

Eigentlich hatte ich schon zu Beginn von „Grendl“ die Idee, eine Fortsetzung zu schreiben. Während im ersten Band nach dem Sinn des Seins gesucht und übrigens auch gefunden wird, wollte ich, dass im zweiten Band die Sinnfrage Gott persönlich gestellt wird. Das Motto: Bring mir mal deinen Vorgesetzten. Ich wollte mal sehen, was Gott zu der ganzen üblen Sauce sagt, die man das menschliche Leben nennt. Trotz aller Komik sind beide Romane ein literarischer Beschwerdebrief darüber, dass alles Leben endet, sinnlos endet, möchte ich hinzufügen.


Fürchten Sie nicht den Gegenwind der konservativen Christen?

Hmmm, es stimmt schon, dass Gott in „Gott“ nicht gerade gut wegkommt. Der hat aber auch ein paar dicke Charakterfehler: Zum Beispiel als Adam ihm seinen Apfel weggegessen hat, den er sich wahrscheinlich fürs Abendessen aufgespart hat, hat Gott gleich die ganze Menschheit verflucht. Junge, Junge, der reagiert echt über. Und als die Menschen nicht gespurt haben, hat er praktisch alle mit der Sintflut ersäuft. Das nenne ich mal einen Massenmörder. Mir fällt der Name von dem Professor nicht ein, der Werke über die Verbrechen des Christentums schreibt. Von Hexenverbrennung bis Kindesmissbrauch. Das macht er seit dreißig Jahren. Er wird einfach nicht fertig damit. Es gibt zu viele. Die Christen sollten einfach, wenn’s um Kritik geht, ganz, ganz leise in der Ecke sitzen und den Mund halt.


YWie geht es mit Max Merkur und Lutherion weiter? Arbeiten Sie bereits am dritten Band?

Ein dritter Band entsteht gerade. Allerdings wird’s nicht so geordnet und …äh wohlgesittet zugehen wie in den ersten zwei Romanen. Ich verlasse die Welt der Teufel und werde dieses Mal Superhelden in den Vordergrund stellen, die gegen eine üble, hoch derbe Truppe von Superschurken antreten. Ich habe als Kind stapelweise Superhelden-Comichefte gelesen. Das klebt in den kreativen Poren in meinem Kopf wie Nutella. Was es da nicht alles gab: Einen Helden, der „Grüne Laterne“ hieß; den Bösen schlotterten wahrscheinlich bereits bei dem Namen die Knie. Dann eine Superheldin, die sich „Blitzschwalbe“ nannte und deren Superkräfte in keinster Weise aus der Prostitution erwuchsen. Ach ja, und übermenschliche Fähigkeiten wie Supermans „Superpuste“. Genial formuliert, finde ich. Als Kind habe ich mich immer gefragt: Wenn’s „Superpuste“ gibt, gibt’s denn dann auch „Superspucke“ und „Superlecke“? Elemente aus dieser surrealen Welt lassen sich erstaunlich gut mit der „Grendl“-Welt vermischen. Was daraus entsteht, ist in der Tat eine nie dagewesene neosurreale Komödie, die hoffentlich auch wieder die Lachmuskeln der Leser strapaziert. Waltharius und Enlil haben Gastauftritte im Roman und Max Merkur und Lutherion haben ein Cameo, um das mal in der Filmsprache zu sagen. Ich feile gerade am Schluss herum.


Bislang sind Ihre Werke sehr philosophisch, beziehungsweise phantastisch angehaucht. Gibt es Ambitionen ein völlig neues Genre literarisch zu erschließen?

Über zu wenig Abwechslung bei meinem Schreiben darf ich mich ja nicht beklagen. Ich hasse dieses Schubladen-Tralala. Schubladen sind für mich kreativ gesehen eher ein Sarg. Ich wechsele die literarischen Sparten, wie ich gerade lustig bin, allerdings mehr im Sachbuchbereich. Auch wenn man es auf Anhieb nicht sieht, behandeln „Grendl“ und „Gott“ Themen, die mich sehr bewegen. Andere literarische Genres würden mich nur interessieren, wenn ich in ihnen auch die Möglichkeit entdecke, etwas von mir wiederzufinden und eben die entscheidenden Fragen zu stellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich „Die Abenteuer des kleinen Olaf auf dem Ponyhof des Todes“ schreibe und mir das Spaß macht, ist eher gering.


Welche Autoren haben Sie maßgeblich beeinflusst?

Es gibt viel anspruchsvolle Literatur, die mich beeinflusst, aber die kennen wahrscheinlich nur wenige. Wer liest schon einen Jean Paul? Bei „Rosenkrantz und Güldenstern sind tot“ von Tom Stoppard oder „König Ubu“ von Alfred Jarry habe ich viel über Personengestaltung gelernt. Mehr Einfluss haben bestimmte Denker auf mich wie Nietzsche. Aber prinzipiell denke ich, dass zu viel Inspiration auch lähmt. Wenn ich schreibe, will ich gar nichts von anderen Schreiberlingen wissen.


YWovon lassen Sie sich inspirieren?

Also für „Grendl“ und „Gott“ gibt es einige Inspirationen, die aber eher außerhalb der Literatur liegen. Manche Sachen kennt heute kaum jemand. Ich bin mal von einer Journalistin der Stuttgarter Nachrichten interviewt worden und die hat mir die gleiche Frage gestellt. Ich habe dann gesagt, dass die Marx-Brothers, deren Filme ich so liebe, ein maßgebender Einfluss sind. Und sie: „Ist ja super! Und wer sind die Marx-Brothers?“. Puh, das war ein langes Interview. Klar, Monty Python ist viel drin. „Der Malteser Falke“ hat ein bisschen das Detektivbüro am Anfang von „Gott“ mitgestaltet. Dann wiederum ganz andere Sachen: Ich interessiere mich sehr für das alte Mesopotamien und die Welt der Sumerer und der Hethiter. Die Engel in „Gott“ haben alle sehr bewusst gewählte hethitische oder sumerische Namen. Die Mythen unserer westlichen Kultur haben dort ihren Anfang. Selbst die Geschichten, wie sie im Alten Testament stehen, sind oftmals Erbstücke der sumerischen Kultur. Der Sintflutmythos zum Beispiel ist eigentlich eine sumerisch-hethitische Geschichte. Das Gilgamesch-Epos, das ja auch aus dieser Zeit stammt, übt durchaus Einfluss auf „Gott“ aus.


Welche Art von Literatur bevorzugen Sie privat?

Zuerst muss man wissen, dass ich ein schneller und fanatischer Leser bin. Als Kind hatte ich die Angewohnheit Karl May zu lesen. Ich stand morgens früh auf, packte mir „Der Schut“ oder „Der Schatz im Silbersee“ und las und las, bis ich das 400 Seiten Buch nach zehn Stunden durchhatte. Karl May hatte mir irgendwann nichts mehr zu bieten. Danach bin ich ständig mit mehreren Taschen in die Stadtbibliothek gegangen, hab mir unter dem Kopfschütteln der Bibliothekarin dreißig bis vierzig Bücher reingestopft und hab die mit nach Hause getragen. Eine oder zwei Wochen darauf hatte ich die durch und holte mir den nächsten Packen. Selbst im Studium hatte ich noch die Angewohnheit, ein Buch pro Tag zu lesen und ich verbot mir selbst, täglich mehr zu lesen, damit noch Zeit für was anderes bliebe. Jetzt, wo ich die meiste Zeit mit Bücher schreiben verbringe, lese ich etwas weniger. Aber irgendwie habe ich nach dreißig Jahren Lesen das meiste (was ich lesen wollte) durch und vieles langweilt mich. Und was die intellektuelle Schickeria für anspruchsvolle Literatur hält, ist Schlafmittel für mich. Ich suche mir also Bücher, die entweder ganz anders gestrickt sind oder Sachbücher, deren Autoren völlig anders ticken als was ich kenne. Thematisch ist das nicht eingeschränkt. Das kann irgendein lateinisches Buch aus dem 8. Jahrhundert sein, wo ein Pilger seine Reise nach Jerusalem beschreibt oder ein Buch über das Indoeuropäische im Vergleich zum Uralischen. Egal, Hauptsache ein „neues Atemfeld“, wie Rilke das nennt.


Was ist dem Menschen Frank Schweizer wichtig?

Meine Frau, meine Arbeit und meine Freunde.


Lieber Herr Schweizer, vielen Dank für das interessante Interview.


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