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Duell der Fernsehköche von Dorothea Puschmann
Crossvalley Smith © http://www.crossvalley-design.de "Nein, das gibt es doch nicht!", ruft es laut und entrüstet aus dem Wohnzimmer. Max sitzt auf dem Sofa und schaut fern
"Was meinst du?", rufe ich aus der Küche und bin in Gedanken bei etwas völlig anderem, während ich Zutaten für unseren gemischten Salat klein schneide. Ich denke an Urlaub, an Sommer, Sonne, Bergwiesen, wohl duftende Kräuter, schwelge gerade in Erinnerungen, als Max erneut ruft: "Das ist doch nicht normal! Ich glaub es nicht!" und sich dabei offensichtlich laut auf die Schenkel klatscht.
"Was glaubst du nicht?", frage ich gewohnheitsmäßig zurück und trenne mich mühsam von den schönen Erinnerungen und Bildern in meinem Kopf.
Mit dem Messer in der Hand erscheine ich im Türrahmen. "Was glaubst du nicht?"
"Schau dir das an! Komm her, schnell, das musst du sehen!" Max ist aufgebracht wie selten.
Wahrscheinlich traktieren sie wieder Tiere oder die Natur, denke ich und trete näher. Das regt ihn immer ganz fürchterlich auf. Mich auch.
"Setz dich und schau dir das an", stöhnt Max.
"Was machen die da", frage ich ihn und schaue irritiert auf den Bildschirm.
Zwei wohl ehemals weißbetuchte, junge männliche Gestalten mit leichtem Flaum am Kinn und seltsamen Kochmützen auf dem Kopf stehen sich im Abstand von etwa zwei Meter fünfzig in einer Studio-Küche gegenüber. Wutschnaubend. Um sie herum sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld.
Soeben schmeißt der eine dem anderen mit Wucht ein rohes Ei an die Stirn und brüllt: "Mein Froschschenkelragout an zarten Brennnesseln in provençalischer Kräutervinaigrette war doch das bessere! "
Eiweiß und Eigelb rinnen langsam über das Gesicht seines Kontrahenten. Der Kameramann, offensichtlich fasziniert von dieser Szene, folgt dem Verlauf des Eies, bis es sich praktisch in den Falten der Schürze verläuft.
Über alle Maßen erbost greift der soeben Attackierte in die Tüte zu seiner Rechten auf dem Tisch und schleudert seinem Gegenüber eine Handvoll Mehl ins Gesicht.
Wir sehen eine Weile nichts außer einer weißen Wolke.
"Das gibt es nicht!", bemerke ich fassungslos, aber durchaus beeindruckt. Die bewerfen sich vor laufender Kamera mit Lebensmitteln!
Die Mehlwolke lichtet sich und wir können hören und sehen, wie der junge Mann flucht und sich die Augen reibt.
Dann nimmt er blitzschnell eines der Messer vom Tisch, es hat eine lange, sicher auch recht scharfe Klinge, und greift es wie ein Wurfmesser.
"Nein! Nicht!", ruft Max voller Entsetzen und hebt abwehrend die Arme. Das nützt natürlich nichts; die Männer können ihn ja nicht hören und helfen kann er diesem Chef de cuisine so auch nicht.
Außerdem hat der das Messer längst abgeschickt.
Die Klinge bohrt sich seinem Gegenüber nur wenige Zentimeter über dem Herzen ins Fleisch hinein, mühelos wie in weiche Butter. Hätte er nicht noch Probleme mit dem Mehl in seinen Augen gehabt - er hätte sicher genau getroffen.
"Das wirst du mir büßen", brüllt der Verletzte mit schmerzverzerrtem Gesicht und greift nach einem kleinen schicken Edelstahl-Hackebeil, an dem noch das Blut eines unschuldigen Tieres klebt.
Ich schreie auf. Irgendjemand muss die Polizei alarmieren! Mit letzter Kraft wirft der junge Mann das Beil - und trifft!
Max und ich sind wie erstarrt.
Der Kameramann offensichtlich auch.
Endlich wird das grauenvolle Bild ausgeblendet, der Bildschirm schwarz.
"Meine Damen und Herren", meldet sich einige Minuten später eine Stimme aus der Schwärze heraus und räuspert sich dabei wiederholt. "Sie sahen einen Beitrag aus der Reihe Duell der Fernsehköche - Nur einer kann gewinnen! Wie die Programmleitung uns soeben mitteilt, wird diese Reihe nicht fortgeführt. Und nun schalten wir um und wünschen Ihnen viel Spaß mit unserer Sendung Lustige Bergvagabunden unterwegs!"
26. Okt. 2007 - Dorothea Puschmann
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