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All-Inclusive-Tours
von Andreas Gruber

Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
Klaus stand bis zum Nabel im trüben Wasser. Er rümpfte die Nase, es roch nach Zwiebel und Paprika. Mit den Handflächen kreiste er über die Wellen und pritschelte mit der Flüssigkeit, die über den Rand des Kessels schwappte. Er schielte zu dem Schwarzen, der barfüßig, mit einem Baströckchen bekleidet zum Kessel trottete und einige Scheite Holz nachlegte. Das Feuer prasselte, die ausgedorrten Äste knisterten und knackten. Er bemerkte die leuchtenden Augen des Schwarzen. Klaus tänzelte von einem Zehenballen auf den anderen; gemächlich wurde der Kesselboden heiß.
"Ich möchte raus!"
"Mugu basala!" Der Schwarze deutete mit der Hand in den Kessel. An den Gelenken schepperten goldene Armreifen. Er lächelte verschmitzt und rieb sich die Hände über der Glut des Feuers.
"Ich möchte mit dem Reiseleiter sprechen!", maulte Klaus.
Der Schwarze beachtete ihn kaum, fingerte aus dem Baströckchen zwei winzige Behälter, die verdächtig nach einem Salz- und Pfefferstreuer aussahen. Er kippte eine Prise davon in den Kessel.
"Mhmmmmm!" Der Eingeborene grinste in voller Breite über das ebenholzschwarze Gesicht.
"Ich möchte den Reiseleiter sprechen!" Klaus warf die Arme trotzig in die Luft, die dunkle Brühe schwappte über.
"Mugu!", rief der Schwarze zornig, als die Suppe im staubigen Sand versickerte. Er trottete davon. Klaus hockte im Kessel und blickte dem Schwarzen hinterher, bis er in einer Bambushütte verschwunden war. Hinter Klaus stampften die Schwarzen mit nackten Füßen auf der Stelle und wirbelten ihre Speere durch die Sandwolke. Blinzelnd starrte Klaus in die Sonne, die wie ein gleißender Ball über dem Horizont hing und sich gemächlich in den Zenit schob. Die Vormittagsstrahlen prickelten ihm auf der Haut. Endlich kletterte ein Mann in brauner Khakihose und geblümtem Hawaiihemd aus einer Strohhütte. Klaus schirmte die Augen mit der Handfläche ab.
"Endlich!", rief er quer durch das Dorf, als er den Reiseleiter erkannte. Hektisch begann er zu winken.
"Schscht!" Der Fremdenführer legte den Zeigefinger über die Lippen. Er schlenderte unauffällig in die Nähe des Kessels. "Seien Sie still! Wenn Sie während der Essenszeremonie solchen Lärm machen, ziehen Sie sich den Zorn des Stammes zu." Er nickte zu den tanzenden Schwarzen.
"Den Zorn des Stammes?", brüllte Klaus. "Die wollen mich bei lebendigem Leib braten! Und Sie geben mir Ratschläge, wie ich mir nicht den Zorn dieser Horde zuziehe?"
"Kochen ... nicht braten!", wisperte der Reiseführer und legte erneut den Zeigefinger über die Lippen. Unter dem Hawaiihemd spannte sich der braungebrannte, sehnige Bizeps. Vom Haaransatz lief ihm der Schweiß übers Gesicht. Er wischte sich über die Wange und glotzte auf Klaus´ schmächtige, knallrote Schultern. "Sie sollten sich vor einem Sonnenbrand in acht nehmen."
Klaus blickte ratlos an sich hinunter. Vom Boden des Kessels brodelten winzige Luftblasen an die Oberfläche, er stieg von einem Bein auf das andere. "Holen Sie mich raus", flüsterte er und streckte dem Fremdenführer die Arme entgegen.
Der Reiseleiter zuckte mit den Achseln. "Kann ich nicht!"
"Waaaas?" Klaus´ Augen wurden groß.
"Schauen Sie" Der Mann zog die Schultern hoch und breitete die Arme aus. "Ich habe Sie gewarnt, doch Sie wollten keine Rückreise-Versicherung abschließen." Klaus verdrehte die Augen.
"Sie wollten Afrika so kennen lernen, wie es ist", argumentierte der Fremdenführer. Klaus stöhnte auf.
"Eine All-Inclusive-Safari mitten ins Herz des Landes, mit den Stammesriten der Eingeborenen auf das Intimste vertraut", zitierte der Mann den Slogan aus dem Werbeprospekt. "Außerdem haben Sie Gebrauch des Frühbucherbonus´ gemacht. Deshalb wurden Sie für den Kessel ausgewählt und kein anderer." Erneut zuckte er mit den Achseln.
"Ich will raus!", brüllte Klaus.
"Ja, ja", beschwichtigte ihn der Mann. "Es geht ungeheuer schnell, Sie spüren das kaum. In zwanzig Minuten ist alles vorüber." Er bückte sich und legte einige Scheite Holz nach.
"Was machen Sie da?" Klaus versuchte über den Rand des Kessels zu spähen. "Ich will hier raus!"
"Ja, ja." Der Reiseleiter kramte ein Tuch aus der Brusttasche des Hawaiihemds. Er wischte sich den Schweiß aus dem muskulösen Nacken. "Verdammt heiß hier, nicht?"
"Ich will nach Hause!", jammerte Klaus.
Die Augen des Reiseleiters erhellten sich. "Apropos nach Hause ..." Er fingerte einen Packen Karten samt Kugelschreiber aus der Gesäßtasche. "Die müssen Sie unbedingt noch unterschreiben." Er reichte Klaus den Stapel.
Perplex griff Klaus danach.
"Vorsicht!", zischte der Reiseleiter. "Passen Sie doch auf, Sie machen die Ansichtskarten nass und verwischen die Schrift."
"Schöne Urlaubsgrüße aus Kenia. Hier gefällt es mir, hier bleibe ich", las Klaus verdattert vor. "Das soll ich unterschreiben?"
"Ja." Der Touristenführer zuckte wie beiläufig mit den Achseln. "Das ist gut für unsere Werbung. Public Relations von unseren zufriedenen Kunden, das verstehen Sie sicher, nicht wahr?"
Gedankenverloren nickte Klaus und griff nach dem Kugelschreiber. Während er unterschrieb hopste er von einem Bein auf das andere. "Holen Sie mich jetzt raus?", fragte er leise.
"Seien Sie nicht trotzig!", antwortete der Reiseleiter ärgerlich. Er blinzelte in die Sonne. Unauffällig zückte er ein winziges Fläschchen aus der Hosentasche und streute eine Prise in den Kessel.
"Was machen Sie da?", kreischte Klaus.
"Oregano", erklärte der Reiseleiter beiläufig und ließ den Streuer in der Tasche verschwinden.

21. Jul. 2008 - Andreas Gruber

Bereits veröffentlicht in:

GEFÄHRLICHE GEWÄSSER
A. Jodl u.a. (Hrsg.)
Anthologie - Krimi-Stories - Lerato-Verlag - Apr. 2008

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