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Die richtige Wahl
von Christel Scheja

Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
Fröhliches Kinderlachen erklang in den sonst so ruhigen und ehrwürdigen Hallen der Akademie des vierstrahligen Sterns. Großmeister Ptorioleus hob den Kopf und schmunzelte.
Er mochte es, wenn die jungen Prüflinge Leben und Unruhe in die verstaubten Hallen brachten.
Die wenigen, immer hier lebenden Kinder wagten es normalerweise nicht, so herumzutoben. Aber während der Prüfungszeit waren selbst die strengsten Meister freundlich und nachsichtig.
Der alte Mann blickte aus dem Fenster. Ein paar Kinder befanden sich auf dem Hof. Er entdeckte den braunen Schopf seiner Enkeltochter Tasmira. Für die Kleine würde sich in diesem Jahr entscheiden, ob sie die Ausbildung zur Magierin erhalten konnte, oder damit leben musste, dass ihre Fähigkeiten verkümmern und schließlich ganz erlöschen würden.
Der Großmeister zweifelte aber nicht daran, dass seine Enkeltochter dem Beispiel ihres älteren Bruders und ihrer Eltern folgen würde. Das Kind besaß vielversprechende Gaben.
"Ich bin schon gespannt, in welche Richtung sich ihre Fähigkeiten wenden werden", murmelte er dann zu sich selbst."Bald werde ich es wissen."
Die erste - und schwerste - Prüfung hatte bereits begonnen. Um überhaupt zu den anderen zugelassen zu werden, mussten die Kinder einen Vertrauten finden, der von nun an Anker und Zentrum ihrer Gaben sein würde. Ein Greif, wie ihn Tasmiras Vater an sich gebunden hatte, verstärkte den Willen und die Fähigkeit, den Geist anderer zu unterwerfen, der Partner einer Katze konnte durch seine Fingerfertigkeit die komplizierten Gesten einer Beschwörung oder eines Rituales besonders leicht ausführen...

Szenentrenner


Tasmira lief wie ihre Freunde und die vielen fremden Kinder aus allen Ecken des Landes durch die Akademie, um ihre erste Aufgabe zu erfüllen. Verärgert wich sie einem grinsenden Schüler aus der Klasse ihres Bruders aus und zog eine Schnute, als der ihr hinterherrief: “Na, was wirst du denn anschleppen - eine Spinne, eine Ratte ... oder einen Ackergaul?"
Tasmira drehte sich um und streckte dem frechen Kerl die Zunge heraus. "Wirst du schon sehen! Ich finde bestimmt einen viel tolleren Vertrauten als du. Ich will keinen blöden Vogel der ständig in der Mauser ist.”
Dann rannte das Mädchen weiter. Es war furchtbar aufgeregt, denn bis heute Abend musste sie unbedingt einen Vertrauten finden, um Magierin zu werden. Sie hatte sich fest vorgenommen, einen ganz besonderen zu finden - aber der war ihr bisher noch nicht begegnet.
Tasmira kam gerade aus dem Stall. Die Pferde mochten sie jedenfalls nicht und hatten ausgetreten, die Spinnen waren eher davongelaufen als auf ihre Hand zu krabbeln. Zu guter Letzt hatten sie die Welpen aus Lissas neuem Wurf ins Bein gezwickt. Eine Ratte wollte sie nicht haben, nachdem Tolas schon eine gefunden hatte, die genauso struppig und schmutzig wie er aussah.
Plötzlich blieb sie stehen. Am Eingang zum Wohnhaus stand ein blondes Mädchen in feinen Kleidern. Miri oder Miraishin von Edoi hielt sich für was Besseres, weil sie die Tochter eines Edlen war und eines Tages die Magierin des Fürsten sein wollte. Ein Schildpattkätzchen turnte auf ihrer Schulter herum.
Tasmira biss sich auf die Lippen. Es wurmte sie, dass Miri schon eine Vertraute gefunden hatte und dann gleich so ein edles und seltenes Tier. Es war besser, schnell zu verschwinden, denn ...
Zu spät! Nun sah die dumme Ziege auch noch zu ihr hin und trat in den Weg, so dass sich Tasmira nicht mehr an ihr vorbeischlängeln konnte.
Miri hob das Kätzchen von der Schulter. "Schau mal, ist das nicht süß? Ich habe die schönste Vertraute der Welt, Tassi!" Sie streckte das zappelnde Tier urplötzlich Tasmira entgegen.
Die wich zurück und japste und hustete heftig. "Pah, Katzen sind ja sooo gewöhnlich. Sowas hat fast jeder!", bemerkte Tasmira abfällig und versuchte die andere nicht merken zu lassen, dass sie vor Wut zitterte. Miri war ja so gemein, wußte sie doch ganz genau, dass Tasmira keine Luft bekam und sich die Seele aus dem Leib hustete, wenn eine Katze in ihre Nähe kam. Die Heilerin gab ihr Medizin, aber diese half nur ein bißchen gegen die Atemnot.
"Nur Wenige haben ein Schildpattkätzchen!”, erwiderte Miri und fügte boshaft grinsend hinzu: "So, was willst du denn dann für einen Vertrauten finden? Etwa einen Greifen wie dein Vater?"
"So etwas in der Art!" Tasmira äffte Miris Haltung und Stimme nach. "Schließlich ist mein Vater Herr über die Tiere und seit ich laufen kann, war ich mit ihm im Zaubergarten, ätsch! Du wirst schon sehen, ich bekomme etwas Besonderes!" Dann stolzierte Tasmira davon ohne die Antwort der anderen abzuwarten.
Warum hatte sie nicht früher daran gedacht, ihren Vater zu fragen oder in einem der Bücher nachzusehen, die sie von ihrem Großvater zum letzten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Vielleicht fand sie so heraus, welches Tier am besten zu ihr paßte. Und wenn sie freundlich bat und ihm versprach bei der Pflege zu helfen zu helfen, würde der Vater ihr bestimmt erlauben, die Fabelwesen, die dann und wann im Schutz der Akademie lebten, zu besuchen und ihren Wunsch vorzutragen.

Szenentrenner


Um ihren Raum auf kürzestem Wege zu erreichen, musste Tasmira das Zimmer ihres Bruders durchqueren. Das Mädchen rümpfte die Nase. Wie üblich sah es aus als habe ein Wirbelsturm in dem Raum gewütet. Kleidung und Bücher lagen wüst auf einem Haufen neben dem Bett, die Fliegen summten um ein halb gegessenes Honigbrot und einen halbvollen Becher mit Saft. Sirupspritzer klebten die Blätter daneben zusammen.
Eines der Regale über seinem Bett hatte die vielen aufeinandergestapelten Bücher und Kästchen nicht mehr ausgehalten und war nach vorne weggekippt.
Mitleidig nahm Tasmira eine Schiefertafel vom Laubfroschglas, schnappte geschickt ein paar Fliegen und ließ die im Gefäß wieder frei. "Autsch! Die Luft die aus dem Gefäß entwich war heiß, und der Frosch, der am Boden hockte dadurch einfach zu matt, um die flinken Insekten zu fangen.
Rasch schob Tasmira das Glas aus der prallen Sonne. Das sie nicht früher daran gedacht hatte!
"Ach du armer Kerl. Wenn Yano dich weiter so behandelt, dann lass ich dich frei, auch wenn er mir dann eine Regenwolke ins Zimmer hext!", versprach sie.
Der Frosch blinzelte ihr dankbar zu.
Tasmira seufzte. Sie verstand nicht, warum ihr Bruder darauf beharrte, sich unbedingt einen Wetterfrosch halten zu müssen, wenn er doch selber mit einem einfachen Spruch herausfinden konnte, wie das Wetter am Nachmittag oder nächsten Tag werden würde.
Wenigstens hatte er eine Schlange als Vertraute. Die war ziemlich genügsam und fing sich Mäuse, Schaben und Spinnen, wenn er sie mal wieder zu füttern vergaß.
Tasmira warf dem Frosch noch einen letzten Blick zu, dann huschte sie in ihr Zimmer, warf sich auf das Bett und zog ein großes Buch - ihr Lieblingsbuch mit den spannenden Lehrballaden - aus dem Regal. Eifrig blätterte sie die Seiten durch, bis sie die Seite fand, die an den vier Ecken mit den Hohen Tieren Drache, Einhorn, Feuervogel und Greif verziert war. Zwar konnte sie die Verse schon auswendig hersagen, aber sie fuhr trotzdem jedes Wort mit dem Finger nach.
Sie las über den unberechenbaren und temperamentvollen Feuervogel, der durch Gefühle wie Zorn, Angst und Neid böse wurde und Schmerzen zufügte. Oder den Eisdrachen, der nur darauf lauerte, alles noch schlimmer zu machen, als es war, weil er sich von Trauer und Hoffnungslosigkeit nährte. Über das Einhorn, dass jedes üble Wort verzieh und alle Ungerechtigkeit, jeden Schmerz heilte. Und nicht zuletzt dem stolzen Greifen, der nur mit einem starken Willen zu bezwingen war, weil er jede Maske durchschaute.
Enttäuscht stützte Tasmira das Kinn auf die Hände, als sie mit der Seite fertig war. Der Wunsch, eines dieser Tiere ihren Gefährten zu nennen, war verflogen. "Puh", meinte das Mädchen traurig. "Das ist ja schrecklich schwer mit denen auszukommen. Wenn ich einen Feuervogel kriege, dann darf ich niemals mehr wütend oder neidisch sein, denn dann kommt er angeflogen und verbrennt mich mit seinem Feuer. Bei einem Greifen darf ich kein Geheimnis haben, denn der findet ja alles sofort raus, und petzt oder schimpft mich aus, wenn ich schwindle. Nein, der gefällt mir auch nicht, der ist so schrecklich erwachsen, genau so wie das blöde Einhorn..."
Und ein Drache? Tasmira überlief eine Gänsehaut, als sie an den letzten Eisdrachen dachte, der den Zaubergarten besucht und sie mit seinen boshaften Äußerungen zum Weinen gebracht hatte.
Es gab keine Hoffnung. Ihr Traum, einen besonderen Vertrauten zu finden, zerplatzte wie eine Seifenblase. Tasmira schluckte, als sie an ihre Erlebnisse im Stall dachte. Vielleicht mochte ja gar kein Tier sie so gern, dass es sich mit ihr verbinden wollte.

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Eine Weile lag Tasmira unschlüssig auf dem Bett, starrte die Bilder an und malte die Verzierungen mit dem Finger nach. Sie versuchte ihre Angst zu bezwingen. Die Nachmittagsglocke hatte schon geläutet, und bald würde es Essen geben. Wenn sie bis dahin kein Wesen gefunden hatte, das sich mit ihr vertrug, dann durfte sie bestimmt keine Magierin werden...
"Ich bin ja fast so dumm wie Tolas!" Plötzlich hob das Mädchen den Kopf, sprang wie von einer Wespe gestochen auf und riss die Tür zum immer noch leeren Zimmer ihres Bruders auf.
Umso besser! So konnte Yano keine dummen Fragen stellen oder sie anbrüllen.
Tasmira rannte zum Glas und sah den Frosch erwartungsvoll an: "Willst du nicht mein Vertrauter sein?"
Der vorher so matte Frosch öffnete die Augen und hüpfte mit einem großen Satz auf die Leiter. Seine Schallblasen schwollen an, und ein erwartungsvolles, fröhliches "Quack!" erklang.
"Ja? Wirklich?"
"Quaaack!" Das klang zustimmend und ungeduldig zugleich.
Tasmira hielt vorsichtig die Hand in das Glas und spürte im nächsten Moment das kühle Gewicht auf ihren Fingern. Sie hob den Frosch vor ihre Augen. Seine Luftsäcke bliesen sich unruhig auf. "Quak, quak!"
Ein Kribbeln durchfuhr den Körper des Mädchens wie ein Blitzschlag. Es brannte und juckte am ganzen Körper - kein Zweifel, es war wie Yano immer erzählt hatte: "Du glaubst, daß Tausende von Ameisen über deine Haut krabbeln, wenn sich das Band schließt!"
Sie verstand plötzlich, was der Frosch in ihrer Hand sagte.
Stolz über sein Lob tanzte Tasmira jauchzend durch das Zimmer und an ihrem völlig verblüfften Bruder vorbei nach draußen. Ihre Eltern und der Großvater mußten ihren Vertrauten unbedingt kennenlernen!

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"Ein Frosch!" Großmeister Ptorioleus. "Ich wuaate zwar, daß Tasmira begabt ist, aber daaa sie mich einmal stolz machen würde, hätte ich nicht gedacht!" Er strich seine Robe glatt mit vor Aufregung zitternden Fingern glatt. "So klein ein Frosch auch sein mag, die Mächte des Schicksals haben ihn mit besonderen Gaben ausgestattet: Er ist der Erneuerer des Lebens, sus seiner scheinbaren Schwäche erwächst Stärke, Überfluss und Fruchtbarkeit. Tasmira wird eines Tages einmal hochgeschätzt sein, weil sie tiefer als alle anderen in die Macht eintauchen und die Gaben der anderen bündeln und lenken kann", murmelte er selbstvergessen. "Vielleicht wird sie ja sogar einmal meine Nachfolgerin ..."
Der alte Mann hielt in seiner Rede inne und blickte in eine lichtdurchflutete Ecke seines Arbeitszimmers. "Oder hattest du vielleicht deine Finger im Spiel, mein Freund?"
Der dicke Ochsenfrosch, der sich faul auf einem großen Stein sonnte, rührte sich zunächst nicht, bequemte sich dann aber mit einem Blinzeln zu einer Antwort.
"Quock!"

28. Jun. 2009 - Christel Scheja

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