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Klare Ansage von Andrea Gunschera
Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:
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SIEBEN VERLAG
A. Bionda
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Andrä Martyna © http://www.andrae-martyna.de/ Zwielicht taucht den Raum in purpurne Schatten. Die Sonne hängt tief am Horizont. Es ist eisig, die Wände atmen Kälte. Qualm hängt in der Luft. Kohlengase.
Der Ofen zieht nicht richtig, sagt Martin entschuldigend, und der verdammte Heizlüfter ist kaputt. Er zündet eine Zigarette an und lässt sich in den abgeschabten Sessel fallen. Scheiß Winter.
Julia bleibt stehen, sie starrt aus dem Fenster. Wir müssen reden.
Ihre Kehle ist eng.
Echt? Er bläst den Rauch durch die Nase. Worüber willst du reden?
Sie hört, wie er aufsteht. Ein Klappern, Glas gegen Glas. Er schenkt sich Wein ein.
Willst du auch was?, fragt er hinter ihrem Rücken.
So lange bleibe ich nicht.
Von mir aus. Er sinkt zurück in die Polster und streckt die Beine aus.
Das Schweigen zieht sich in die Länge. Sekunden, Minuten, endlos. Unerträglich.
Mit einem Ruck dreht sie sich um.
In unserer Beziehung läuft was falsch, stößt sie hervor.
Echt?, fragt er. Wir haben ne Beziehung?
Oder Affäre, was weiß ich! Mir egal, wie du das nennst. Ich dachte jedenfalls, es wäre ne Beziehung.
Ja, was ist damit? Seine Stimme klingt teilnahmslos, beinahe schläfrig. Vermittelt ihr das Gefühl, sich wie eine hysterische Ziege aufzuführen. Sie schluckt, sie beißt sich auf die Lippen. Jetzt bloß nicht in Tränen ausbrechen, denkt sie.
Was haben wir denn, deiner Meinung nach? Wenns keine Beziehung ist? Wie würdest dus denn bezeichnen? Ne Fickromanze vielleicht? Sie wird immer lauter. Wut hilft gegen Tränen.
Nein, das läuft nicht so, wie sie sichs ausgemalt hat.
Keine Ahnung. Er drückt die Zigarette aus und trinkt vom Wein. Sein Gesicht eine Maske der Ratlosigkeit.
Ich weiß nicht, was das alles soll. Sie muss weiterreden, sie kann jetzt nicht aufhören. Wir verabreden uns, dann gehen wir essen, verbringen die Nacht miteinander. Und am nächsten Tag, wenn ich wieder zu Hause bin, hab ich keine Ahnung, wies weitergeht. Was weiß ich, ob wir uns noch mal sehen? Ich weiß nicht mal, ob du das überhaupt willst. Sie schüttelt den Kopf. Das macht mich fertig.
Was macht dich fertig?
Herrgott
, sie holt tief Luft und hebt die Hände. Ich will einfach wissen, was los ist. Ob wir jetzt was miteinander haben oder nicht. Ich hab mich in dich verliebt, oder
, sie schüttelt ratlos den Kopf. Oder jedenfalls bin ich kurz davor. Aber ich kann das nicht, wenns so weitergeht wie bisher.
Willst du nicht doch noch was vom Wein?, fragt Martin. Er hebt eine Augenbraue. Der ist ziemlich gut.
Mann, ist das kalt hier. Julia schlingt die Arme um den Körper. Sie hat ihre Jacke anbehalten. Wollte ja gleich wieder los. Nur kurz mit ihm reden, ein paar deutliche Worte. Endlich Klarheit in die Sache bringen. Wie hältst du das aus?
Ich hab doch gesagt, der Heizlüfter ist im Arsch. Er steht auf und angelt ein zweites Glas vom Regal. Es ist das mit dem Sprung am Rand. Bedächtig gießt er es voll. Dann hebt er den Kopf und sieht sie an.
Julia weicht seinem Blick aus. Sie betrachtet das Filmplakat, neben ihm an der Wand. Ein Metropolis-Poster, zwei mal ein Meter, der monochrome Frauenkopf mit grellrot geschminkten Lippen. Das fand sie schon beim ersten Mal cool.
Hör mal, setzt sie neu an, ich wollte mit dir reden.
Wir reden doch. Er deutet auf ihr Glas. Trink deinen Wein, sonst wird er kalt.
Julia unterdrückt das Bedürfnis zu lächeln. Nein, ich meine, über unsere Beziehung reden. Sie kann nicht verhindern, dass ihr Tonfall nörgelig wird. Vielleicht will er nicht reden, denkt sie. Vielleicht gefällt es ihm so, wie es ist. Also, was denkst du?
Sie hat sich vorgenommen, nicht ohne Antwort von hier wegzugehen. Sie will es von ihm hören. Sie will ihn sagen hören, dass die Sache beendet ist.
Oder eigentlich nicht.
In Wahrheit hofft sie, dass er etwas ganz Anderes sagt. Dass alles in Ordnung ist und dass es ihm um Liebe geht.
Martin zuckt mit den Schultern.
Ich denke, sagt er, dass du echt süß aussiehst, in dem Licht.
Ihr Widerstand bricht, sie kann es spüren. Alles wird gut, denkt sie. Er wird es nicht beenden.
Also ich meine das ernst mit dem Verlieben. Ein letzter Versuch, ersterbende Stimme. Das ist ein schmaler Grat.
Seine Lippen schmecken nach Rotwein. Und seine Bartstoppeln kratzen. Aber nicht sehr.
Was ist jetzt mit Reden?, murmelt sie, in einer kurzen Atempause.
Martin lehnt sich ein wenig zurück, er nimmt die Brille ab.
Wir könnten ins Bett gehen, schlägt er vor, da ist es nicht so scheißkalt.
27. Nov. 2009 - Andrea Gunschera
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