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Die unvorhergesehenen Auswirkungen der Schweinegrippe
von Melanie Stone

Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:

TRIADEM
A. Bionda, T. Carpenter
10 Beiträge / 29 Kurzgeschichten vorhanden
Peter Wall Peter Wall
© http://www.picturewall.eu
Mein Blick klebte fassungslos an dem weißen Etwas in meiner Hand. Mir war unbegreiflich, was ich mit der hässlichen, entstellenden, unpraktischen und vor allem beinahe luftdichten Atemschutzmaske anfangen sollte.
„Drücken Sie den Bügel am Nasenrücken fest und schon sitzt die Maske perfekt.“ Der gute Mann am anderen Ende des Raumes gab gerade das Sicherheitsballett für Pandemieanfänger und glaubte allen Ernstes, dass er dem weißem Fetzen in seinem Gesicht mit seinen wilden Armbewegungen einen Hauch Anmut verleihen konnte. Ich verdrehte die Augen. Wenn Schutzmasken sexy wären, gäbe es längst eine eigene Kollektion von Gucci oder Prada. Und selbst die hätte ich nicht getragen. Zum einen hing ich an meiner täglichen Dosis Sauerstoff und zum anderen verstand man mit dem Ding auf dem Mund kaum ein vernünftiges Wort. Wie sollte ich damit telefonieren? Oder Kaffee trinken? Ans Rauchen wollte ich nicht einmal denken! Genügte es denn nicht, dass entwürdigende Informationsblätter in der Teeküche hingen, auf denen uns ein kleines Kind vormachte, wie man sich korrekt die Hände wäscht? („Und nicht die Seife vergessen! Zähle jetzt bis zehn und spüle dir die Hände ordentlich ab!“) War es nicht genug, dass motivierende Kleber auf den Spiegeln der Toilettenräume prangten, die uns zu dem elementaren Kampf „Wir gegen Viren“ aufforderten? (Der Kleber wollte sogar, dass man die Seife zwanzig bis dreißig Sekunden auf, um und in den Händen verteilte. Ganz im ernst, soviel Handcreme kann ich mir nicht leisten, um dieser Aufforderung nachzukommen!) Ich hatte keine Zeit für diesen Mist. Ich musste nämlich dringend den Baum suchen, von dem ich gestern erst gestiegen bin.
Meine Gesichtszüge entglitten mir allerdings erst in dem Augenblick so richtig, als ich einen Blick auf meine Kollegen wagte. Eigentlich hatte ich nur nach einem Funken Bestätigung gesucht, doch auf eine mir nicht erklärbare Art und Weise hatte sich um mich herum ein Paralleluniversum aufgetan und mich direkt zur Visite in die Schwarzwaldklinik katapultiert. Jeder, aber auch wirklich jeder, hatte sich diese Maske aufgesetzt und wartete gespannt auf weitere Instruktionen von Professor Brinkmann. Der, voll in seinem Element, begann gerade damit, den korrekten Umgang von Desinfektionstüchern zu erläutern. Und selbstverständlich starrten die Mundschutzzombies wie in Trance nach vorn und saugten jedes Wort in sich hinein. Als wären sie Jünger einer Zellstoffsekte. Was würde wohl passieren, wenn ich jetzt niesen müsste? Würde sich die Pandemiepräventionsfraktion geschlossen auf mich stürzen und in Quarantäne stecken? Oder mich von oben bis unten mit den Desinfektionstüchern abrubbeln? Wollte ich das überhaupt wissen? Man sollte niemals die Eigendynamik von Gruppen unterschätzen.
Ich musste wohl leise gekichert haben, denn plötzlich vernahm ich die gedämpften Worte des maskierten Belehrungsdirigenten: „Würden Sie die ganze Angelegenheit bitte mit etwas mehr Ernst betrachten?“
Etwas mehr Ernst? Noch ernster und ich renne in Strumpfhosen sowie Cape über den Flur, begleitet von der Titelmelodie des Präventionsteams, kurz P-Team genannt! Dann würde ich so wichtige Dinge sagen, wie: „Frollein! Sie haben die Seife aber nicht dreißig Sekunden zwischen den Fingern verteilt! Ab zurück ins Bad und üben!“ oder „Treten Sie augenblicklich vom Wasserhahn zurück! Machen Sie jetzt keinen Scheiß! Das Ding ist nicht desinfiziert!“
Ich habe mich ja im Lauf der Jahre an viele Dinge gewöhnt. An die regelmäßigen Belehrungen für Brandschutz, Arbeitsplatzsicherheit, Datenschutz, Informationssicherheit und Arbeitszeiten. Ich zucke mit keiner Wimper, wenn ich darüber aufgeklärt werde, dass meine Pflanzen aus Sicherheitsgründen nicht auf dem Fensterbrett stehen sollen. Mich juckt es nicht einmal mehr, wenn über die Snackbox in der Küche ein Artikel geklebt wird, anhand dessen man die Anfänge einer Essstörung erkennen kann. Ich lasse mir Tipps für Augengymnastik und Büroentspannung gefallen, aber ich werde unter keinen Umständen einen Mundschutz tragen! Sonst werde ich zur Oberschwester Hildegard!

10. Jan. 2010 - Melanie Stone

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