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Inferno nebenan oder: Ezzerish und Ghaléhé
von Antje Ippensen

Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:

SIEBEN VERLAG
A. Bionda
4 Beiträge / 26 Kurzgeschichten vorhanden
Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
Herr und Frau Kederfiel lebten seit zweiundvierzig Jahren im Neckarhüttenweg 65 in Fraudorf: absolute Spießer und erklärte Feinde der Kunst. Schlimmer noch: Frau Kederfiel beherrschte die Grobe Magie.
Als ins Parterre ihres Mietshauses zwei zauberhafte Künstlerinnen einzogen, war ein Zermürbungskrieg vorprogrammiert. Denn Sahara und Brandywinia verkörperten alles, was die Kederfiels hassten: Sie waren lustig, sie zogen viele Menschen an, sie waren unkonventionell, sie machten Kunst, sie hatten verrückte Namen, sie waren zwei Frauen, die zusammenlebten …
Sehr bald floss Frau Kederfiels grobe Magie in das im Erdgeschoss gelegene Atelier hinein, durchtränkte es wie Gift, drohte alles zu zerstören, was die zwei Frauen gerade mit viel Liebe aufbauten.
Zum Glück gab es ein Gegenmittel. Das jedoch … erarbeitet werden musste.

Eines Abends glaubte das Ehepaar Kederfiel, Ostern und Weihnachten fielen auf einen Tag, denn ein Kleinwüchsiger namens Naso lud sie ein, bei der ‚Bestrafung einer Künstlerin’ zuzuschauen. Korrekt gekleidet war er, mit Anzug und anthrazitfarbener Krawatte. Sein betont seriöses Outfit flößte den Kederfiels Vertrauen ein.
„Sie haben die Wahl: Welche von den beiden darf’s denn sein? Die junge mit den buntgefärbten Haaren oder die ältere Brünette?“
Frau Kederfiel schluckte gierig. Sie war untersetzt, 66 Jahre alt, mit metallisch weißem Haar, das wie ein Helm an ihrem eckigen Schädel anlag. „Die Wüstenschlampe!“, sagte sie entschieden, und ihr Mann nickte.
Naso lächelte erfreut. „Gut, ich nehme also die bunthaarige Sa-hara. Kommen Sie zu dieser Adresse. In einer Stunde.“
Er gab ihnen einen Zettel, der sie zum Theaterbunker am Rande der Stadt führte.

Im Zuschauerraum wurden sie von einem anderen, graugewandeten Zwerg zu ihren Sitzen geleitet.
Sie saßen in der ersten Reihe.
Sie waren die einzigen Besucher.
Der schwarzseidene Vorhang der Bühne wurde zurückgezogen.
Und die Kederfiels sahen Sahara, die nackt an einem x-förmigen Kreuz hing, mit gespreizten Armen und Beinen, straff daran festgebunden. Ihr schlanker, hellhäutiger Rücken mitsamt dem schön gerundeten Hintern bot sich schutzlos den Augen ihrer Feinde dar – und die Bühne war gut beleuchtet.
Sahara warf einen kurzen Blick über ihre Schulter, und als sie ihre Feinde sah, riss sie vergebens an den Fesseln und zitterte.
Herr und Frau Kederfiel grinsten breit. Diese Reaktion gefiel ihnen. Alsdann kam Naso auf die Bühne und entrollte eine lange, schwarze Peitsche mit drei Riemen. Das gefiel ihnen noch viel, viel mehr.
Naso trug jetzt ein blau-grünes Clownskostüm, nicht mehr den korrekten Anzug, aber seltsamerweise wirkte er als Clown mit aufgemaltem Lächeln Furcht erregend. Sicher auch deshalb, weil er die Peitsche in der Hand hielt, ein eher ungewöhnliches Requisit für einen Spaßmacher. Er verbeugte sich in Richtung der Kederfiels und rief dann mit lauter Stimme:
„Sahara, auf Wunsch der beiden ehrenwerten Kederfiels erhältst du eine Strafe! Bist du bereit für die ersten zwanzig Schläge?“
Herr und Frau Kederfiel schauten sich ungläubig an. Die kleine Wüstenschlampe bekam tatsächlich den Hintern versohlt, vor ihren Augen? War das etwa ein abgekartetes Spiel?
„Ja“, presste Sahara gehorsam hervor, „ich bin bereit, edler Naso.“
Im nächsten Moment klatschte auch schon die Dreischwänzige auf ihr Gesäß, und sie schrie vor Schmerz auf. Das war doch ohne Zweifel echt! Herr und Frau Kederfiel sahen deutlich die Spur, die sich über Saharas weiße Haut zog. Wundervoll … Frau Kederfiel fuhr sich genießerisch mit der Zunge über ihre breiten, brutalen Lippen. Sie hatte zudem einen Unterbiss, der ihrem Gesicht etwas Bulldoggenartiges verlieh.
Der Zwerg schwang wieder die Peitsche. Die folgenden vier Hiebe ertrug Sahara jedoch tapferer als den allerersten, sie zog nur scharf die Luft ein und wand sich in ihren Fesseln. Sogleich holte Naso weiter aus, steigerte Heftigkeit und Schärfe der Schläge, bis sein Opfer erneut schrie. Das war Musik in den Ohren der Kederfiels.
„Ja, ja – schlagen Sie noch härter zu!“, rief Frau Kederfiel aus. „Sie soll richtig leiden, ich will es sehen – und hören!“
„Euer Wunsch“, sagte Naso, „ist mir Befehl.“ Seine edelstein-grünen Augen funkelten. „Ihr wollt, dass ich sie zum Schreien bringe? Ich tue mein Möglichstes, seid versichert.“
Die Eheleute glaubten ihm sofort; sie sahen, dass er die Delinquentin nun überhaupt nicht mehr schonte. Sahara schrie ein- oder zweimal, jedoch nur leise, gepresst, und stöhnte gequält, aber weitere Schmerzenslaute waren ihr nicht zu entlocken, obwohl ihr schöner Hintern bald mit purpurnen Streifen übersät war und heftig brennen musste.
„Sie ist sehr verstockt“, sagte Naso und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er ließ die Peitsche sinken. „Ich könnte den Rohrstock benutzen. Der würde schärfer in ihr Fleisch beißen.“
„Machen Sie das! Schreien und weinen soll die Schlampe!“ Diesmal erhob Herr Kederfiel seine Stimme.
Der eher schmächtige, verkniffene Mann – bis auf die aus den Nasenlöchern sprießenden Haare besaß er kaum hervorstechende Merkmale – hatte sich anfangs zurückgehalten. Aber er war genauso angetan von der Aktion wie seine Frau. Seine zuckenden Finger und sein beschleunigter Atem zeugten davon.
„Sahara, bist du auch bereit für den Stock?“, fragte Naso nun das Mädchen streng.
„Ja, edler Naso“, lautete die tapfere Antwort.
„Willst wohl weiter trotzig sein? Sinnlos, ich bringe dich zum Schreien, glaub mir.“
Er ließ den Stock auf die rechte Gesäßbacke des Mädchens herabzischen, sehr geschickt, zweimal hintereinander und auf den gleichen Punkt, was ausgesprochen gemein war, und seine Vorhersage erfüllte sich. Das zog! Die getroffene Stelle musste wie in Feuer getaucht schmerzen, und Sahara warf den Kopf zurück vor Pein und schrie laut. Ihre Stimme brach dabei, der Schrei ertrank in einem Schluchzen. Herr und Frau Kederfiel tauschten einen höchst befriedigten Blick miteinander, um dann wieder wie gebannt auf die Bühne zu schauen.
„Noch einmal!“, riefen sie gleichzeitig.
Naso verstand, grinste und zielte mit ausgesuchter Grausamkeit wiederum auf Saharas rechte Gesäßbacke. Mit einem trockenen Klatschen traf der Stock das zarte Fleisch der Delinquentin, und sie jaulte auf. „Erbarmen …“, keuchte sie. „Ich …“
„Du kennst die Regeln, Sahara. Bitte nicht mich, sondern die ehrenwerten Kederfiels demütig um Gnade, wenn du willst, dass die Schläge aufhören!“, sagte Naso. „Aber es könnte auch sein, dass die Ehrenwerten deine Bitte zurückweisen.“
Er war sich sogar recht sicher, dass genau dies passieren würde.
Sahara drehte den Kopf. Ihre blauen Augen standen voller Tränen – ein Anblick, den Herr und Frau Kederfiel in vollen Zügen auskosteten.
„Ehrenwerte Frau Kederfiel, geehrter Herr Keder-fiel, ich … ich flehe Euch an, erlasst mir den Rest der Strafe, ich kann nicht mehr!“
„Erlassen?“, keifte Frau Kederfiel. „Nie! Herr Naso, sie bekommt noch zwei Hiebe, oder?“
Der in ein Clownskostüm gekleidete Zwerg nickte. „Von den ersten zwanzig, ja.“
Die Frau starrte ihn an. „Heißt das, sie könnte noch eine zweite Abreibung kriegen?“
„Wenn Sie es ausdrücklich verlangen, ja. Die S-Regeln schreiben vor, dass sie insgesamt siebzig Schläge erhalten darf.“
Während er diese Erläuterung gab, leuchtete in den grünen Augen des Kleinwüchsigen ganz kurz ein seltsamer Ausdruck auf … den die grobmagisch begabte Frau Kederfiel nicht so recht einordnen konnte. Für einen winzigen Moment stutzte sie. Was waren im Übrigen die „S-Regeln“?
„Verlangen Sie es?“, hakte Naso freundlich nach.
Da gewannen Rachlust und sadistische Gier die Oberhand in Frau Kederfiel. „Ja! Ausdrücklich!“ Sie wandte sich an ihren Mann. „Meinst du das Gleiche wie ich, Heinrich?“
„Und ob, Martha.“ Die blassbraunen Augen ihres Mannes glänzten. „Machen Sie die siebzig voll, Herr Naso!“
Sahara keuchte entsetzt. „Oh nein …“, wimmerte sie. Sie zerrte noch heftiger an ihren Fesseln. Ihre Handgelenke mussten inzwischen wundgerieben sein.
„Mit dem Rohrstock?“, fragte Naso. Immer noch funkelten seine Augen. Wie grüne Kristallglut.
Wer war er eigentlich wirklich? Wieder war da etwas, was Frau Kederfiel warnen wollte … grobmagische Intuition? Aber sie verdrängte das.
„Ja“, sagte sie. „Geben Sie ihr ausschließlich den Stock zu schmecken, ihn fürchtet sie!“
Naso lächelte. Wie ein Kater, der soeben die Maus verspeist hatte. Er drehte sich wieder um und verkündete: „Sahara, auf Geheiß der ehrenwerten Kederfiels erhältst du weitere zweiundfünfzig Rohrstockhiebe. Was sagst du dazu?“
Für einen Moment schwieg die bunthaarige Künstlerin. Die Kederfiels warteten gespannt auf ihre Reaktion Tränen! Betteln! Woran sie sich weiden konnten, um die Strafe dann doch genüsslich vollziehen zu lassen!
Als Sahara aber wieder sprach, klang ihre Stimme auf einmal – anders. Sie wimmerte nicht mehr und bat auch nicht um Milde, sondern Triumph schwang in ihrer Antwort mit.
„Edler Naso, ich sage das, was ich nun mit Fug und Recht darf, was ich mir verdient und erarbeitet habe: Ich sage also zu den ehrenwerten Kederfiels: FAHRT ZUR HÖLLE!“ Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Herr und Frau Kederfiel waren sprachlos. Wie erstarrt. Ihre Münder öffneten sich, doch kein Laut kam heraus.
Im nächsten Moment sausten sie in die Tiefe.
Hinab in die Unterwelt.
Ihre Sitze hatten sich in einen Fahrstuhl zur Hölle verwandelt.

Zur gleichen Zeit, im Atelier, schaute Brandywinia gedankenvoll in das aus feinstofflichem Ezzerish bestehenden goldgefassten Elfenglas. Zunächst wogte nur körniger Purpur- und Feuernebel darin hin und her, aber die bildende Künstlerin war sicher, dass das Gedachte bald auftauchen würde.
Sie vermisste Sahara … aber sie kannte Zwergdämon Naso; ihm vertraute sie ihre Freundin gern an.
Die Bestrafungsabteilung war schon eine feine Einrichtung, die von allen Eingeweihten genutzt werden konnte, sofern sie bereit waren, die Satanischen Regeln, kurz S-Regeln genannt, zu befolgen. In der bizarren Welt am Rande der Stadt sowie im unterirdischen Höllenreich spielten sich Nacht für Nacht phantasievolle Schauspiele ab.
Die Frau mit dem kastanienbraunen Haar musterte kurz die lange Brandnarbe an ihrem Arm, die sie einem heimtückischen Anschlag durch Frau Kederfiel zu verdanken hatte. Unter anderem. Die grobmagisch zerstörte Skulptur neulich und der versuchte Rufmord, der die zwei Freundinnen fast zerstört hätte – beides war sehr viel schlimmer gewesen.
Das Bild im Elfenglas klärte sich und zeigte die Kederfiels. Sahara hatte es geschafft! Ezzerish, das dunkle Wandelgrenzelement zwischen den Sphären, war durchlässig geworden. Kreischend versuchte das Ehepaar, aus einem riesigen Kessel mit heißer, grüner Blubbermasse zu flüchten. Brandywinia blickte lächelnd in die vor Entsetzen verzerrten Gesichter ihrer beiden Feinde. Frau Kederfiels wulstiger Mund war so weit aufgerissen, dass die Mandeln sichtbar wurden. Kein Wunder, schließlich glaubte sie gerade, ihre Haut würde verbrüht und grünes flüssiges Gummi sich in das Fleisch hineinfressen, unaufhaltsam, bis auf die Knochen, durch und durch. Ihr stämmiger Oberkörper war bereits entblößt; nur Fetzen der Bluse hingen noch an ihm, und man sah die dicken, hängenden Brüste.
Herr Kederfiel, der schlanker war als seine Frau und damit beweg-licher, schaffte es, sich über die Kesselwand zu schwingen. Aber er half nun keinesfalls etwa seiner Frau. Er …
Caldony, die schwarz-weiße Atelierskatze, kam laut miauend herbei und wickelte sich energisch um Brandywinias Beine. Diese löschte erst einmal den Stummfilm im Elfenglas mit einem Wedeln ihrer Hand und gab dem stets hungrigen Kater Futter. Dabei summte sie vergnügt vor sich hin.

Sahara, nach wie vor nackt, kniete anmutig vor Zwergdämon Naso. Einer seiner Helfer hatte sie vom Kreuz geholt. Naso strich ihr über das regenbogenfarbige Haar und sagte anerkennend:
„Gut gemacht.“
„’s war knapp“, bemerkte Sahara. „Ich dachte schon, die gute Martha würde Verdacht schöpfen.“
„Wär auch fast passiert. Womit du das Spiel verloren hättest“, nickte er. „Laut S-Regel Nummer 4.“
Zärtlich glitten seine grün glitzernden Augen über die wundervollen Kurven der jungen Performance-Künstlerin. Er registrierte auch die Fesselstriemen und beschloss, sie gleich nachher mit einer Heilsalbe zu versorgen. Gerade weil sie so tapfer war und nicht klagte.
„Du hast Glück gehabt, dass sie dich auserwählt haben für die Bestrafung und nicht etwa Brandywinia“, fügte er hinzu.
Saharas meeresblaue Augen leuchteten. „Stimmt“, seufzte sie. „Reines Glück.“
„Wir zwei werden an diesem Wochenende viel Spaß haben“, murmelte der Zwerg, und mit den Riemen der Peitsche streichelte er Saharas gezeichneten, erhitzten Körper.

„Nnnnein-NEIN!“, winselte Frau Kederfiel, als zwei gehörnte Teufel, ein grellroter und ein orangefarbener, auf sie zukamen, glühende Dreizacke in den Händen. Ein lebendig gewordenes Höllen-Klischee.
„D-d-d-das muss ein Alptraum sein!“, stöhnte auch ihr Mann, der bisher wegen seiner größeren Gelenkigkeit fast ungeschoren geblieben war. Er war aus dem heißen Kessel geklettert, ehe der Verbrühungsschmerz zu schlimm wurde.
Seine Gattin warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Halt’s Maul, Heinrich!“, kreischte sie ihn an. „Du hast nicht einen Finger gerührt! Im Stich gelassen hast du mich, du elender Dreckskerl! Du …!“
„Ähem“, knurrte der orange Teufel die Tobende unterbrechend – um seinem Knurren Nachdruck zu verleihen, hielt er ihr die glutheiße Dreizackspitze unter die Nase. „Habet bitte die Güte, euch wieder dem Erdulden der Qualen hinzugeben, ja? Ihr seid hier in der Hölle, meine Lieben, nicht etwa bei der Partnertherapie.“
Nein, dies war kein Alptraum, sondern Teil eines furchtbaren Komplotts! Die Augen der 66-Jährigen, grobmagisch begabten Sadistin drohten hervorzuquellen und ihr geradewegs aus dem Kopf zu fallen. Noch niemals zuvor hatte sie derartige Qualen ertragen müssen. Immer noch betasteten ihre Hände zwanghaft, panisch den wieder ordentlich bekleideten Leib. Jetzt schien alles wieder gut zu sein, aber die entsetzlichen Schmerzen davor! Sie waren so real gewesen, so schrecklich real!
Ihr seid hier in der Hölle!
Jetzt erst begriff Frau Kederfiel. Sie fixierte die zwei eher gelangweilt dreinblickenden höllischen Angestellten mit blanker Verzweiflung und fiel auf ihre plumpen Knie nieder.
„Gibt es denn keinen Ausweg für uns?“
Der rote Teufel grinste nur müde. „Nee, is nich. Die noble Sahara hat beim satanischen Bestrafungsbüro das Wochenend-Komplett-paket bestellt, und sie steht dazu, ich kenne sie. So lange sie das Spielzeug des edlen Herrn Naso ist, müsst ihr beide hier bleiben und leiden! Es sei denn …“
Frau Kederfiel entfärbte sich bei diesen Worten. Ein ganzes Wochenende in der Hölle? Niemals! Sie griff nach dem letzten Strohhalm. „Es sei denn …?“, bettelte sie.
Der Teufel dachte mit gerunzelter Stirn nach. „Ah ja. Du, gute Frau, entsagst der groben Magie für immer und ihr zwei zieht sofort aus dem Neckarhüttenweg 65 in Fraudorf aus. Augenblicklich.“
„Was?“, heulte Frau Kederfiel.
In der Zwischenzeit hatte sich ihr Mann mit blankem Wahnsinn in den Augen an den orangefarbenen Teufel herangeschlichen und tastete vorsichtig dessen Rücken ab, auf der Suche nach dem Reißverschluss des Teufelskostüms.
Er fand keinen.
Dafür schnellte der Höllenbewohner plötzlich schimpfend zu ihm herum.
„Finger weg, Madensack! Was soll das denn, du dämlicher alter …“
Sein Dreizack fuhr nach oben und eine Spitze stach Herrn Kederfiel ein Auge aus. Der brüllte und fiel hin, eine Hand an die Stelle gepresst, wo Gallert und Blut austraten; seine Frau lachte grimmig bei diesem Anblick … schon wuchs das Auge wieder nach, ebbte die Pein ab.
„Martha …!“, wimmerte Herr Kederfiel nun zermürbt. „Sag ja, bitte!“
„Also gut!“, fauchte sie. „Und sowie wir draußen sind, lasse ich mich von dir scheiden, egoistischer Feigling!“ Sie fragte den roten Teufel: „Wo muss ich unterschreiben? Und sagen Sie, die Wüstenschlampe muss das aber trotzdem abarbeiten, oder? Sie wird das ganze Wochenende von Herrn Naso gequält, das stimmt doch? Sie bekommt die vielen Rohrstockhiebe und – vielleicht noch mehr?“
Hoffnungsvoll, fast flehend blickte sie zu dem Diener des Bösen auf, hoffte inständig, nicht der totalen Niederlage ins grausige Antlitz starren zu müssen.
„Ja“, nickte der Teufel.
Frau Kederfiel atmete auf und grinste.
„Aber bilde dir nicht etwa ein, sie würde dabei leiden“, fügte er hinzu. „Im Gegenteil. Ich kenne die Kleine.“
Frau Kederfiels Grinsen gefror. „W-was soll das heißen?“
Anstelle einer Antwort hielt ihr der Gehörnte ein Ezzerish-Dämonenglas vors Gesicht.
Und darin sah Frau Kederfiel, ungläubig zuerst, dann mit aufdämmerndem Entsetzen, Sahara – sah, wie sehr diese genoss. Sich dem Schmerz hingab. In Lust versank. Die Grobmagierin beobachtete, wie Naso die Peitsche sinken ließ, sie mit einem Fingerschnipsen aufforderte, den Kopf zu heben, und wie er ihr unversehens eine kräftige Ohrfeige gab. Woraufhin Saharas seliges, entrücktes Lächeln aufleuchtete. Oh nein! Frau Kederfiel begriff, wer und was Sahara war, und jedwede Hoffnung auf Erfüllung ihrer Wünsche erstarb in ihr. Sie und ihr Mann hatten das Spiel verloren.
Endgültig und total.
Die fassungslosen Gesichter der beiden Menschen brachten den roten Teufel zum Lachen, und sein Kollege stimmte mit ein.
„Sie hat euch schön reingelegt, was?“
Herr und Frau Kederfiel unterschrieben die geforderten Verzichts- und Entsagungserklärungen mit ihrem Blut. Benommen verließen sie sodann die Hölle.
Mit gebeugten Schultern und mit Herzen, in denen der schwarze Giftschleim der Bosheit eingetrocknet war.

Sahara erschauerte unter der Liebkosung des Leders, aber nicht aus Furcht. Selbstverständlich nicht.
„Am Anfang war es hart, oder?“, vermutete Naso.
Als Antwort öffnete Sahara ihre Schenkel, zeigte ihrem Gebieter die angeschwollene Perle und berührte sie. Sie war enthaart. Steckte ihren Finger tief in sich hinein und stöhnte leise. Ihre Hand war benetzt, als sie sie wieder hervorzog und Naso entgegenstreckte.
Er lachte. „Und wie lange bist du schon feucht?“
„Seit dem allerersten Hieb“, lächelte sie.
Herr Cühn, der Hausverwalter, saß im Atelier und trank eine Tasse Tee.
„Einfach gekündigt! Nach 42 Jahren ziehn die einfach aus, Knall auf Fall!“
„Na hören Sie mal, Herr Cühn“, sagte Brandywinia und goss ihm Tee nach. „So ein Verlust sind die Kederfiels nun nicht, und das wissen Sie auch. Die beiden haben das ganze Haus terrorisiert, nicht nur uns.“
Herr Cühn musterte sie misstrauisch. „Sie beide haben da doch nicht etwa Ihre Finger im Spiel?“
Brandywinia schaute ihn unschuldig an. Das Elfenglas hatte sie genauestens über den Stand der Dinge informiert. Vor einer halben Stunde. „Wie kommen Sie darauf?“
Herr Cühn sah sich um. „Wo ist übrigens Ihre Partnerin? Sie sind doch sonst unzertrennlich, ein Paar wie Pech und Schwefel.“
„Oh, dieses Wochenende ist Sahara ausnahmsweise – woanders und amüsiert sich prächtig dort.“
Weitere Einblicke in das goldgefasste Zauberglas hatten die ältere Künstlerin davon überzeugt, dass dies auch stimmte. Nun ja, sie kannte jene Sphäre schließlich auch sehr gut, hatte schon mehrmals selbst an dortigen Spielen teilgenommen, allerdings stets auf der Herrinnen-Seite.
Brandywinia lächelte den Hausverwalter an, in ihren goldbraunen Augen funkelte und irrlichterte es, und vor diesem machtvollen Lächeln ergriff er die Flucht.

Im Würfelbunker genoss Sahara eine weitere Auspeitschung von Nasos kundiger Hand. Ihr Gesäß und ihre Schenkel loderten, die intensiven Empfindungen rannen wie Ströme von Feuer durch sie hindurch. Sie brauchte nun nicht mehr zu schauspielern, sondern seufzte und stöhnte vor purer Schmerzlust.
Nebenbei setzte sie ihre daraus geschöpfte Energie, ihr ureigenes Ghaléhé, auf spektralmagische Weise ein und sandte es als silberschwarzes Traumnetz den Feinden nach, um ihnen Rückkehrgedanken auszutreiben.
„Wir werden wirklich eine Menge Spaß haben!“, meinte der Zwergdämon hochzufrieden.

Das Ehepaar Kederfiel verschwand für immer im verschlingenden Abgrund des Vergessens.

16. Jun. 2010 - Antje Ippensen

Bereits veröffentlicht in:

DAS HERZ DER DUNKELHEIT
M. Campbell (Hrsg.)
Anthologie - Phantastische Geschichten - Sieben Verlag - Dez. 2008

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