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Schattenkönige
von Carola Kickers

Andrä Martyna Andrä Martyna
© http://www.andrae-martyna.de/
Die Zeit gefriert in meinen Adern. Ich kann es fühlen. Und sie – sie schaut mir beim Sterben zu! Das Zimmer ist stockdunkel, und ich kann ihre Umrisse nur schattenhaft erkennen. Ihre Augen reflektieren das wenige Restlicht wie die einer Katze. Aber ich weiß, dass sie mich sehen kann, hilflos auf diesem Bett, wo wir ein paar Stunden zuvor noch soviel Spaß hatten. Ich hätte dieses Biest töten sollen bevor – ich mich in sie verliebte. Aber bei Rebekka bin ich mir nie wirklich sicher gewesen! Bis heute.
Ich erinnere mich noch an die Worte meines Vaters: „Lass dich niemals mit einem von denen ein.“ Dabei habe ich seine Begabung als Jäger geerbt. Ich kann sie riechen, ganz egal ob in einer Großstadt in einem Straßencafé oder in den einsamsten Gegenden dieser Welt. Es ist immer der gleiche Geruch von Tod und kaltem Blut. Nicht, dass mir mein Job Spaß machen würde. Seit dem Tod meines Vaters sind es immer mehr geworden, und Jäger wie mich gibt es nicht mehr viele. Ich verstehe nicht, warum andere Menschen sie nicht erkennen können. Die meisten von denen haben Augen, in denen sich nichts mehr spiegelt als man selbst. Ich bin sicher, dass ihr diesen Typen auch schon begegnet seid. Vielleicht wollt ihr es aber auch nicht sehen.
Ganz anders war das bei ihr. Sie gehört nicht zu diesen kleinen, bissigen Zecken, die nachts ihr Unwesen treiben. Diese „Frischlinge“ sind leicht zu töten. Das Erbstück meines Vaters, ein Kreuz aus reinem Silber mit der dolchartigen Spitze am unteren Ende benutze ich normalerweise zum Pfählen. Dann geht alles sehr schnell. Asche zu Asche…
Rebekka konnte ich nicht töten! Sie muss zu den „großen Alten“ gehören, von denen mein Vater mir mal erzählt hat. In ihren Augen liegt so etwas wie bengalisches Feuer. Wenn du hineinsiehst schleicht sich dieses Feuer in dein Gehirn, beherrscht deine Gedanken. Einer solchen Macht bin ich noch niemals begegnet. Auch ihr Geruch ist ein anderer. Ein Hauch von blumiger Vergänglichkeit umgibt sie, ein Duft wie in einer Grabkapelle. Schauer laufen über meinen Körper. Sind es die Erinnerungen oder…
Ausgerechnet in dem Fitness-Studio, in dem ich immer für meine nächtlichen Auseinandersetzungen trainiere, bin ich dieser Frau begegnet und sie hat mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Langes, kupferrotes Haar, moosgrüne Augen und der Körper einer Göttin. Wer hätte da widerstehen können? Es hat auch einige Zeit gedauert, bis wir uns näher gekommen sind. Für sie muss das ein nettes Spiel gewesen sein. Katz und Maus mit dem Jäger. Ich hab zu spät gemerkt, dass sie zu denen gehört. Sie entsprach einfach nicht meinem Klischee. Dann kam diese Nacht. Nach einem Kinobesuch sind wir bei ihr gelandet, in einer unscheinbaren Altbau-Wohnung in der Innenstadt. Ich weiß nicht mehr, wer von uns angefangen hat. Irgendwann hat sie begonnen, die Führung zu übernehmen. Die Berührungen ihrer zarten, weißen Haut waren kühl, doch sie hinterließen Brandspuren auf meiner Seele. Ich wusste, dass sie Gift für mich war, aber ich wollte immer mehr. Ihr Mund, der mich voll Leidenschaft und Wollust küsste, versprach mir die Ewigkeit…
Nach ihrem Biss setzte sich Rebekka auf die Bettkante. „Du warst gut“, lobte sie mich, „zur Belohnung werde ich dich nicht zu einem von uns machen. Es sei denn, du möchtest es unbedingt.“ Bei diesen Worten strich sie mit dem langen Nagel ihres Zeigefingers über meine nackte Brust bis zum Bauchnabel. Ich bin zu schwach, um zu antworten. Ein „Nein“ kann ich nur in Gedanken schreien. Ich hätte wetten können, dass sie lächelte. „Dachte ich mir. Eigentlich schade. Deine Welt wird sowieso bald nie wieder so sein, wie sie einmal war“, bemerkt sie mit ihrer weichen aber emotionslosen Stimme. Rebekka scheint genau zu wissen, wie viel Zeit mir noch bleibt! Mit der gleichen Stimme erzählt sie mir jetzt, was da draußen wirklich vorgeht. Die brauchen sich tagsüber längst nicht mehr zu verstecken!
Sie haben die Regierungen infiltriert und machen jetzt Gesetze für uns! Sie selektieren uns bereits über die DNA. Erst mal die Verbrecher, dann sind wir alle dran.
Und dieses neue Gesundheitssystem, das sie ausgetüftelt haben. Auf diesen Karten stehen unsere Krankheiten und unsere Blutgruppen! Ein gefundenes Fressen für sie, im wahrsten Sinne des Wortes! Unsere Unwissenheit ist ihr Vorteil. Jemand, der sich von einer Soap im Fernsehen begeistern lässt, wird sich wohl kaum mit Vampiren beschäftigen oder sie bekämpfen wollen.
Ich liege da mit geschlossenen Augen. Oh Mann, selbst wenn ich das noch jemandem erzählen könnte, würde mir niemand glauben!
Ich fühle noch, wie sich Rebekka zu mir neigt und mir sanft über mein Haar streicht. „Weißt du“, sagt sie so leise, dass nur ich es gerade noch hören kann. „Eure Esoteriker liegen gar nicht mal so falsch wenn sie behaupten, dass sich 2012 die Erde in eine neue Dimension begeben wird und die Menschheit in eine neue Daseinsebene eintritt.“ Dieser Zynismus in ihrer Stimme ist fast schmerzhaft. „Schade, dass du es nicht mehr erleben wirst - die Dimension der Dunkelheit.“

18. Jul. 2010 - Carola Kickers

Bereits veröffentlicht in:

ENGEL IN KETTEN
C. Kickers
Roman - Düstere Phantastik - Rosamontis Verlag - Aug. 2008

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