|
emperor-miniature
Teuflisches Spiel von Margret Schwekendiek
Andreas Gerdes © http://www.gerdes-design.de/art.html Ich werde sterben! Das ist überhaupt der einzige Grund meines Lebens.
Während ich hier in der Badewanne mit heißem Wasser sitze, zieht mein kurzes unspektakuläres Leben an mir vorbei. Himmel, ich bin eine von vielen inmitten einer Masse gesichtsloser Menschen. Ich will nicht gesichtslos sein, und ich will auch nicht zur Masse gehören. Das war überhaupt der Grund, warum ich mich mit ihm eingelassen habe. Mit Alex nämlich. Von Anfang an wusste ich, dass wir keine normale Beziehung führen würden. Er war ein besonderes Exemplar seiner Gattung: anmaßend, herrisch, überlegen, überheblich - einfach widerlich. Und doch war er wunderbar. Niemals zuvor habe ich solche Ekstase erlebt! Ob beim Streiten, beim Versöhnen oder im Bett. Du meine Güte, ich habe nicht einmal gewusst, dass man so viel Lust verspüren kann, wenn allein die Blicke eines Mannes auf meinen Brüsten ruhen.
Wenn seine Finger über meine Haut glitten ...
Aber ich schweife ab. Alex war wie aus dem Nichts aufgetaucht und erwischte mich in einer ausgesprochen depressiven Phase. Ich fühlte mich fett und hässlich, von anderen verfolgt und absolut unfähig irgendetwas richtig zu machen. Ich war kurz davor meinen Job und meine Wohnung zu verlieren, weil ich mich scheute, meine Ansichten richtig zu vertreten. Da stand plötzlich Alex vor mir, mitten auf der Straße. Er strahlte mich an, griff mit der linken Hand spielerisch in meine langen dunklen Haare und zog meinen Kopf dicht an seinen heran. Ohne ein Wort zu sagen küsste er mich, und ich dachte, die Welt öffnet sich unter meinen Füßen.
Du brauchst dringend etwas Selbstbewusstsein. Er lachte. Eine so schöne Frau sollte sich nicht vor sich selbst verstecken müssen. Ich werde ein paar Tage bei dir bleiben, und dann hat die Welt ein anderes Gesicht.
Wir waren kaum zuhause, als wir uns gegenseitig die Kleidung vom Körper rissen. Zu diesem Zeitpunkt fragte ich nicht einmal nach seinem Namen. Nach einer Nacht, in der keiner von uns schlief, nahm Alex das Heft in die Hand. Er rief meinen Chef an und beschimpfte ihn übel, ohne auf meine Proteste zu achten. Aber es funktionierte, ich konnte meinen Job behalten und bekam sogar einige Tage Urlaub. Als mein Vermieter klopfte, um sich über den nächtlichen Lärm zu beschweren, drängte Alex ihn eng gegen die Wand und versprach ihm, ihn die Treppe hinunterzuwerfen, wenn er mich noch einmal belästigte. Auch hier gab es plötzlich keine Probleme mehr.
Ich machte Alex Vorhaltungen, doch er lachte nur. Ich steigerte mich in meinen Zorn hinein, er konterte, und wir stritten lautstark und heftig, bis wir uns im Bett wiederfanden.
Das ging eine Woche so, und ich wusste über ihn noch immer nicht mehr als zu Anfang. Na ja, das stimmt nicht ganz. Ich fand heraus, dass er über unglaubliche Verbindungen verfügte. Wir bekamen Einladungen zu großartigen Partys, und er gab mit einem Lächeln Unsummen aus, um mich neu einzukleiden. Ich machte die Bekanntschaft von einflussreichen und wichtigen Leuten, die alle versuchten, die Aufmerksamkeit von Alex auf sich zu ziehen.
Wer oder was war er? Die Frage stellte sich immer drängender. Alex schien jeden und alle zu kennen, und alle waren wild darauf, dass er ihnen wenigstens eine Sekunde seiner Aufmerksamkeit schenkte. Unglaublich!
Alex benahm sich wie ein Feudalherrscher, machte einige Leute mit einem Lächeln glücklich und stürzte andere durch Nichtachtung in tiefe Verzweiflung.
Ich fühlte mich noch immer wie unter Strom, wenn mich seine Hand nur berührte, und es war mir im Grunde egal, dass die anderen mich als ihresgleichen akzeptierten. Für mich war nur Alex wichtig.
Fast drei Wochen vergingen in einem unglaublichen Rausch. Doch dann kam jäh die Ernüchterung.
Am Morgen nach einer besonders heftigen Liebesnacht legte Alex seine Hand unter meinen Kopf, beugte sich über meine Lippen und küsste mich, bis ich keine Luft mehr bekam. Dann aber schaute er mich an wie ein seltenes Insekt und wurde zu einem völlig anderen Menschen.
Es war wirklich unglaublich.
Aus den ebenmäßigen Zügen seines Gesichts wurde eine verzerrte Fratze, die immer noch seltsam anziehend wirkte, die aber gleichzeitig alle Unarten der Gemeinheit und Grausamkeit widerspiegelte. Hass, Gier, unbändige Lust, grausame Genugtuung, lodernde Wut, sadistisches Wohlgefallen all das und noch viel mehr, was man kaum in Worte fassen kann, malte sich in seinen Zügen.
Jede Nervenfaser in meinem Körper zitterte vor Angst, ich bebte trotzdem vor unendlichem Entzücken, und mein Blut rauschte hörbar durch die Adern. Ich wehrte mich nicht, als alle seine dunklen Triebe ein Ventil in mir fanden.
Du gehörst mir, Sandy McMillan, für alle Zeiten gehörst du mir.
Das hätte ich vielleicht noch verkraften können, doch für ihn gehörte es von nun an zum grausamen Vergnügen, mich in jeder Hinsicht zu demütigen.
Wer bist du? Was bist du?, stieß ich irgendwann hervor. Bist du der Teufel persönlich? Dann sag mir, warum du mir schon jetzt die Hölle bereitest?
Er zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen.
Nein nein, der Teufel bin ich nicht. Er ist es, der mich verflucht hat, verstehst du? Es ist sein Wille, dass ich bin wie ich bin. Ich kann keine Erlösung finden, und ich muss dich quälen, um selbst etwas Erleichterung zu haben.
Das war doch einfach nur absurd.
Ich stieß ein nervöses Lachen hervor und stieß Alex von mir weg.Lass mich in Ruhe, schrie ich ihn an. Geh zurück zu deinem Herrn und Meister, du hast hier genug Unheil angerichtet. Ich sprang aus dem Bett, splitternackt, und blickte an meinem sonst so makellosen Körper herunterm sah an ihm hässliche blaue Flecken, Quetschungen, verschorfte Wunden. Ich hatte genug. Genug!
Warum hatte ich mir das überhaupt so lange gefallen lassen? Warum hatte ich diesen Mann jemals an mich herankommen lassen? Ich musste verrückt gewesen sein. Vielleicht hatte er mich hypnotisiert oder auf andere Weise in seinen Bann geschlagen. Das war mir egal. Ich war aus dieser Trance erwacht und hegte nur noch den Wunsch, ihm alles zurückzuzahlen, was er mir angetan hatte.
In meiner Wut war mir zunächst nicht klar, dass Alex allein bei der Erwähnung des Teufels zurückschreckte. Seine Angst vor dem Satan war ebenso grenzenlos wie seine dunklen Triebe. Oder nein, die Angst war wesentlich stärker. Ich ging mit blitzenden Augen auf ihn zu und schlug ihn mit aller Kraft ins Gesicht.
Das ist für dein Vergnügen an meinem Weinen, und das ist für deine Freude an meinem Schmerz. Für jede empfundene Qual schlug ich zu, doch er machte keine Anstalten sich zu wehren. Und nun verschwinde endlich aus meinem Leben, geh dorthin zurück, woher du gekommen bist in die Hölle, schleuderte ich ihm schluchzend entgegen.
Ein Licht flammte in seinen Augen auf. Nicht ohne dich, flüsterte er rau. Denn du gehörst mir, und du wirst mir überallhin folgen. Er hob die Hand, um meine Wange zu streicheln, aber ich wollte mich nie wieder anfassen lassen weder von ihm noch von sonst jemandem.
In blinder Panik griffen meine Hände nach einem Gegenstand, es war der Korkenzieher, mit dem wir die letzte Flasche Wein geöffnet hatten. Voller Angst, Scheu und Erregung stieß ich zu. Die messerscharfe Spitze drang in seinen Hals ein, das Gewinde hinterher; Blut sprudelte, doch ich hielt nicht inne. Mehrmals stieß ich das Werkzeug in das weiche nachgiebige Fleisch, bis Alex blutüberströmt am Boden lag. Wiederum ging eine Veränderung mit ihm vor. Sein Gesicht wandelte sich zu dem eines sympathischen verletzlichen Menschen. Erst jetzt schlug ich entsetzt die Hände vor mein Angesicht, betrachtete das Blut überall und wurde mir klar darüber, dass ich getötet hatte. Doch ich fühlte kein Bedauern. Er hatte den Tod verdient.
Ich hockte auf dem Boden und starrte ins Leere. Was sollte ich tun? Die Polizei rufen? Einfach verschwinden? Oder aufräumen, die Leiche beseitigen und mich benehmen wie immer?
Bevor ich zu einer Entscheidung gekommen war, flimmerte die Luft vor mir, und eine Gestalt tauchte auf. Schwefligen Gestank hatte ich erwartet, wenn der Teufel erschien, aber es handelte sich um einen freundlichen älteren Herrn mit Anzug und Krawatte, der ein teures Rasierwasser benutzte. Kopfschüttelnd schaute er sich um.
Ich bin immer wieder erstaunt, zu welchen Gräueltaten ihr Menschen fähig seid, sagte er mit sanfter Stimme. Sieh nur, was du getan hast. Und mir sagt man Grausamkeit nach? Also wirklich! Aber nichtsdestotrotz, Mädchen, du glaubst doch nicht, dass du ungeschoren davonkommst? Du hast in meine Pläne eingegriffen, und das kann ich natürlich nicht durchgehen lassen. Wo kommen wir hin, wenn jeder kleine Mensch seinem eigenen Willen folgt? Aber ich bin heute großzügig und biete dir die Wahl: entweder tötest du dich selbst, so dass ich sofort in den Besitz deiner Seele komme, damit sie mir und Alex dienen kann oder du lieferst mir eine Reihe von Seelen, und ich werde dir das Fegefeuer ersparen und dich anschließend gleich willkommen heißen.
Wie bitte?, fragte ich entgeistert. Er lächelte mich an und hob die Hand. Du hast mich schon verstanden. Ich gebe dir eine halbe Stunde bis zur Entscheidung.
Vor meinen Augen verschwand Alex, ebenso wie das Blut und jeder Hinweis darauf, dass sich überhaupt jemand außer mir in diesen Räumen aufgehalten hatte.
Ein trüber grauer Morgen kroch durch die Fenster, und ich spürte den Tod in allen Knochen. Nein, ich würde niemanden mit in den Abgrund reißen, ich allein hatte diesen Fehler begangen, ich allein musste dafür büßen.
Mein Kopf war plötzlich vollkommen klar. Ich ließ Wasser in die Badewanne laufen, setzte mich hinein und starrte noch kurze Zeit ins Leere, wobei mir wie in einer Fotoshow die wenigen Höhepunkte meines Lebens an den Augen vorbeizogen. Dann nahm ich die scharfen Klingen aus dem Rasierer, den ich sonst für meine Beine benutzte. Es war so einfach, praktisch ohne Widerstand glitten die Klingen in meine Haut und die Adern. Mein Blut besaß eine wundervolle rote Farbe. Es vermischte sich mit dem heißen Wasser, ich glaubte, in einem roten Meer zu sitzen. Es tat gar nicht weh, und es dauerte auch nicht lange.
Aus dem Polizeibericht: Am frühen Morgen gegen 6.23 Uhr wurde die Leiche der 26 jährigen Sandy McMillan in ihrer Wohnung gefunden. Allem Anschein nach hat die junge Frau Selbstmord begangen. Sie litt schon seit längerem unter Depressionen. Nachdem sie seit über einer Woche nicht mehr bei der Arbeit erschienen war und in ihrer Wohnung niemand öffnete, brach der herbeigerufene Beamte die Tür auf. Miss McMillan musste bereits seit mehreren Tagen tot gewesen sein. Der Gerichtsmediziner schloss jede Fremdeinwirkung aus.
28. Aug. 2010 - Margret Schwekendiek
[Zurück zur Übersicht]
|
|