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Shandra von Alisha Bionda
Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:
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FABYLON VERLAG
A. Bionda
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Gaby Hylla © http://www.gabyhylla-3d.de Ich habe das Single-Dasein gründlich satt. Ein Mann muss her. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Tolle Typen wachsen nun einmal nicht auf Bäumen.
Warum legst du dir keinen Kater zu?, fragt Susan. Ich blicke sie konsterniert an. Das Tierheim hat immer Katzen, die ein neues Zuhause suchen.
Man kann Susan vielleicht mangelnde Kontaktfreudigkeit in Sachen Mensch vorwerfen, aber tierlieb ist sie. Daran führt kein Weg vorbei.
Einen Kater? Meine Unentschlossenheit könnte nicht größer sein. Ich bin nicht umsonst im Zeichen des Zwillings geboren. Wankelmütig und innerlich zerrissen. Werde ich jetzt auch noch esoterisch? Das fehlt noch. Und dann aus dem Tierheim...? Womöglich mit allen möglichen Macken. Man weiß ja nie, was sie schon erlebt haben, versuche ich es mit Argumenten.
Damit brauche ich Susan erst gar nicht zu kommen. Sie rollt mit den Augen und schnappt ihre Autoschlüssel. Seit Wochen jammerst du, wie einsam du bist. Ein Tier könnte das ändern.
Sie verabschiedet sich.
Das macht sie immer, wenn unsere Plauderabende nicht wie gewohnt verlaufen. Vor allem, wenn sie mich zum Nachdenken zwingen will, indem sie mich alleine lässt. Ich hasse das, weil es auch noch funktioniert. So sitze ich da und grübele. Allerdings nicht allzu lange. Bereits nach wenigen Minuten steht fest: Morgen gehe ich ins Tierheim und hole mir einen Kater.
Unschlüssig laufe ich tags später vor dem Katzenhaus des Tierheims auf und ab. Stoße einen Schrei nach dem anderen aus. Ist der rote Kater nicht prachtvoll? Sieht der Graugetigerte nicht elegant aus? Und erst der Rabenschwarze! Die Qual der Wahl hat mich voll im Griff. Als sie den Grad der Peinlichkeit erreicht, der Tierheimleiterin zum x-ten Mal die Augenbraue Richtung Haaransatz schnellt und ihr Birkenstock beschuhter Fuß immer hektischer auf die sterilen Fliesen wippt, ertönt das Fauchen, bei dem jeder Dschungeltiger blass geworden wäre.
Frau Tierheimleiterin dreht sich herum. Ihre Augenbrauen bilden nun ein exaktes Dreieck. Ach deeer schon wieder. Es wird Zeit, dass ... Sie lässt das, was dem Kater blüht, bedrohlich offen und hat mich sofort da, wo sie mich haben will.
In der Mildtäter-Ecke.
Mein Retterinstinkt erwacht.
Ich blicke mich um. Woher kommt das Fauchen? Frau Tierheimleiterin beantwortet meinen fragenden Blick stumm mit einer herrischen Geste.
Dann sehe ich ihn.
Den schwarzen Kater mit weißen Socken mit weißen Sahnefingern, wie ich sofort innerlich zärtel. Sein Fell glänzt so sehr, als habe man ihn in schwarze Schuhcreme getaucht. Aus giftgrünen Augenschlitzen starrt er mich an und grollt seinen Unmut hinaus in die Welt. Dabei malträtieren seine nadelspitzen Krallen die Gitterstäbe seines Gefängnisses. Er macht einen Buckel, der bei ihm eher putzig, als bedrohlich wirkt. Aber er ist mutig, und das allein zählt und nimmt mich augenblicklich für ihn ein.
Dann sieht er uns an.
Mit stummem Protest im Blick senkt er das Hinterteil und hinterlässt in der Box feuchte Zeichen der Missbilligung. Ohne dabei den Blick abzuwenden. Ich würde am liebsten applaudieren. Besonders, als ich die eisige Miene der Tierheimleiterin sehe. Mein Herz schmilzt dahin wie Butter in der Mittagssonne.
Er hat mich für sich gewonnen!
Ich nehme den Kater mit nach Hause, wälze ein Lexikon und entscheide mich für den stolzen Namen SHANDRA. Als ich ihn abends aus dem Bett verbannen will, gibt er einige empörte Maunzer von sich. Ich diskutiere nicht lange mit ihm und lasse ihn da wo er ist auf meinem Kopfkissen. Weich und warm. Mein Schädel liegt auf der harten Matratze daneben. Auch gut. Dafür bekomme ich Nachtmusik bis zum Abwinken. Er schnurrt mich dankbar und auch ein wenig triumphierend in den Schlaf.
Wann immer mein Auto nun um die Ecke biegt, schallt mir Shandras lautes und begeistertes Begrüßungsmiauen entgegen.
Ich bin nicht mehr allein!
21. Mai. 2010 - Alisha Bionda
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