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emperor-miniature
Der perfekte Plan von Fabienne Siegmund
Crossvalley Smith © http://www.crossvalley-design.de Oh ja. So müsste es gehen. Er musste nur noch diesen Knopf
und dann den roten Hebel. Ja, sehr gut.
Die silbernen Blitzfangkugeln, die er mühevoll an die Decke gebracht hatte nicht ohne Hilfe einer sehr komplizierten Mechanik begannen, sich langsam zu drehen.
Bald, bald schon würde es soweit sein. All die Arbeit, die schlaflosen Nächte, die hämischen Blicke und die spöttischen Worte all das würde ein Ende haben.
Endgültig.
Weil er, nur er allein, dann die Macht hatte.
Alle würden sich vor ihm verbeugen.
Selbst der Lord, der seine spitze Nase so sehr über seine Ideen gerümpft hatte, dass sich der Bart gekräuselt hatte.
Oh ja.
Sie würden sich fürchten.
Sie würden ihn fürchten.
Und gefürchtet zu werden, das hatte er gelernt, war besser, als geliebt zu werden.
Denn wenn man Angst hatte, hatte man Respekt.
Das mit der Liebe nein das war nichts für ihn.
Er hatte es versucht und es hatte ihn nicht weitergebracht.
Obwohl es natürlich auch schöne Seiten gegeben hatte. Sie war ausgesprochen attraktiv gewesen. Vielleicht liefen nun auch einige Kinder durch die Welt, die seine Gene hatten. Aber das kümmerte ihn nicht mehr.
Denn was waren schöne Momente wert? Nichts.
Sie wurden vergessen.
Er aber würde nicht vergessen werden.
Jetzt nicht mehr.
Nie.
Er strich sich durchs Gesicht.
Spürte, dass sein Bart vor Aufregung zitterte.
Die Blitzfangkugeln - mit den silbernen Kränzen um ihre Mitte über ihm drehten sich und warfen glitzerndes Licht in den Raum, der wie stets mit einem grünen Licht ausgeleuchtet war. Hier unten gab es keine Laternen oder Lampen, nicht so wie oben.
Hier unten gab es nur das Grün, das wie brackiges Wasser und saftiges Gras zugleich war.
Aber auch das spielte keine Rolle mehr.
Bald würde er das Tageslicht für sich erobern.
Kein Verstecken mehr, in den Aborten und Schatten der Welt.
Nein.
Man würde ihn fürchten.
Auch dort.
Überall.
Unruhig lief er auf und ab. Seine kurzen Schritte hinterließen trippelnd und ein wenig scharrend Geräusche auf dem Boden.
Er hasste es zu warten und doch konnte er es gut.
Immer hatte er warten müssen.
Auf die richtige Idee.
Die Gelegenheit.
Den richtigen Zeitpunkt.
Und weil einfach alles passen musste den richtigen Ort.
Ein dunkler Ort musste es sein. Geheim, denn niemand sollte sehen, was er tat.
Am Ende hatte er ihn gefunden. Hier, in einer trockenen Höhle abseits der großen Wege.
Nicht einmal der Lord würde sie kennen.
Oder seine Häscher.
Die über ihn lachten.
Aber bald, ja, bald würde niemand mehr über ihn lachen.
Seine Erfindung würde sie alle staunen lassen.
Worte der Bewunderung würden über ihre Lippen kommen.
Und Schreie der Angst.
Ja, auch die.
Denn Angst war das Instrument der wahren Macht.
Er allein konnte ihnen keine Angst machen.
Er war zu klein.
Nur einer unter vielen.
Aber seine Erfindung. Sie konnte es. Sie würden sie fürchten, und damit auch ihn, ihren Schöpfer und Lenker, das Genie hinter messerscharfen Krallen und glühenden Augen.
Noch war es nicht soweit. Noch nicht. Die Blitzfangkugeln drehten sich nicht schnell genug. Noch nicht.
Wie lange wartete er nun schon?
Diesen Ort zu finden war das
Leichteste von allem gewesen. Die Dinge zu beschaffen, die er brauchte, schwerer. Monatelang hatte er gesucht. Drähte und Schrauben, einzelne Haare, Kabel und Leitungen für die Apperaturen, Spiegelsplitter für die Blitzfangkugeln all das hatte er sich beschaffen müssen, denn jemandem wie ihm stand es nicht zu, dort oben, in der schnellen, hektischen Welt, die sich noch in Sicherheit wog, zu leben wie andere.
Er war anders.
Selbst unter tausenden, die waren wie er, war er anders.
Er hatte es immer gewusst.
Und jetzt würde sein Tag kommen.
Alles hatte passen müssen.
Jeder Draht, jede Schraube, jedes Stück Metall.
Nichts hatte er zurechtschneiden können, nichts ändern.
Dazu fehlte ihm die Kraft. Und die Möglichkeit.
Seine einzige Waffe war sein Verstand.
Er sah zu den Blitzfangkugeln, die sich langsam, aber sicher, schneller drehten.
Mit ihnen hatte er begonnen. Von ihnen hing alles ab.
Dann war die Apperatur gekommen. Die Verbindungskabel, die Drähte, alles, was sonst noch dazu gehörte.
Und dann, ja dann waren sie gekommen.
Seine Schönheiten.
Seine Barthaare zitterten abermals vor Anspannung.
Sie würden perfekte Jäger für ihn sein.
Raubtiere, wo er nur ein harmloses Wesen war. Wie seine Brüder und Schwestern.
Wie der Lord.
Ja, sie alle würden zittern, und vielleicht sterben.
Er hatte ein Konstrukt aus Draht und Stahl, Nägeln, Schrauben und Scharnieren errichtet und all das mit weicher Materie versehen, damit die Geschmeidigkeit seiner Schöpfung noch erhabener, eleganter, machtvoller wirkte. Haar für Haar hatte er gesammelt und es zu einem Fell verwoben, die Augen waren aus grün gesprungenen Glas und würden sie einmal die Lider öffnen, konnten sie jemandem das Herz aus dem Leib brennen.
Nicht umsonst hatte er seiner Schöpfung rote Schutzbrillen aufgesetzt.
Er selbst trug auch eine.
Schließlich wollte er den Triumph auskosten, wenn seine Lieblinge ihre Augen zum ersten Mal öffneten.
Direkt in die grünen Augen wollte er ihnen sehen.
Ihnen sagen, wer ihr Schöpfer war, wer ihnen spitze Zähne aus Porzellan und messerscharfe Krallen aus Stahl in die vier Pfoten gesetzt hatte.
Er.
Er allein.
Er war ihr Vater, ihr Schöpfer, ihr Herrscher.
Er hatte ihnen ihren Namen gegeben.
Katze.
Dieses Wort war es, das er gleich in die alte Tastatur eingeben musste.
Dieses Wort würde ihnen Leben einhauchen, ihre mechanischen Herzen in Bewegung setzen.
Und dann würde kommen, was längst hätte kommen müssen.
Er.
Ja, nur er.
Seine Schritte wurden schneller, trippliger, ungeduldiger und immer wieder strich er sich über seine Barthaare.
Und dann würde er es ihnen zeigen.
Allen.
Laborratte.
Ja, so hatten sie ihn genannt.
Hinter seinem Rücken und direkt vor seiner Nase.
Weil seine Augen rot leuchteten und seine Ideen so verdreht waren wie die Spitze seines Schwanzes.
Und ja, eine Laborratte, das war er.
Aber er war entkommen, war dem Labor entflohen und mit ihm all den Kabeln, Drähten und Schnüren, mit denen man elektrische Impulse durch seinen Körper gejagt hatte.
Oh ja, er war dem Käfig entflohen, und nun würden sie alle in Käfige kommen.
Eingesperrt von seinen Katzen.
Sie würden sie alle kriegen.
Die, die ihn gepiesackt hatten.
Die, die ihn verspottet hatten, als er wieder bei seinesgleichen angekommen war.
Alle.
Die Blitzkugeln drehten sich schneller und schneller und schneller und schneller.
Weit entfernt von seiner grünen Welt hörte er ein Grollen.
Ja, jetzt, jetzt war es soweit.
Nichts konnte mehr schiefgehen.
Sein Schwanz peitschte unruhig hin und her, her und hin, wie ein Pendel, das Sekunden anstatt Minuten zählt.
Er trippelte zur Tastatur.
Sie hierhin zu bringen, war mitunter am schwersten gewesen, als er sie an einem Straßenrand abseits von hier gefunden hatte.
Weggeworfen worden war sie, als Müll bezeichnet wie er selbst.
Und doch so kostbar, so kostbar für ihn und seine Pläne.
Er konnte es direkt vor seinen Augen sehen und der Gedanke ließ sein weißes Haar kribbeln.
Zuerst würden sie den Lord töten.
Ihm mit einem Pfotenschlag das Leben aushauchen, um ihn danach mit ihren spitzen, weißglänzenden Zähnen zu zermahlen und zu verschlingen.
Den Kopf zuerst.
Zum Schluss der Schwanz.
Sogar für die Entsorgung der Überreste hatte er gesorgt. Hatte sich andere Wesen angeschaut, angeschwemmt vom brackigen Wasser der Kanäle.
Mäuse waren da gewesen.
Vögel.
Ratten, wie er.
Ja, vor allem an ihnen hatte er sich ein Beispiel genommen.
Und ihr Bild auf die dünne Folienschicht in den Augen der Katzen eingebrannt.
Sie würden sie erkennen, seine Feinde. Alle.
Er tippte den ersten Buchstaben ein.
K.
Lesen hatte er im Labor gelernt.
Der zweite.
A.
Der dritte.
T.
Der vierte.
Z.
Dieses Wesen würde die Welt verändern.
Er legte seine Pfote auf den fünften und letzten Buchstaben und malte sich aus, wie es sein würde, wenn seine Schönen die erste Ratte zu sehen bekämen.
Jagen würden sie sie.
Zerfleischen.
Seine Gedanken stockten.
Seine Barthaare erstarrten.
Das konnte nicht sein!
Er hatte doch an alles gedacht!
Die richtige Idee.
Die passende Gelegenheit.
Den perfekten Ort.
Sogar das Wetter hatte er für sich gewonnen, hier in der Tiefe, wo Wetter nur der Unterschied zwischen rauschendem und plätscherndem Kanalwasser war.
Die Projektionen von Ratten, ob grau, weiß, braun oder schwarz, ihr Geruch, ihre Geräusche alles hatte er seinen Wesen mit auf den Weg gegeben.
Nur eins hatte er dabei nicht bedacht.
Er selbst war eine Ratte.
Eine besondere Ratte zwar, aber das würden diese Tiere nicht wissen.
Er wollte den Vorgang abbrechen, musste es tun, aber in den Sekundenbruchteilen, die vergangen waren, seit er seinen Fehler im Plan den einzigen Fehler im Plan- entdeckt hatte, waren zu lang gewesen. Seine Vorderpfote hatte bereits den fünften und letzten Buchstaben der Kombination eingegeben.
E.
Mit bebender Nase sah er zu seinen beiden Geschöpfen.
Wie schön sie waren.
Wie gefährlich.
Angst bedeutete Macht.
Sie hatten Macht.
Über ihn. Er wusste es, weil sein Herz schneller schlug als das Surren von Fliegenflügeln.
Grüne Augen öffneten sich.
Sahen ihn hinter rotgetönten Gläsern an.
Oh, wie schön sie waren.
Wie gefährlich.
Eine der wunderbar weich aussehenden Pfoten setzte sich in Bewegung. Wie elegant sie waren. So, wie er es sich ausgemalt hatte.
Eine innere Stimme sagte ihm, dass er fliehen musste.
Einzig, er konnte es nicht.
Er konnte nur dahocken, reglos mit wild pochendem Herzen und zitternden Ohren und das Wesen bewundern, das er erschaffen hatte.
So schön.
Die Pfote schnellte durch die Luft.
Er sah das Glitzern der scharfen Krallen.
So gefährlich.
Was hatte er getan?
Er spürte die Krallen in seinem Fell, der Schlag ließ ihn durch die Luft schleudern.
Oh ja, sie würden mit ihm spielen.
So wie sie mit seinen Feinden spielen sollten.
Wie sie es tun würden.
Wenn sie mit ihm fertig waren.
Sie würden ihnen alle das Fürchten lehren.
Und er würde es nicht mehr erleben.
Weil er der Erste war.
Der Erste. Nicht der Einzige.
22. Apr. 2011 - Fabienne Siegmund
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