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Ronnies Vorrat von Lothar Nietsch
Fabian Fröhlich © http://www.blindbild.de Ronnie schluckte, starrte auf den blutigen Eispickel in seiner Hand, dann auf Edwins niedergestreckten Körper. Es war so schnell gegangen, viel zu schnell. Eben noch hatte sich Edwin geweigert, ihm etwas auf Pump zu geben. Ronnie waren vor Verzweiflung die Tränen in die Augen geschossen, Wut und Hass hatten ihn übermannt. Was dann geschah, stellte Ronnies Erinnerung vor beachtliche Herausforderungen. Er war voll am Arsch gewesen, soviel war ihm noch klar, hatte dringend etwas Crystal gebraucht, aber dann war es um Geld gegangen, wie er sich dunkel erinnerte. Ein ziemlich großer Batzen wäre noch offen, hatte Edwin behauptet. Ronnie begann zu frösteln, als er das Geschehen im Geist rekapitulierte. Ein Missverständnis, Edwin täuschte sich, jede Wette, er hatte doch immer bezahlt, ganz bestimmt. Schließlich hatten sie sich angeschrien und Ronnie hatte nach dem Erstbesten gegriffen, das in seiner Reichweite gelegen hatte. Aber ausgerechnet der Eispickel? Scheiße verdammt, dachte er. Beunruhigt beobachtete er die Blutlache, die sich unter Edwin ausbreitete. Ein Stakkato aus Bildern flutete seine Vorstellung. Szenen unzähliger CSI-Folgen, die er sich reingezogen hatte. Einsatz in dunklen Räumen, Klarsichtbrillen auf den Gesichtern der Ermittler, blaues Licht und die hellen Flecken. Blut, das unter normaler Beleuchtung nicht zu erkennen war. In diesem Moment hellten sich Ronnies Gesichtszüge auf. Wenn er blutete, lebte Edwin vielleicht noch. Ein Hoffnungsschimmer keimte in Ronnies Augen, während er sich bückte, um Edwins Puls zu fühlen. Aber noch bevor seine Finger den Hals berührten, hielt er inne.
Das klaffende Loch, welches der Eispickel in Edwins Herzgegend hinterlassen hatte und aus dem noch immer etwas Blut sickerte, ließ die Wahrscheinlichkeit, Edwin habe die Attacke überlebt, selbst für Ronnies vom Entzug beeinträchtigte Gedankenströme als äußerst fragwürdig erscheinen. Der gebrochene Blick Edwins sprach Bände. Allmählich realisierte Ronnie, dass er in der Klemme saß einer mächtig großen Klemme.
Als wäre er plötzlich glühend heiß geworden, schleuderte Ronnie den Eispickel auf den Tisch. Er landete vor dem zusammengerollten Bergsteigerseil, dem Klettergurt und einigen Karabinern, die neben zahllosen leeren Bierdosen, drei überquellenden Aschenbechern, abgegriffenen Pornoheften, mindestens einem halben Dutzend Pizzaschachteln und diversen anderem Kram die Tischplatte unter sich begruben. Ronnie fragte sich, weshalb er die Kletterausrüstung hervorgeholt hatte. Seit Jahren hatte die unbeachtet im hintersten Winkel seines Schrankes Staub angesetzt. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran entsinnen, zu was er die erst kürzlich gebraucht hatte.
Einerlei Ronnie wischte den Gedanken fort und hastete zum Fenster. Eine schreckliche Ahnung hatte ihn ereilt. Ein Verdacht, der keinen Aufschub duldete. Hoffentlich hatte niemand gesehen, wie Edwin ins Haus gegangen war. Mit klopfenden Herzen beugte er sich über die Fensterbank, es ging auf Abend zu, die Schatten wurden länger. Eine Handvoll Passanten schlurfte ohne Eile auf den Trottoirs, noch weniger Fahrzeuge bewegten sich über die Straße. Nirgendwo eine Gestalt, die aufgeregt nach der Polizei rief und mit dem Finger auf Ronnies Fenster deutete. Er checkte die geparkten Autos. Erleichtert entließ er den angehaltenen Atem, als er Edwins rostigen Kombi nirgends entdeckte. Gerade wollte er das Fenster schließen, als er erstarrte
Was, wenn Edwin jemandem gesteckt hatte, dass er zu Ronnie wollte? Oh, Mann! Nervös kratzte sich Ronnie am Kopf ausgerechnet jetzt begann es ihn überall zu jucken er nahm die zweite Hand hinzu, kratzte beidhändig. Schuppen, Haare und Haut lösten sich unter seinen Fingernägeln, er konnte nicht denken, brauchte Stoff. Doch diesbezüglich saß er absolut auf dem Trockenen. Sein Blick fand die Leiche. Ich Vollidiot, dachte Ronnie. Wie ein Verdurstender zum Wasser, hechtete er neben Edwin zu Boden, durchwühlte mit zitternden Fingern dessen Taschen. Endlich ertastete er, wonach die Rezeptoren seiner Nerven so unerbittlich verlangten.
Mit leuchtenden Augen und offenem Mund hob er die prall gefüllte Plastiktüte von der Größe einer Kinderfaust in die Höhe, blickte triumphierend in Edwins starre Augen.
Fünf Minuten später, das Brennen in der Nase und den Stirnhöhlen wich der obligatorischen Euphorie, blickte die Welt wesentlich freundlicher auf Ronnie herab, geradezu wohlwollend. Jetzt wurde er mit allem fertig. Was lag noch mal an? Ach ja, Edwin hatte irgendwem erzählt, dass er Ronnie besuchen wollte. Er musste also nur herausfinden, wem. Aber was dann? Vielleicht bildete er sich auch nur etwas ein und Edwin hatte niemanden etwas gesagt. Ronnie hatte keine Ahnung. Sein Blick fiel auf Edwins bewegungslosen Körper. Wolltest mich fertigmachen, was? Nicht mit mir. Ronnie kniff die Augen zusammen. Da musst du schon früher aufstehen.
Der bittere Geschmack der Droge rann Ronnies Hals hinunter. Er griff zu einer Bierdose leer. Auch die übrigen, alle ausgetrunken. Er seufzte, ein Toter auf dem Teppich und nichts zu trinken im Haus. Resigniert ließ er den Kopf hängen, saß einfach nur da, dachte kaum, registrierte noch weniger. Dann ging ein Ruck durch ihn, realisierte er den Handspiegel vor sich auf dem Tisch, die Pornohefte als Unterlage, das Tütchen mit der kristallähnlichen Substanz. Wie ein Stromschlag durchzuckte ihn die Erkenntnis. Hatte er dafür wirklich einen Menschen getötet? Er fasste es nicht, aber Edwins leblosen Körper vor dem Wohnzimmertisch bildete er sich keineswegs nur ein. Ronnie durchlief ein Zittern. Erstmal eine Line nachschießen, das half bestimmt, brachte die grauen Zellen auf Trapp. Hochkonzentriert gab er einige Brocken aus dem Tütchen auf den Spiegel, zerdrückte sie mit einer Plastikkarte und formte aus den weißen Bröseln eine akkurate Linie. Als er sich wenig später zurücklehnte, die Droge damit begann einen weiteren Teil seines Gehirns zu zerfressen, schaltete er mechanisch den Fernseher an, an Edwin dachte er überhaupt nicht.
besorgniserregende Meldungen erreichen uns aus Mumbai, Indien. Nachdem einige Stunden zuvor in Tokio, Japan, ähnliche Ausschreitungen
, drang die Stimme der Nachrichtensprecherin zu ihm durch. Konsterniert kratzte er sich hinter dem Ohr. Die Worte der Meldung nahm er wahr, ohne dass er deren Sinn erfasste.
nach einer Massenpanik während eines Rockkonzertes mussten mehrere Dutzend Besucher mit zum Teil schweren Bisswunden in den Krankenhäusern versorgt werden. Über die Hintergründe, oder die Täter, ist bislang nichts bekannt. Auch aus China berichtete ein Lokaler Sender von Übergriffen letzter Nacht, demnach einige Personen gebissen worden seien. Bei den Verletzungen soll es sich ebenfalls um menschliche Bisswunden handeln
Ach, fick dich, dachte Ronnie und schaltete ab. Da lag ein beschissen toter Dealer in seinem Wohnzimmer und die im Fernsehen sorgten sich wegen so einem Scheiß, irgendwo am Arsch der Welt. Ratlos sah er sich um, draußen schaltete sich die Straßenbeleuchtung ein. Vielleicht sollte er warten bis im Haus alle schliefen und Edwin dann in den Keller schaffen. Doch wie dann weiter? Er konnte sich zwar nicht explizit an die Beschaffenheit des Kellerbodens erinnern, war sich aber ziemlich sicher, dass es sich dabei nicht um festgestampften Lehm handelte. In amerikanischen Filmen hatten die so was. Wahrscheinlich bedachten die Amis schon beim Häuserbau die Möglichkeit, anfallende Leichen bei Bedarf im Keller zu entsorgen. In Amerika müsste man leben, nicht in Deutschland, noch dazu in dieser armseligen Stadt, in der die Zahl an Polizisten und verdeckten Ermittlern die der Einwohner bei Weitem zu übertreffen schien. Jetzt wünschte sich Ronnie doch, Edwins Wagen draußen gesehen zu haben, dann könnte er Edwin in den Teppich einrollen und in den Kombi werfen. Anschließend runter zum Kanal düsen und aus dem fahrenden Auto springen, bevor es über die Böschung brauste und im Wasser verschwand. Ja, das wäre eine saubere Lösung. Durch das Wasser brauchte er sich dann auch wegen der Forensik keine Gedanken zu machen. Zumindest nahm er das an, war sich in diesem Punkt aber nicht ganz sicher. Jetzt fiel ihm wieder ein, dass er ja nicht einmal wusste, wo Edwin seine Karre überhaupt abgestellt hatte. Vielleicht war sie in der Werkstatt, oder in der Schrottpresse. Wenn er darüber nachdachte, erschien ihm Letzteres sogar wahrscheinlicher.
Ronnie seufzte. Wenn er nur einen klaren Gedanken fassen könnte, aber jedes Mal, wenn er das Gefühl hatte, eine Idee bahne sich an, verflüchtete sie sich, entzog sich hartnäckig seinem Zugriff. Wie von selbst fand sein Blick das Tütchen und den Spiegel. Ja, er sollte wohl besser nachlegen. Er war völlig down gewesen, rechtfertigte er sich im Stillen vor sich selbst, hatte tagelang nichts gehabt und seine normale Betriebsdosis galt es erst noch zu erreichen. Voller Eifer nestelte Ronnie an der Tüte.
Dieses Mal sprengte ihm das Crystal die Schädeldecke fort. Ronnies Herz raste, er spürte die Hitze im Gesicht, das Zeug war der Hammer. Er ließ los, gab sich der Wirkung hin, lauschte seiner Atmung, dem Blutkreislauf, Gedanken, welcher Art auch immer, ließ er nicht zu. Wie lange er in diesem Zustand verharrte, entzog sich ihm später. Draußen herrschte stockfinstere Nacht, sein Kopf plötzlich glasklar, sein Verstand präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Dann fiel ihm Edwin ein und widerwillig betrachtete er die Leiche. Sie lag unverändert auf dem Boden. Scheiße, wie hatte er das nur ausblenden können? Andererseits, was hätte er in der Zwischenzeit schon unternehmen können? Er konnte schließlich nicht mit einem Toten über der Schulter einfach aus der Wohnung spazieren. Was sollte er sagen, wenn ihn dabei jemand sah? Ganz zu schweigen davon, dass er noch immer nicht wusste, wohin damit. Nun, solange niemand kam und Edwin bei ihm suchte war er in Sicherheit doch irgendwann würde Edwin zu stinken anfangen. Warst schon immer ein Stinker, dachte Ronnie mit einem wütenden Blick auf den Leichnam. Unterbewusst griff er zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Er zappte etwas herum, mehr aus Gewohnheit, als dass er nach einem bestimmten Sender suchte, trotzdem wunderte er sich, dass auf allen Programmen gleichzeitig Nachrichten liefen. Ronnie zuckte die Achseln, legte die Fernbedienung auf den Tisch. Er hatte Durst und mit steifen Gelenken stakste er in die Küche, um einen Schluck aus der Wasserleitung zu nehmen. Halbherzig und ohne tatsächliches Interesse lauschte er dabei dem Moderator der Sendung.
die Welle der Gewalt dringt mit erschreckender Geschwindigkeit nach Westen vor. Nach den Meldungen aus China erreichten uns nur wenige Stunden später ähnliche Nachrichten aus Indien und Russland ...
Haben wir Krieg?, fuhr es Ronnie durch den Kopf, während er seinen Mund zum Wasserhahn brachte und aufdrehte. Er hörte weiter zu, während er gierig trank.
gegen 22:00 Uhr meldeten die Behörden in Warschau und Budapest erste Übergriffe. Die Weltgesundheitsbehörde hat einen provisorischen Krisenstab einberufen. Experten sollen klären, ob es sich bei dem Phänomen um einen Krankheitserreger handelt, doch die rasante Verbreitung scheint koordinierte und sinnvolle Gegenmaßnahmen von vorneherein zum Scheitern zu verurteilen. In den Städten Asiens wurde vor Stunden der Ausnahmezustand ausgerufen, laut den letzten Meldungen, die uns von dort erreichten, versuchen die Militärs der Lage Herr zu werden. Leider brachen die Verbindungen zu unseren Korrespondenten ab, sodass wir von hier aus nicht beurteilen können, inwieweit sich die Lage dort normalisiert hat
Ronnie drehte das Wasser ab, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Hatte er das richtig verstanden? Er ging zurück ins Wohnzimmer, hörte jetzt aufmerksam zu.
bislang hat sich kein Experte zu Wort gemeldet und wenigstens eine Vermutung geäußert, mit was wir es hier zu tun haben könnten. Das Einzige, was sich über dieses Phänomen mit Sicherheit sagen lässt, ist der Umstand, dass es mit der Nacht über unseren Globus wandert. Wobei dies durchaus dem Zufall zuzuschreiben sein könnte. Aber das ist auch nicht die Frage, sondern: Was bringt Menschen überhaupt dazu, über Mitbürger herzufallen, sie gar wie Tiere zu beißen? Augenzeugen berichten von unvorstellbarer Gewalt, die Opfer wurden von den Tätern regelrecht ausgeweidet mit bloßen Händen und ihren Zähnen
Moment bitte ... ah, ich erfahre gerade aus der Regie, dass wir über neue Meldungen verfügen
In diesem Augenblick fiel Ronnies Blick auf Edwin. Richtig, den musste er loswerden, das war bedeutend dringlicher, als sich Meldungen über Kannibalismus reinzuziehen. Er blendete die Stimme des Moderators aus und plötzlich flammte eine Idee, grell wie ein Komet, in seinem Geist auf. Ja, auf diese Weise konnte er sich der Leiche entledigen. Er würde Edwin über das Fenster in der Toilette zum Hof hin abseilen. Nachts begab sich keine Menschenseele in den Hinterhof. Dann war die Zeit der Ratten, die Nacht für Nacht die Höfe des Stadtteils in Scharen heimsuchten, sich an den Mülltonnen gütlich taten. Und auf diese Weise konnte ihm auch niemand im Treppenhaus über den Weg laufen, wenn er mit Edwin über der Schulter nach unten stapfen würde. War Edwin erst einmal aus der Wohnung, wollte er überlegen, wie es weiterging. Vielleicht erledigten die Ratten ja den Rest und er musste später nur noch die Knochen einsammeln. Ja, so machen wirs, dachte er und grinste Edwin ins Gesicht. Nur den Klettergurt anlegen, die Leiche über das Fensterbrett wuchten und langsam ablassen. Voller Eifer machte sich Ronnie daran, Edwins widerspenstigen Gliedern den Klettergurt anzulegen. Schweiß tropfte von seiner Stirn, als er es endlich geschafft hatte, stoßweise atmend saß er neben dem toten Dealer. Edwin erwies sich als weitaus schwerer, als Ronnie für möglich gehalten hatte und nun befürchtete er, die Leiche eventuell gar nicht aus dem Fenster wuchten zu können. Zumindest wollte er das Seil zuvor irgendwie sichern, nicht dass er es nicht halten konnte und Edwin im Hof auf das Pflaster klatschte. Das würde garantiert böse Spuren hinterlassen trotz der Ratten. Aber woran das Seil befestigen? Im gleichen Moment, als er sich das fragte, erinnerte er sich an die Hängematte, die er irgendwann einmal im Wohnzimmer aufgespannt hatte die Haken hatte er damals in der Wand fest verschraubt, mit Hochlastdübeln und er hatte sie später nicht entfernt. Das Seil schätzte er lang genug, dass es durch die kleine Wohnung über das Toilettenfenster bis hinunter zum Hof reichte. Ächzend stand er auf, nahm sich das lose Ende des Seils, knotete es an einen Karabiner und klinkte den in den Wandhaken ein. Versuchshalber legte er sich mit seinem ganzen Gewicht in das Seil, zog daran, so stark er vermochte. Das hielt, keine Frage. Zufrieden ließ er ab, drehte sich um und erstarrte
Hatte Edwin den Stoff mit LSD vermischt, oder was war los? Fassungslos glotzte er zu Edwin, der von den Toten auferstanden schien und sich soeben abmühte, sich in sitzende Haltung aufzurichten. Dabei röchelte er, als wäre er am Ertrinken. Ronnies kristallisierter Verstand ratterte auf Hochtouren. Entweder halluzinierte er, oder er hatte Edwin nicht richtig erwischt. Aber das Loch in seiner Brust. Nur eine Fleischwunde?
Fasziniert beobachtete Ronnie Edwins lächerliche Versuche, der Klettergurt behinderte ihn, er zuckte mit Armen und Beinen, wälzte sich vom Rücken auf den Bauch, dann wieder auf den Rücken, dabei verhedderte er sich im Seil, schlang es zweimal um sich. Seine Bewegungen waren durchaus kraftvoll, wie Ronnie verblüfft registrierte, nur so absurd unbeholfen, ohne jegliche Koordination. Der Anblick erinnerte Ronnie an einen Roboter, dessen Schaltkreise durchgeknallt waren. Er kicherte, beobachtete halb fasziniert, halb entsetzt, wie die Kreatur unverzagt darin fortfuhr, die Kontrolle über die eigenen Glieder zu erlangen. Keine Sekunde hielt sie in den Bewegungen inne, die mit jeder verstreichenden Minute weniger hilflos anmuteten. Irgendwann hatte sie es geschafft und saß, von mehreren Schlingen Seils umwickelt, auf ihrem Hintern. Stumpfe Augen fixierten Ronnie, ein verlangendes Grollen entrann der blutverkrusteten Brust, der Mund öffnete sich und mit unvermittelter Zielstrebigkeit begann das Edwin-Ding zu Ronnie zu kriechen. Ronnies Kinnlade klappte herunter, seine Knie gaben ihre feste Materie auf, sein Herz erhielt den Startschuss für einen Hundert-Meter-Weltrekord und sprintete los. Wie eine drohende Prophezeiung drang nun die Stimme des Fernsehmoderators in Ronnies Bewusstsein.
keine Spekulationen. Meine Damen und Herren! Den neuesten Meldungen zufolge, die uns aus zuverlässiger Quelle erreichten, handelt es sich bei den Tätern um jüngst verstorbene Personen. Nicht zu fassen, aber Sie haben richtig gehört. Die schlimmsten Phantasien der Menschheit sind Wirklichkeit geworden. Ich wiederhole: Das sind keine Spekulationen. Die Behörden fordern die Bürger auf in ihren Häusern und Wohnungen zu bleiben und dafür zu sorgen, dass alle Türen und Fenster verschlossen sind. Derzeit berät das Parlament und es ist nicht auszuschließen, dass noch zur Stunde der Ausnahmezustand ausgerufen wird
Zombies!, schoss es Ronnie durch den Kopf. Lebende Tote, das gibts doch nicht. Dabei war er unfähig sich zu bewegen, oder den Blick von Edwin abzuwenden. Der kam wegen des ihn umschlingenden Seils kaum vor der Stelle, immerhin hatte er es geschafft sich auf den Bauch zu werfen, doch verfing sich das Seil gleich hinter ihm unter einem der Tischbeine. Mit stoischem Gesicht ruderte der Tote mit den Armen nach Ronnies Beinen.
Ronnies Herzschlag hatte die Ziellinie erreicht und beruhigte sich. Echt abgefahren, dachte er im nächsten Moment. Ich bin aus dem Schneider! Hab Edwin gar nicht gekillt. Okay, so richtig lebendig sah Edwin nicht gerade aus, das musste Ronnie zugeben, aber er entsprach keinesfalls dem, was er sich unter einer gewöhnlichen Leiche so vorstellte. Fasziniert betrachtete er den Dealer, der in seinen Bemühungen ihn zu erreichen nicht nachließ. Plötzlich fanden Edwins Füße auf dem Boden Halt und er schob sich behäbig auf Ronnie zu. Den Tisch zog er hinter sich her.
Jetzt erwachte Ronnie aus seiner Erstarrung Adrenalin und Droge reichten sich die Hände und gaben Gas. In rekordverdächtiger Schnelligkeit erfasste Ronnie die Situation. Das Seil! Er musste das Seil kürzen, den Bewegungsradius des Edwin-Dings einschränken. Mit einem Satz war Ronnie an Edwin vorbei, schnappte sich das Seil, befreite es vom Tischbein, ließ zwei Meter zu Edwin nach, so, dass ihn der gerade nicht erreichen konnte, dann zog er den grunzenden Leichnam hinter sich her, bis zur Wand, wo der Karabiner befestigt war. Ronnie staunte selbst über die Kraft, die ihm auf einmal innewohnte und im selben Augenblick genoss er sie. Zielstrebig verknotete er das verkürzte Seil mit Edwin an seinem Ende am Karabiner. Kaum hatte er das geschafft, wich er zur Seite hin aus dem Zwei-Meter-Radius heraus, der Edwin geblieben war. Aber die Eile wäre gar nicht nötig gewesen, wie Ronnie feststellte. Er hatte Edwin offenbar auf den Rücken geworfen, als er ihn hinter sich her geschleift hatte. Nun strampelte der Zombie mit Armen und Beinen in der Luft herum. Ronnie hoffte nur, dass ein Toter nicht lernte, wie man sich aus einem Klettergurt befreite. Im Moment sah ihm das allerdings nicht danach aus. Wenigstens hatte er jetzt nicht mehr das Problem eine Leiche loswerden zu müssen. Genauso wenig aber, hatte er den blassesten Schimmer, was er mit einem lebenden Toten anfangen sollte. Vom Regen in die Traufe, dachte er und ließ sich mit klopfendem Herzen auf die Couch fallen. Jetzt hatte er sich eine weitere Stärkung verdient und er griff zu Edwins Tütchen. Während er sich eine Spur legte, verfolgte er die Sondersendung im Fernsehen und beobachtete zugleich Edwins kuriose Versuche, sich in Richtung Ronnie auszurichten, was sicher noch einige Zeit in Anspruch nahm, da ihn das Seil um seinen Körper nach wie vor behinderte.
... soeben rief die Bundesregierung den Ausnahmezustand aus. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, sich umgehend von den Straßen zu entfernen. Sondereinheiten der Polizei und des Militärs rücken derzeit in die betroffenen Regionen aus. Wir erwarten in Kürze einige Experten zu dem Thema bei uns im Studio. Bleiben Sie also am Apparat ...
Na großartig, dachte Ronnie, jetzt sitze ich also wer weiß wie lange mit dem Stinker hier fest. Vielleicht sollte ich doch versuchen Edwin irgendwie aus dem Toilettenfenster zu bekommen. Mit einem finsteren Blick zu Edwin, rollte er einen Geldschein zusammen und beugte sich über den Spiegel.
In den folgenden zwölf Stunden hatte es Edwin immerhin geschafft aufzustehen. Die sechs Stunden danach beschäftigte er sich damit, sich gegen den Widerstand des Bergsteigerseiles zu stemmen und mit den Armen nach Ronnie zu rudern. Dabei gab er ohne Unterlass grunzende Laute von sich. Ronnies immer ungehaltenere Aufforderungen, die Klappe zu halten, blieben ohne Erfolg. Selbst ein Bombardement aus leeren Bierdosen verpuffte wirkungslos. Aus Mangel an weiteren entbehrlichen Wurfgeschossen, beschloss Ronnie seinen Ex-Dealer zu ignorieren. Um einen klaren Kopf zu bewahren, frischte er im zweistündigen Rhythmus die Drogenkonzentration in seinem Blutkreislauf mit einer weiteren Dosis Crystal auf. Der Fernseher lief in der ganzen Zeit ununterbrochen, das Programm war mit den Stunden für Ronnie zum normalen Hintergrundgesäusel geworden. Auf allen Kanälen debattierten so genannte Experten darüber, wie der Krise zu begegnen sei ohne eine konkrete Aussage über die Art derselben zu treffen. Das Zombiephänomen breitete sich dessen ungeachtet über ganz Europa aus. Professoren, Geistliche und hochrangige Offiziere ergingen sich in abstrusesten Theorien oder warfen mit von Fremdwörtern gespickten Phrasen um sich. Die Mediziner sprachen von einer Pandemie, ausgelöst von unbekannten Viren, die Geistlichen vom jüngsten Gericht und die Militärs von Terrorismus, drohenden Plünderungen und Vandalismus.
Ronnie hatte längst schon aufgehört den widersprüchlichen Ausführungen zu folgen. Ihn plagte ein anderes Problem. Er hatte Hunger wie ein Sklave, nicht den kleinsten Krümel zum Essen im Haus und auf die Straße brauchte er sich auch nicht mehr zu wagen. Die Regierung hatte gegen fünf Uhr Morgens das Kriegsrecht ausgerufen und eine vollkommene Ausgangssperre verhängt. Jedwede Person, die seither in der Öffentlichkeit angetroffen wurde, würde von den durch die Straßen patrouillierenden Truppen ohne Vorwarnung erschossen werden, so hatte es der Moderator im Fernsehen verkündet. Aus den Wohnungen seiner Nachbarn hatte Ronnie in all der Zeit nicht das leiseste Geräusch vernommen. Waren die alle tot, oder nur sein Fernseher und Edwins Gegrunze zu laut? Ronnie wagte nicht, das zu überprüfen. War jemand im Haus zu einem Zombie geworden, dann war der bestimmt nicht so gut gesichert, wie Edwin. Mit zusammengepressten Zähnen starrte Ronnie seinen Ex-Dealer an. Nicht einen einzigen Herzschlag lang hatte er seine sinnlosen Anstrengungen, Ronnie zu erreichen, eingestellt. Mit ausgestreckten Armen, die Finger zu Klauen gespreizt, hing Edwin in seinem Klettergurt. Die verschrumpelte Zunge baumelte ihm über blutleere Lippen aus dem geöffneten Schlund. Ein Wesen ohne Seele, ohne Verstand, zu beschränkt um zu begreifen, dass es nur den Karabiner an dem Klettergurt lösen musste.
Hast wohl Hunger, du Sack?, grunzte Ronnie. Mittlerweile sprach er immer häufiger mit dem Toten. Das könnte dir so passen! In diesem Moment knurrte Ronnies Magen vernehmlich, krampfte sich schmerzhaft zusammen nicht zum ersten Mal in den vergangen Stunden. Ronnie erhob sich, eilte in die Küche zum Wasserhahn. Er brauchte dringend etwas zu essen, ansonsten fraß ihn das Amphetamin von innen heraus auf. Trinken half zumindest ein wenig über das flaue Gefühl hinweg, aber lange würde sich sein Körper mit Wasser allein nicht mehr abspeisen lassen, wie Ronnie schmerzlich bewusst wurde, während er den Hebel der Mischbatterie nach oben drückte. Wenigstens war Wasser kein Problem, solange die Leitungen funktionierten. Edwin grunzte lauter, stampfte hörbar mit den Füßen. Ach, halt die Fresse, dachte Ronnie, während er seinen Magen mit Leitungswasser füllte. Dann durchzuckte ihn ein Gedanke
Ruckartig ließ Ronnie vom Wasserhahn ab, starrte zu Edwin, der mit den Armen rudernd zu ihm strebte. Irgendwie hatte der Anblick etwas jämmerliches, weckte beinahe so etwas wie Mitleid bei Ronnie. Dieses schmerzende Verlangen in den Zügen des Toten, nichts außer der Gier nach Fleisch, sprach aus diesem Wesen. Wäre das hässliche Loch in Edwins Brust nicht gewesen, Ronnie hätte glauben mögen, Edwin brenne darauf, ihn in die Arme zu schließen. Nein, gefährlich sah der ganz und gar nicht aus. Ronnie fragte sich, wie lange totes Fleisch bei Zimmertemperatur eigentlich haltbar war. Er versuchte die Stunden (Tage?) zu überschlagen, die vergangen waren, seitdem er Edwin getötet hatte. Zumindest nicht allzu viele, da war er sich sicher. Er warf einen prüfenden Blick zu Edwin das sah eigentlich recht vielversprechend aus. Ja, dachte Ronnie, während sich Speichel in seinem Mund sammelte, ich sollte ihn von seinen Leiden erlösen. Viren oder die Strafe Gottes, scheißegal, gut durchgebraten musste Edwin unbedenklich zu verzehren sein. Ronnie legte den Kopf schief, fixierte das Edwin-Ding. Der Zersetzungsprozess schien ihm nicht besonders weit fortgeschritten. Hatte er nicht irgendwo eine Machete gehabt? Aber ja, wenn ihn seine Erinnerung nicht täuschte, hatte er die unter dem Bett verstaut wie so vieles andere auch.
Ronnie hatte sich nicht geirrt und fünf Minuten später stand er mit der Machete in der Hand Edwin gegenüber. Mit den Fingern überprüfte Ronnie die Schärfe der Klinge. Irgendwann hatte er die Machete aus einer Laune heraus gekauft, ohne sie je zu benutzen, dementsprechend fand er daran nichts auszusetzen. Wo sollte er anfangen? Am besten an Edwins ausgestreckten Händen. Aber würde es ihm gelingen, Edwins Handgelenk mit einem Hieb zu durchtrennen? Er wusste es nicht, doch gab es nur einen Weg, das herauszufinden. Er fixierte den Punkt, den er treffen wollte, hob die Machete, trat einen Schritt zur Seite und zögerte. Ein abstruser Gedanke spukte ihm im Kopf herum. Was, wenn es sich mit einzelnen Gliedmaßen ebenso verhielt, wie mit der ganzen Leiche? Die Vorstellung, Edwins Hand verfüge auch ohne den Rest des Körpers über ein Eigenleben und brachte sich vor Ronnie unter der Couch in Sicherheit, verunsicherte ihn. Edwin zerrte an dem Seil, Ronnies unmittelbare Nähe, schien seine Aktivität zu erhöhen. Gutturale Laute ausstoßend warf er sich immer wieder mit seinem ganzen Gewicht nach vorne, der Wandhaken knirschte bedenklich Ronnie zögerte nicht länger, hob die Machete und mit ganzer Kraft ließ er sie auf Edwins Handgelenk heruntersausen. Mit einem verstörenden Geräusch traf die Schneide den Knochen, durchschlug den bis zur Hälfte und blieb stecken. Durch die Bewegungen des Armes hätte Edwin die Machete beinahe aus Ronnies Griff entwunden. Mit aufkommender Panik hielt Ronnie fest, zerrte und hebelte an der Machete herum, dann bekam er sie frei. Augenblicklich hieb er ein weiteres Mal zu und diesmal durchtrennte er das Gelenk zur Gänze. Mit einem ekligen Klatschen landete die Hand vor Ronnies Füßen, zuckte ein wenig und blieb dann zu seiner Erleichterung liegen.
Mit klopfendem Herzen beugte sich Ronnie über die Hand, Edwin in seinem Rücken ignorierte er. Auch wenn sie im Gegensatz zu Edwin vollkommen still lag, scheute er sich davor sie anzufassen. Er stupste die Hand vorsichtig mit dem Fuß, darauf gefasst, dass die Finger blitzartig nach ihm griffen, doch nichts dergleichen geschah. Allmählich beruhigte er sich, das, was von seinem rationalen Verstand noch übrig war, übernahm die Oberhand. Er hatte sich noch gar nicht überlegt, wie er Edwin zubereiten sollte. Kochen oder braten? Das blasse Fleisch der Finger sah ihm im Augenblick nicht gerade Appetit anregend aus, die Vorstellung wie es erst im gekochten Zustand aussehen mochte, ließ ihn unwillkürlich würgen. Nein, dann lieber in die Röhre damit. Sofort hatte er das Bild von knusprig braun gebrutzelter Haut vor Augen, wie der eigene Saft Bläschen bildend aus den Poren troff und zischend auf dem heißen Backblech verdampfte. Ronnie lief das Wasser im Mund zusammen und sein Magen meldete lautstark seine Zustimmung. Ronnie spießte die Hand mit der Machete auf, warf dabei ein gehässiges Lächeln über die Schulter zu Edwin und marschierte in die Küche. Dort gab er die Hand auf das Backblech in den Herd, stellte auf zweihundert Grad Umluft und schloss die Klappe. Dann setzte er sich auf den Hocker und beobachtete mit knurrendem Magen den Prozess in der Backröhre. Bald erfüllte der Duft gebratenen Fetts die Luft, unruhig rutschte Ronnie auf dem Hocker hin und her, während Edwin aus dem Wohnzimmer grunzte und knurrte. Irgendwo muss ich noch etwas Senf haben, dachte Ronnie in diesem Moment und in Gedanken sah er sich schon dabei, wie er Edwins Unterarm abtrennte, sobald die Hand verzehrt war.
Seit gestern waren die Schüsse weniger geworden, Ronnie bekam kaum noch Soldaten zu Gesicht, wenn er aus dem Fenster auf die Straße schaute. Dafür torkelten immer mehr lebende Tote herum, Tag wie Nacht. Die Berichterstattung war vor einigen Stunden eingestellt worden und Ronnie hatte keine Ahnung, ob sich die Lage jemals wieder normalisierte, oder sich die Menschen nach und nach allesamt in lebende Tote verwandelten. Wenigstens hatte er aus dem Fernsehen kurz vor Ende der Übertragungen noch erfahren, wie man sich gegen einen Zombie wehren konnte. Ronnie hatte es nicht sonderlich überrascht, dass es sich dabei genau so wie in den Filmen verhielt. Man musste das Gehirn zerstören. Im Grunde überraschte Ronnie überhaupt nichts mehr. Im Laufe der zurückliegenden Woche war er vollkommen abgestumpft, er hatte sämtliche Empfindungen verloren und keine einzige Minute geschlafen. Hin und wieder stellte er sich vors Fenster, beobachtete das Treiben auf der Straße und seine Gedanken drehten sich lediglich darum, wie er sich weitere Nahrung beschaffen konnte. Irgendwann hatte er aufgehört mit Edwin zu reden. Nur wenn er einmal am Tag wieder ein Stück von seinem Dealer abtrennte oder säbelte, fragte er ihn unterbewusst, wie es ihm ginge. Ob er sich leichter, oder irgendwie schwächer fühlte. Edwin antwortete nie etwas, sah man von seinem Gegrunze einmal ab. Für Ronnie spielte das keine Rolle, er nahm es nicht einmal wahr. Er registrierte lediglich, dass von Edwin inzwischen nicht mehr viel übrig war. Nur noch etwas Brustfleisch, Hals, Nacken und der Schädel, den Rest hatte Ronnie verspeist, ohne das ihn Edwins Schicksal ereilt und auch er zum Zombie geworden war. Das Fleisch war zubereitet also nicht ansteckend. Er hatte es ja gewusst und Ronnie fühlte sich für einen Augenblick unsagbar schlau. In einem seiner inzwischen länger zurückliegenden wachen Momente, war ihm klar geworden, im Grunde kein viel besseres Dasein zu fristen, als die Zombies dort draußen. Wenn sie könnten, würden sie ihn fressen und nichts anderes dachte er von ihnen. Diese Vorstellung ließ ihn beinahe verzweifeln und er spielte mit dem Gedanken, seinem Leben ein Ende zu setzen. Dabei kam ihm mit einem Mal eine geniale Idee, wie er Zombies gefahrlos fangen konnte, sobald er seine Vorräte auffüllen musste. Die Resignation verflüchtigte sich auf der Stelle. Ja, seinetwegen hielt er es in der Wohnung noch hundert Jahre aus. Wenn, ja wenn
Dieser Gedanke schreckte ihn in regelmäßigen Abständen aus seiner Lethargie und sein sorgenvoller Blick suchte dann jedes Mal das Tütchen auf dem Tisch. Und dieser Gedanke war es letztendlich, der Ronnie in dem Glauben bestärkte, das Denken auf ein Minimum zu beschränken. Die Menge an Crystal hatte sich in beängstigender Weise verringert. Eine Woche höchstens, dann kroch Ronnie wieder auf dem Zahnfleisch. Wie er dann über die Runden kommen sollte
Bislang hatte Ronnie diese erschreckende Vorstellung erfolgreich verscheuchen können, doch jetzt ließ sie ihn nicht mehr in Ruhe. Panik verbiss sich in sein Herz und nur mit Wut gelang es ihm, nicht einfach durchzudrehen. Alles wegen Edwin, diesem Arsch, dachte er. Er hätte mir nur etwas Crystal geben brauchen. Der Widersinn dieses Gedanken fiel ihm nicht auf. Mit geballten Fäusten stapfte er auf Edwin zu, den inzwischen nur ein um den Hals geschlungenes Seil an Ort und Stelle fixierte, da nichts mehr vorhanden war, woran Ronnie den Klettergurt hätte befestigen können.
Nein, du Schwein, versprach er ihm im Stillen, während er sich vor Edwins spärliche Überreste kniete. Davon kriegst du nichts mehr mit, garantiert. Mit gefletschten Zähnen packte er Edwin an den Haaren, hob ihn hoch, bis er ihn auf Augenhöhe hatte. Wie ein Fisch nach Luft, schnappten Edwins Zähne nach Ronnies Gesicht. Amüsiert spuckte Ronnie in den weit aufgerissenen Mund. Wie Gehirn wohl schmeckte, fragte er sich. Ein wenig kam er sich vor wie Hannibal Lector und ihm wurde plötzlich klar, dass er diesen ganzen Mist irgendwie überstehen würde. Eine ungeahnte Welle an Euphorie wogte durch Ronnies Empfinden. Vielleicht sollte er ja ein Restaurant eröffnen, sobald das alles vorbei war.
22. Mar. 2012 - Lothar Nietsch
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