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Besonderer Lesegenuss
von Tanja Bern

Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:

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A. Bionda
5 Beiträge / 61 Interviews / 20 Kurzgeschichten / 16 Galerie-Bilder vorhanden
Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
Story zu "Gefährte des Blutes", Kaffeepausengeschichten, Band 13 "Mein geliebter Vampir", TextLustVerlag


Die Glocke über der Eingangstür klingelt leise und ich flüchte vor dem Sturzregen in das Geschäft. Es riecht nach Büchern, dieser unwiderstehliche Geruch umfängt mich, lullt mich ein. Langsam streife ich meine Kapuze ab, erwidere die Begrüßung der Verkäuferin und sehe mich um. Ich traue mich kaum näher an die wunderbaren Einbände heran, weil der Regen immer noch von meiner Jacke perlt. Am liebsten hätte ich mich geschüttelt wie ein Hund, aber das täte den Büchern ebenso wenig gut. Also warte ich am Eingang, genieße die Atmosphäre und schaue sehnsüchtig auf all die Schätze, die hier auf mich warten. Nervös tippel ich von einem Fuß auf den anderen.
„Sie können die nasse Jacke auch hier aufhängen“, bietet die junge Frau mir an. Erst jetzt sehe ich die kleine Garderobe hinter mir und lache erleichtert.
„Danke, Sie retten mich. Ich habe schon drei Tage nicht lesen können und das hier ist wirklich mehr als verlockend.“ Diese Buchhandlung führt nämlich nicht nur die Bestseller der Publikumsverlage. Hier lagern auch die Schätze der Kleinverlage, die ich oft viel lieber lese.
„Was suchen Sie denn? Haben Sie schon eine Vorstellung?“
„Eigentlich bräuchte ich eine Geschichte, die mich mindestens ein Jahr beschäftigt. Ich schaffe es ja nie hier zu sein, bevor Sie schließen. Heute ist wahrlich mein Glückstag, es war kein Stau auf der Autobahn.“
„Aber …?“, hakt die Verkäuferin nach.
Ha! Sie hat meinen Unterton verstanden. „Aber ich habe kaum Zeit und lese zurzeit am liebsten Novellen oder Kurzgeschichten.“
„Mögen Sie Kaffee?“, fragt sie mich mit einem Lächeln und ich nicke automatisch, fast ein wenig überrascht.
„Mein Lebenselixier“, erwidere ich grinsend.
„Dann kommen Sie mal mit, ich habe da etwas für Sie.“
Die Frau führt mich zu einer Ecke im Buchladen, wo ein kleiner, runder Tisch mit zwei Sesseln steht. Dieser Ort lädt förmlich zum Verweilen ein. Sie zeigt auf ein Regal und berührt mich freundschaftlich am Arm, als wolle sie mich bestärken, hier zu stöbern.
„Aber Sie schließen doch gleich“, protestiere ich, als sie zur Kaffeemaschine geht.
„Die Zeit muss sein. Schwarz?“
Fast hätte ich erwidert: Ja, wie meine Seele, aber glücklicherweise stimmt das nicht. Meine Gedanken lassen mich trotzdem leise aufprusten und ich räuspere mich rasch. „Ja, vielen Dank“, sage ich dann.
Meine Finger gleiten über dünne, zart lila Einbände, von denen ich magisch angezogen bin. Ein Buch ziehe ich spontan heraus. Ich fühle, welche Geschichten für mich bestimmt sind, das war schon immer so.
Das Cover ziert einen jungen Vampir, im Hintergrund sieht man eine edle Balustrade. „Mein geliebter Vampir“, flüstere ich den Titel und sinke prompt in den Sessel, greife automatisch nach der Kaffeetasse, die man mir bereits hingestellt hat.
Diese Reihe heißt Kaffeepausengeschichten! Wie überaus faszinierend und passend. Ich schlage das Buch auf, lese das Vorwort und bin begeistert. Es gibt sogar Tipps für einen besonderen Lesegenuss! Ich kann nicht anders und muss in die erste Kurzgeschichte lugen, sie nennt sich „Gefährte des Blutes“.

Ich stand hinter der Balustrade und beobachtete, wie die Männer und Frauen der Abendgesellschaft die Stufen heraufkamen. Ihr Duft umwehte mich und versprach frisches Blut. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Einer von ihnen würde diese Nacht nicht überleben. Ein letztes Mal sog ich den Geruch ein, dann riss ich mich zusammen und folgte ihnen in das herrschaftliche Haus.

Oh, das ist wunderbar, denke ich. Endlich mal keine vegetarischen Glitzervampire. Nicht, dass ich die nicht auch mag, aber zur Abwechslung genieße ich gerne die blutrünstige Variante. Ich blättere eine Seite zurück und knabbere an meiner Unterlippe, trinke meinen Kaffee aus. Das Buch empfiehlt, die Geschichte in einer Gartenanlage oder im Schlafzimmer zu lesen. Wenn ich mir den Schönling auf der Grafik so ansehe, tendiere ich zum Zweiten.
Ich erhebe mich, das Buch lasse ich nicht mehr los. Ich fürchte nur, dass es sicher nicht das Letzte dieser Art bleiben wird. Mein Gefühl sagt mir, diese Geschichten sind besonders. Rasch bezahle ich, bedanke mich herzlich für den Tipp und eile nach Hause.

Szenentrenner


Also, was sagen die Tipps im Buch noch?
Wann lesen? An einem windigen Tag …
Den haben wir! Ein Sturm heult ums Haus und die Zweige der alten Buche schaben an meinem Fenster.
Was bereitstellen? Ein Fächer, ein Messer, eine Zigarre, eine Laterne und eine Reisetasche.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und setze mich auf die Bettkante, krame in der Schublade meiner Nachtkommode nach dem alten Venedigfächer und lege ihn neben mich. Ein Messer ist mir zu unheimlich, Zigarren habe ich nicht und die Reisetasche steht so oder so neben mir, da ich sie im Schlafzimmer aufbewahre. Als Laterne muss meine Nachttischlampe dienen. Wenigstens ist sie altertümlich geformt.
Genießen soll man Fingerfood, schwarzen Kaffee oder einen besonderen Espresso. Ich entscheide mich für meinen Lieblingskaffee und Schokokekse.
Schlürfend und knuspernd lese ich die Geschichte. Darion McKinleys Erzählung reißt mich in ihren Bann, ich fühle mich, als wäre ich sein unsichtbarer Begleiter, als er auf Benedict trifft, der eine ganz andere Gier weckt, als den Blutdurst. Es prickelt so sehr zwischen den beiden, dass ich nach dem Fächer greife, mir Luft zuwedele, weil mir viel zu heiß wird. Plötzlich verstehe ich, wieso die Verlegerin solche Tipps gibt.
Das Haus knarrt leise, ein Windzug weht durch das Zimmer, aber ich kann mich nicht von der Story lösen. Gefesselt starre ich auf die Seiten, sauge die Buchstaben förmlich in mich hinein. Dann sehe ich im Augenwinkel, wie sich die Schlafzimmertür öffnet. Mir stockt das Herz. Im ersten Moment wage ich nicht genauer hinzuschauen, ich wohne allein und denke an ein Hirngespinst. Dann ruckt mein Blick hoch und ich sehe einen großen Schatten, der von dem Flurlicht von hinten angestrahlt wird. Mein Mund klappt auf, als ich instinktiv ahne, wer dort steht, will es aber nicht glauben.
„Man hat dir nicht umsonst den Tipp mit dem Messer gegeben, meine Liebe“, sagt der Fremde und kommt näher, lächelt mich mit seinen Raubtierzähnen an. „Ich denke, du weißt, wer ich bin?“
Ich bringe kein einziges Wort hervor, schüttele nur den Kopf. Mein Körper versteift sich, als seine Hand über die Oberfläche meiner Kommode streicht, er sich neben mich auf das Bett setzt. Wie gebannt starre ich in seine Augen, ich kann mich nicht bewegen!
„Sieh mich an. Was denkst du, wer dich in dieser Situation besucht?“
Seine Kleidung scheint aus einem anderen Jahrhundert zu stammen, wie ein Lord sitzt er vor mir, schaut mich mit einem seltsamen Ausdruck an.
Oh Gott!, denke ich. Das kann nicht sein!
„Bitte tu mir nichts!“, wispere ich und weiß, dass ich irgendwie diesen Vampir aus den Kaffeepausengeschichten herbeigerufen habe. Noch immer lähmt er mich. Bewegungsunfähig sitze ich da, wie eine Statue, und zittere.
„Glaubst du, ich töte Leser meiner eigenen Erzählung?“ Sein Lachen klingt angenehm, fast melodiös. „Es ist nur ein kleiner Gruß, um zu zeigen, wie wirklich manche Geschichten sein können.“ Darion beugt sich vor, zu meinem Hals.
„Nicht!“, kiekse ich.
Doch er küsst nur die Stelle, wo meine Halsschlagader pocht, lächelt mich an … und verschwindet. Verwirrt blinzele ich, sehe mich hektisch um, atme so schwer, als wäre ich gerannt. Träumte ich das? Weil die Geschichte mir so real erschienen ist? So muss es sein!
Dann sehe ich am Boden ein Spitzentaschentuch liegen. Ich besitze so etwas nicht. Zaghaft hebe ich es mit zittrigen Fingern auf, falte es auseinander. Jemand hat die Initialen DM eingestickt. Darion McKinley!
Es entgleitet mir aus den Händen. Ich denke an die Lesetipps, laufe hastig in die Küche und hole aus der Besteckschublade ein langes Messer hervor. Ich werde dieses Buch zu Ende lesen! Was auch immer mir noch begegnen mag, nun bin ich gewappnet − zumindest für die erste Story. Hoffentlich …

Lesen Sie mehr in Mein geliebter Vampir.

23. Jan. 2015 - Tanja Bern

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