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Kaffeesätze von Arne Kilian
Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:
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TEXTLUSTVERLAG
A. Bionda
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Crossvalley Smith © http://www.crossvalley-design.de Prologstory zu "Am Abgrund der Wirklichkeit", Kaffeepausengeschichten
Was ist los mit dir?, fragte sie mich. Klirrende Untertassen und ein kreischendes Mahlwerk sangen gemeinsam mit Miles Davis. Das nasse Panoramafenster trennte uns von dem grauen Herbstnachmittag. Wie in einem Großbildfernseher sah ich den Wind dort draußen Menschen durch die Einkaufsgasse treiben.
Ich blickte auf den Bodensatz meiner Tasse und atmete die Kaffeereste ein, ehe ich ihr eine Frage stellte: Glaubst du an Vorhersehungen?
Ist das eines von deinen Spielen?
Sieh´ dir das selbst an, sagte ich und hielt ihr meine Cappuccinotasse entgegen. Was erkennst du?
Es ist schon spät. Sie nahm das Portemonnaie aus ihrer Handtasche.
Ich kann die Kaffeebar nicht verlassen. Du musst mir erst antworten!
Es war eine anstrengende Woche. Du brauchst Schlaf. Sie beugte sich über den Tisch und umschloss mit ihren Händen meine Rechte.
Ich meine es ernst.
Genau wie ich, erwiderte sie.
Diese Kaffeepausengeschichten fangen alle mit einer Leseanleitung an und jetzt schau doch einmal genau hin! Was erkennst du in der Tasse?, fragte ich erneut.
Wenn ich etwas sehe, dann eingetrockneten Milchschaum. Alles andere ist ungewiss.
Sag´ es doch einfach, verdammt! Meine Stimme wurde lauter.
Was siehst DU?, erwiderte sie.
Es entspricht der Beschreibung. Da ist dasselbe Bild. Hier! In diesem Kurzgeschichtenband gibt es einen Text. Er heißt Nebelwarnung. Und dort wird empfohlen, sich vor dem Lesen Asche und eine Hundeleine bereitzulegen.
Und wo ist die Asche? Sie lehnte sich zurück.
Dann siehst du das Bild auch? Einen Hund mit einer Leine? Ich klopfte mit den Fingern auf die Tischkante.
Sie schüttelte ihren Kopf und gab der Bedienung ein Zeichen. Was sehen Sie in dem Milchschaum?
War etwas nicht in Ordnung?, fragte die Kellnerin, stellte sich kerzengerade und ergänzte: Möchten Sie
Doch sie ging dazwischen: Die Rechnung bitte.
Was soll das, zischte ich, als sich die junge Frau wahrscheinlich eine Studentin wieder entfernte.
Ich wollte dich wachrütteln. Warum kaufst du dir auch diese ganzen Bücher?
Sie machen mich irgendwie ...
Ja, sie machen dich süchtig. Genau das ist es. Jeden Abend liest du darin!
Als die Rechnung auf den Tisch gelegt wurde, bezahlte sie und ich reichte noch ein paar Münzen nach. Entschuldigen Sie bitte.
Die möchte ich noch ein paar Minuten behalten!, fügte sie hinzu und nahm der Bedienung die Tasse vom Tablett. Die junge Frau lächelte nervös.
Nach einer Weile zog sie das Buch zu sich, blätterte es auf und las daraus vor: Allmählich beruhigte sich sein Knöchel wieder. Während Thomás die Augen zusammenkniff, tastete er nach seiner Brille. Hatte sich die Erscheinung im Nebel auf ihn zubewegt? Mehr als klammes Gras, das kühle Tautropfen an seine Hand abgab, bekam er nicht zu fassen. Tatsächlich, es kam etwas auf ihn zu! Dann steckte sie es sich in ihre Handtasche. Das ist zu spannend für dich! Ich werde es vor dir lesen. Ihre Mundwinkel zuckten und sie unterdrückte ein Lachen.Die Musik hatte aufgehört zu spielen und die Gespräche der Nachbartische wurden deutlicher. Lass uns gehen. Wir lesen den Text gemeinsam. So macht es wahrscheinlich noch mehr Spaß!
Woher kommt dein Sinneswandel?, fragte ich.
Ich glaube, dass ich diese Sucht mit dir teilen möchte. Sie blickte sich um und senkte dann ihre Stimme. Und die Tasse nehmen wir mit.
Lesen Sie mehr in AM ABGRUND DER WIRKLICHKEIT.
13. Mar. 2015 - Arne Kilian
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