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Aus Liebe
von Rainer Wedler

http://www.alisha-bionda.com © http://www.alisha-bionda.com
Erklärungen sind nie hilfreich, weil sie das Geschehene nicht ungeschehen machen können. Sie dienen lediglich dazu, das Gefüge der Welt zu erhalten, haben also wenig mit dem Täter oder dem Opfer zu tun. Trotzdem soll der Täter zu Wort kommen, das Opfer ist dazu nicht in der Lage.

Ich habe es aus Liebe getan. Wissen Sie, dreißig Jahre, ja, dreißig Jahre Ehe. Rechnen Sie im Schnitt einen Theaterbesuch und einmal Kino pro Monat, so kommen Sie auf vierundzwanzig derartige Abende pro Jahr. Wenn Sie jetzt noch überlegen, dass man in den ersten Jahren einer Ehe öfter ausgeht, so dürfen Sie ruhig dreißig Abende ansetzen, dreißig mal dreißig macht neunhundert, sagen wir runde tausend. Also, ich wollte, dass die Sache ein für alle Mal ein Ende hat.

Die Frau des Täters verweigert jede Aussage.

Die nächstsitzenden Theaterbesucher jenes denkwürdigen Abends gaben im Wesentlichen Übereinstimmendes zu Protokoll:

Ein Schrei, überall Blut. Der Täter wischt das Schwert an der Sitzlehne ab und setzt sich in seinen Sessel zurück.

Es habe einige Zeit gedauert, bis der Vorhang fiel und das Licht im Zuschauerraum anging. Der Täter habe gelächelt.

Die ersten Jahre habe ich zunächst verbal zugestimmt, dann nur noch genickt. Später habe ich auch das unterlassen. Sie aber hat immer eine Bestätigung haben wollen. Ich habe es zaghaft versucht, bitte, lass das doch, das ist doch immer das Gleiche. Dabei stimmte das mit dem größten Mann oft gar nicht, das war eben eine fixe Idee.

Nein, sonst sei ihre Ehe gut gewesen, ja, im Bett habe es bis zuletzt gut geklappt.

Wenn ich mit ihr die Plätze tauschte, behauptete sie regelmäßig, nun sei es noch schlimmer, der Mann noch größer. Ein Sitzkissen weigerte sie sich mitzunehmen, wie das aussieht, wie wenn ich Hämorrhoiden hätte, nein, das tu ich mir nicht an.

Er habe schließlich den Vorschlag gemacht, immer die erste Reihe zu nehmen, finanziell seien sie inzwischen recht gut gestellt, was sie aber ablehnte mit der Begründung, diese modernen Theatermacher würden oft die erste Reihe teils mit Absicht, teils aus Versehen in das Bühnengeschehen mit einbeziehen. Sie habe auf jene Aufführung verwiesen, wo ein Schwarzer, ausgerechnet ein Neger, eimerweise in Blut schwimmendes Gekröse in den Orchestergraben geschüttet habe, der natürlich entsprechend präpariert worden war, sie habe gesehen, wie das Blut in die erste Reihe gespritzt sei. Als Beweis diente ihr, dass die Leute da vorne ihre Taschentücher gezückt und an sich herumgerubbelt hätten.

Ich habe immer versucht wegzuhören. Machen Sie das mal. Weghören ist ein dummes Wort. Sie können wegsehen, das funktioniert. Sie können wegriechen, das ist allerdings schon aufwendiger, kann aber auch funktionieren. Aber wie kann ich weghören? Ich höre es ja doch. Gut, ich könnte mir die Zeigefinger in die Ohren stecken. Aber sagen Sie selbst, sieht das nicht blöde aus? Und was nützt es? Sie kennen das.

Je älter sie wurde, desto lauter hat sie es gesagt. Ich glaube nicht, dass es eine beginnende Schwerhörigkeit war. Ich bin überzeugt, sie wollte, dass es der Vordermann hört. Aber was sollte der machen? Eigentlich habe ich immer sagen wollen, nehmen Sie es bitte nicht persönlich, das ist nur so eine Marotte meiner Frau. Aber ich habe mich nie getraut. Wissen Sie, da wäre sie aggressiv geworden. Und davor hatte ich Angst.

Trotzdem liebe er seine Frau. Deshalb habe er die Tat ja begangen. Eigentlich habe es wenig Konflikte zwischen ihnen gegeben. Diese Theaterbesuche oder auch Kinobesuche seien allerdings für ihn unerträglich gewesen. Er habe schon am Morgen eines solchen Tages im Büro nur sehr unkonzentriert arbeiten können. Immer habe er diesen Satz gehört.

Ich habe es aus Liebe getan, aus Liebe zur ihr. Was hätten Sie getan? Ich frage Sie ernsthaft, was hätten Sie getan? Ich habe sie von diesem Zwang befreien wollen. Heute sehe ich ein, dass dies ein irriger Gedanke gewesen ist.

Fest steht: Der Täter hatte im linken Ärmel einen Gladius, eine Museumsreplik, versteckt. Die Spitze des Knaufs hatte er in der geschlossenen Faust gehalten. Das ist nicht weiter aufgefallen. Er war eben ein Mann mit einem steifen Arm. Da er seine Frau wie gewöhnlich rechts neben sich hatte, hatte diese ebenfalls nichts bemerkt. Als sie die Plätze einnahmen, war der Sitz vor seiner Frau noch frei. Der Vorhang war gerade hochgegangen, Iphigenie suchte noch den passenden Platz für ihren Eingangsmonolog, da schlich ein stattlicher Mann in gebückter Haltung auf eben jenen noch freien Platz. Da ließ sich die Frau des Täters laut vernehmen, immer sitzt der größte Mann genau vor mir! Darauf erhob sich der Täter wortlos, ließ den Gladius aus dem Ärmel gleiten, nahm ihn in die rechte Hand und schlug mit einem Hieb dem Vordermann der Kopf ab

– aus Liebe.


Kurzgeschichte aus
Madrigal für einen Mörder
Hrsg. Andreas Schröter
Krimigeschichten
November 2005
ISBN: 3-9808278-4-4
TB
Preis: 9,90 Euro
zu bestellen bei: www.schreib-lust.de

Autoren:

Ellen Balsewitsch-Oldach, Mischa Burrows, Elli Dammermann, Wolfgang M. Epple, Birgit Erwin, Christiane Geldmacher, Iris Grädler, Andreas Gruber, Fran Henz, Franziska Kelly, Holger Kutschmann, Monique Lhoir, Sabine Ludwigs, Eva Markert, Ulf Meierkord, Stefan Preuss, Susanne Schubarsky, Saza Schröder, Christine Spindler, Kai Splittgerber, Jutta Strzalka, Rainer Wedler, Patricia Vohwinkel, Barbara Willich, Maria Zocchetti

09. Dez. 2006 - Rainer Wedler

Bereits veröffentlicht in:

MADRIGAL FÜR EINEN MÖRDER
A. Schröter (Hrsg.)
Anthologie - Krimi-Stories - Schreiblust-Verlag - Nov. 2005

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