Main Logo
LITERRA - Die Welt der Literatur
Home Autoren und ihre Werke Künstler und ihre Werke Hörbücher / Hörspiele Neuerscheinungen Vorschau Musik Filme Kurzgeschichten Übersicht
Neu hinzugefügt
Autoren
Genres Magazine Verlage Specials Rezensionen Interviews Kolumnen Artikel Partner Das Team
PDF
Startseite > Kurzgeschichten > J.J. Preyer > Krimi > His Master’s Voice

His Master’s Voice
von J.J. Preyer

Wolfgang Sigl Wolfgang Sigl
© http://www.wolfgangsigl-grafiken.de/
"Sie kann es sich leisten, als Bestsellerautorin", fand Mable Cunningham, die Besitzerin der auf Kriminalromane spezialisierten Buchhandlung "Sherlock".
Offenbar. Die zahlreich erschienen Fans von Patricia Devon, Frauen ab vierzig, hatten geduldig eine Stunde auf die Autorin gewartet, eine Erscheinung von Strahlkraft und Format.
Es störte die Damen auch nicht, dass Miss Devon stockend las, als ob sie einen fremden Text vor sich hätte oder gar des Lesens ungeübt wäre.
Auch die Widmungen, die sie in die eifrig gekauften Romane schrieb, waren wenig inspiriert.
Darüber konnte man hinwegsehen. Die Frau war einfach wunderschön. Gestylt vom aschblonden Haar, über die ebenmäßigen Zähne hin bis zur schimmernden Perlenkette.
Ihre Romane waren spannend und stilistisch raffiniert. Sie erhielten beste Rezensionen in allen einschlägigen Magazinen.
Patricia Devon, die elegante Krimi-Prinzessin der Herzen, wie der Verlag sie nannte.
"Welchen Roman planen Sie als Nächstes, Patty?", fragte die Reporterin einer Stadtteilzeitung.
Die so Angesprochene funkelte das Reportergeschöpf mit veilchenblauen Augen an: "Patricia Devon. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie meinen Namen nicht verändern. Ich denke, er ist bekannt genug."
Die Reporterin machte einen zweiten Versuch: "Entschuldigen Sie, Miss Devon, welchen weiteren Thriller dürfen wir von Ihnen erwarten."
"Mein Gott. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass ich keine Thriller schreibe, sondern Literatur. Literatur, die sich nebenbei auch ganz gut verkauft, wie man mir mitteilt."
Dumpf-zustimmendes Gelächter der anwesenden Damen.
"Wenn Sie für Ihre Zeitung Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte an die Pressesprecherin meines Verlags, an Miss äh."
"Miss äh" erhob sich und überreichte der Journalistin eine Mappe mit Fotos und Daten, dann teilte sie den Besucherinnen der Autorenlesung mit: "Miss Devon muss leider zu einem weiteren Termin. Meine Kollegin, Miss Toad, die Lektorin von Global Press und ich stehen für Auskünfte zur Verfügung."
Unter Applaus verließ Miss Devon in Begleitung eines um Jahre jüngeren Mannes, der einen Arm um ihre Hüfte legte, die Buchhandlung, und eine der hässlichsten Personen weiblichen Geschlechts, die man sich vorstellen kann, klein, dick, mit schwarzem, fettigem Haar und einem Anflug von Schnurrbart, erhob sich.
Die Lektorin Miss Ramira Toad, zuständig für Miss Devons Romane bei Global Press, begrüßte die Zuhörerinnen und las einige Seiten aus "Nachtschatten", dem zuletzt erschienen Buch von Patricia Devon vor.
Schloss man die Augen, hörte man den Vortrag einer begehrenswerten Frau. Miss Toad las göttlich.

Einige Straßen weiter, ebenfalls im alten Teil der Hauptstadt, Signierstunde und Lesung von Walter William Wales, dem Autor von feinsinnig-intelligenten Kriminalromanen mit historisch-philosophischem Hintergrund, einem großen, schlanken Mann um die vierzig, mit dichtem, graumeliertem Haar und randlosen Brillen.
Im Publikum, in den Räumen der Philip-Morton-Buchhandlung, Frauen über vierzig und einige Männer, denen das Interesse am eigenen Geschlecht ins gepflegte Gesicht und in die Designerklamotten geschrieben stand.
Mr. Wales las mit dunkel-vibrierender Stimme, wobei er immer wieder ins Publikum schaute, intensiven Augenkontakt mit weiblichen und männlichen Fans suchend. Die Auserkorenen vergaßen während dieser Höhepunkte zu atmen.
Walter William Wales signierte seine Bücher mit einem goldenen Füllhalter. Er schrieb in jedes Buch den Satz: "Ein Buch ist treuer als jeder Freund". Eine Formulierung, die man nach der Lektüre seiner akademischen Romane nicht unbedingt von ihm erwartet hätte.
Ein Mister Reginald Slug, Lektor des Fathom Verlags, klein, dicklich, mit schütterem Haar und dicken Hornbrillen, stand dem Publikum für Auskünfte zu Büchern und Autor zur Verfügung.
Walter William Wales musste leider zu einem weiteren Termin und verließ die Buchhandlung in Begleitung seines Sekretärs, eines schlanken jungen Mannes, der ihm die Aktentasche trug.
Reginald Slug las aus einigen Büchern des Autors vor, wobei sich akustisch die perfekte Illusion von Männlichkeit, Abenteuer und Intellekt entfaltete.
Öffnete man jedoch die Augen, zerstörte der Anblick eines fetten schwitzenden Mannes das Traumbild.

Am Abend, in der Pension "Prince Charles", in einer der weniger noblen Nebenstraßen der Hauptstadt, begaben sich Mister Slug und Miss Toad nach einem köstlichen Abendessen, das sie mit zwei Flaschen französischen Weins gekrönt hatten und einem Schaumbad in das gemeinsame Bett, in dem sie heftig und deftig der körperlichen Liebe frönten.
Keuchend und grunzend fielen sie schließlich in die hohen Kissen.
"Überlässt du ihn mir?", fragte Miss Toad, die Lektorin von Global Press, ihren Kollegen, Mister Slug, von Fathom Press.
"Nichts lieber als das. Die College-Schwuchtel hat nichts anderes verdient. Dafür gehört Patty Devon mir."
"Aber sie heißt doch nicht Patty, mein lieber Reginald. Wie jeder auf der ganzen Welt weiß, ist ihr Name ist Patricia. Patricia Devon. Das sollte auch einem Schreiberling wie dir bekannt sein."
Die beiden glucksten vor Vergnügen.
"Wie wirst du Patty verwenden, Reginald?", fragte Ramira Toad den Kollegen.
"In meinem nächsten Walter-William-Wales-Krimi stirbt eine Frau an Heroin, das der Mörder auf eine Wunde streut, die er ihr in Kreuzesform in den Arm geritzt hat. Ich muss wissen, wie das funktioniert und wie lange es dauert. Ich werde sie mit in Alkohol aufgelöstem Rohypnol ruhig stellen."
"Sie trinkt am liebsten Prosecco, wie alle hirnlosen Tussis aus Werbeagenturen", verriet Ramira Toad.
"Und was machst du mit ihm?"
"Ich habe meinen neuen Patricia-Devon-Krimi fast fertig. Ein Börsenmanager, schön schwul, verendet in seinem BMW, an den Abgasen des Motors. Ich bin mir noch nicht sicher, ob er Schaum vor dem Mund haben und ob seine Haut eine kirschrote Färbung vom Kohlenmonoxyd annehmen soll. Ich werde ihm auch Rohypnol verabreichen."
"Er trinkt am liebsten Champagner, wie alle Wissenschafts-Schwulis", sagte Reginald Slug.
"Und deinen nächsten Walter-William-Wales-Roman schreibe ich", schlug Ramira Toad vor.
"Du bist die Größte, das macht das Leben wieder spannend. Und ich übernehme den nächsten Patricia-Devon-Fall", sagte Reginal Slug.
"Wer tritt künftig in der Öffentlichkeit als Walter William Wales und als Patricia Devon auf?"
"Wohl eine rhetorische Frage", meinte Reginald Slug. "Wir haben noch immer eine neue Werbetussi und einen neuen College-Schwuli auftreiben können. Bisher hat niemand den Wechsel der Darsteller bemerkt. Nicht einmal die Liebhaber."
"Wie recht du hast", gurrte Ramira Toad und wälzte ihren schweren Körper auf den von Mister Slug.

25. Jul. 2007 - J.J. Preyer

[Zurück zur Übersicht]

Manuskripte

BITTE KEINE MANUS­KRIP­TE EIN­SENDEN!
Auf unverlangt ein­ge­sandte Texte erfolgt keine Antwort.

Über LITERRA

News-Archiv

Special Info

Batmans ewiger Kampf gegen den Joker erreicht eine neue Dimension. Gezeichnet im düsteren Noir-Stil erzählt Enrico Marini in cineastischen Bildern eine Geschichte voller Action und Dramatik. BATMAN: DER DUNKLE PRINZ ist ein Muss für alle Fans des Dunklen Ritters.

Heutige Updates

LITERRA - Die Welt der Literatur Facebook-Profil
Signierte Bücher
Die neueste Rattus Libri-Ausgabe
Home | Impressum | News-Archiv | RSS-Feeds Alle RSS-Feeds | Facebook-Seite Facebook LITERRA Literaturportal
Copyright © 2007 - 2018 literra.info